Deutschland in den frühen sechziger Jahren, irgendwo in einer ärmlichen Vorstadt. Hier leben Familien, die den Verheißungen des Konsums nicht erliegen können. Hier regiert noch nicht der Quelle-Katalog, hier herrschen noch Väter tyrannisch über ihre Familien, ducken sich Mütter hinter’m Herd, haben Kinder zu parieren. In diesem sozialen Klima spielt Wolfgang Beckers kleines Meisterwerk „Kinderspiele“, eine reine Fernsehproduktion, die nach ihrem großen Erfolg beim Münchner Filmfest 1992 sogar kurzzeitig den Weg ins Kino fand.
„Sensibles, ergreifendes, mit leiser Komik operierendes Alltagsdrama“ (Berliner Zeitung)
Der Film wird erzählt aus der Perspektive des Jungen Micha, der nach den Sommerferien aufs Gymnasium gehen soll. Doch bis dahin, passiert noch so einiges: Sein Vater dreht zunehmend durch, die Oma stirbt, die Mutter sucht das Weite. Aber auch außerhalb der Familie gibt es für Micha, der langsam erwachsen wird, eine Menge, die er verkraften muss. Kalli, sein einziger Freund, bleibt sitzen. Es wird also der letzte Sommer sein, in dem sie gemeinsam Kallis Oma quälen, Nacktfotos gucken oder durch Schlüssellöcher äugen, Scheiben einwerfen oder Wettpinkeln veranstalten. Vielleicht wird er ja demnächst mehr mit Claudia unternehmen, mit der er schon einmal allein beim Schwimmen war.
Der Titel täuscht. „Kinderspiele“ ist nichts fürs Kinderprogramm. Eher ein Film für Erwachsene, die ihre Kindheit nicht ad acta gelegt haben, sondern sich jenseits von verklärender Nostalgie noch einmal erinnern wollen an eine erfahrungsreiche Zeit in ihrem Leben. Die vielleicht auch einmal SOS ins All funkten, weil die Eltern sie nicht verstanden oder immer nur die jüngeren Geschwister bevorzugten. Und die die Erziehung ihrer eigenen Kinder heute hoffentlich besser machen. „Eine Geschichte für Erwachsene mit dem Hinweis darauf, was sie bei Kindern anrichten können, wenn sie unreflektiert und unüberlegt handeln“, umschreibt denn auch Wolfgang Becker seinen mehrfach preisgekrönten Film.
„Kinderspiele“ ist ein Autorenfilm im besten Sinne. „Die sechziger Jahre sind die Zeit meiner Kindheit, die kenne ich und brauche ich nicht zu recherchieren“, betont der 40jährige Filmemacher. „Sie sind noch sehr durch den Nachkriegsmuff und die Spießigkeit der fünfziger Jahre bestimmt.“ Schwerer als die Zeitanalyse war für Becker die Recherche kindlichen Empfindens. „Als Erwachsener ist man ja immer abgeschnitten vom eigenen Kind-Sein. Man vergisst schnell, was einmal war. Deshalb ist es auch so schwer für Erwachsene zu verstehen, was Kinder bewegt.“ (Text-Stand: 25.9.1994)