„Was hast denn du für eine Macke? Sag’s mir lieber gleich.“ Nina (Lisa Maria Potthoff) ist überglücklich. Dass ihr das noch mal passieren würde! Vor drei Jahren hatte ihr Mann (Christian Heiner Wolf) sie für eine jüngere Frau verlassen. Seither schlägt sich die Ärztin mit ihren beiden Kids tapfer durchs Leben. Ein befreundetes Nachbarehepaar hilft ihr dabei. Und jetzt ist endlich wieder ein Mann in ihrem Leben: und was für einer! Melanie (Ulrike Krumbiegel) von nebenan findet ihn auch anbetungswürdig. Ihr Mann Andreas (Justus von Dohnányi) hat dagegen so seine Vorbehalte gegen Mark (Manuel Rubey), einen Landschaftsgärtner, über den das Internet so gar nichts weiß. Und tatsächlich. Die ehrliche Antwort auf die Frage nach einer Macke gibt der Traummann Nina erst ein paar Tage später. Mark, der eigentlich Dominik heißt, war vier Jahre im Gefängnis, weil er seine Freundin im Affekt erschlagen hat. Trotzdem entscheidet sich Nina für ihn – und er zieht bei ihr ein. Mit seiner beruflichen Resozialisierung klappt es nicht so gut. Mehr als Hilfsjobs in einer Gärtnerei bietet man ihm nicht an. Es belastet ihn, dass Nina ihn aushält, und als er von einem „Kumpel“ aus dem Knast (Wolfgang Haas) erpresst wird, wendet er sich nicht an seine Partnerin, sondern an die Nachbarin. Und auch sonst verbringen die beiden immer mehr Zeit miteinander …
In Hinblick auf das „Zuschauervergnügen“ ist jeder Satz, den man über den Film verliert, ein Satz zu viel. Deshalb ist der Text mehr Rezeptionsanalyse als Kritik.
„Jeder hat eine zweite Chance verdient“, bringt es die Protagonistin des ZDF-Fernsehfilms „Irgendwas bleibt immer“ ein bisschen plakativ auf den Punkt. Das Kammerspiel mit den drei Hauptfiguren und einer tragenden Nebenfigur könnte spannende Beziehungsnuancen zwischen dem Quartett entwickeln. Das jedenfalls ist im Drehbuch angelegt. Da sind zwei gute Freundinnen. Da ist der neue Partner – für beide Seiten der neuen Liebe so etwas wie die viel zitierte zweite Chance. Da ist der Mann der guten Freundin, mit dem die Hauptfigur, nachdem sie von ihrem Mann verlassen wurde, eine kurze Affäre hatte. Da ist eine „ganz normale“ Ehe mit Höhen und Tiefen. Und zwischen den Männern wäre eine zunehmende Rivalität denkbar: Der Hahn im Korb könnte um sein Revier fürchten… Drehbuchautorin Claudia Kaufmann („Rufmord“ / „Die Gruberin“) hätte also ausreichend Spielmaterial für ein potenzielles Drama über die Grenzen des Vertrauens und den Zweifel, der sich in jede Beziehung einnisten kann.
Anstatt aber die Interaktionen psychologisch tiefer auszuloten und dadurch die innere Spannung länger am Leben zu halten, zielt die Geschichte – obgleich erst einmal latent – recht bald in Richtung Thriller. Der kann bei dieser naiven Spielart des Genres nur zwei Lösungsvarianten haben. Und so ist der Film von Thomas Kronthaler nicht nur ein Thriller mit Charakteren, die dümmer sind, als die Polizei erlaubt, sondern auch ein Thriller, der gemacht ist für Zuschauer, die noch nie einen solchen Beziehungsthriller gesehen haben. Anders ausgedrückt: Die Unschuld des frühen Genrekinos (Beispiel: Hitchcocks „Verdacht“ oder Cukors „Gaslight“) mag ihren Reiz haben, in filmisch aufgeklärten Zeiten wie heute funktioniert ein so simples Muster jedoch nicht mehr – es sei denn, die filmische Inszenierung würde wie bei den Thriller-Klassikern einen besonderen Atmosphäre-Raum (er)schaffen: dann ließe sich womöglich von den sehr überschaubaren Möglichkeiten des Plots absehen.
Mitdenken ist bei „Irgendwas bleibt immer“ verboten. Doch selbst für den geübten ZDF-Zuschauer ist es nicht anzunehmen, dass er diese Geschichte allein an der Oberfläche abscannt. Denn gerade der Beziehungsthriller appelliert wie der Whodunit-Krimi an die grauen Zellen des Betrachters. Wer also nur ein Bisschen Erfahrung mit diesem Genre (und dem ZDF) hat, weiß spätestens zur Halbzeit, wie hier der Hase laufen muss. Da aber sowohl am dramaturgischen als auch am filmästhetischen Wie nicht sonderlich gefeilt wird, kommen selbst im Schlussdrittel weder äußere noch innere Spannung auf. Alles geht in den letzten 25 Minuten den erwarteten Gang. Ein Trugschluss wäre es zu glauben, der „normale“ Zuschauer erkenne die abgestandene Formel dieses Films nicht. Artikuliert er sie vielleicht auch nicht, so hat sie doch jeder Mensch mit etwas Thriller-Seherfahrung verinnerlicht.
Dürfte sich auch der Genre-Kenner von „Irgendwas bleibt immer“ mit Grausen abwenden, den Zweck anspruchsloser Zerstreuung erfüllt dieser ZDF-Montagskrimi auf einem durchaus ansprechenden Niveau. Die Besetzung, Lisa Maria Potthoff, Manuel Rubey, Justus von Dohnányi, Ulrike Krumbiegel, kann sich sehen lassen (obgleich man mit weniger Type-Casting ein größeres Spannungsverhältnis zwischen den Charakteren hätte schaffen können). Die Schauplätze im Umland von München, die relative Abgeschiedenheit, das alles passt zur Geschichte ganz gut. Das wohlhabende Schöner-Wohnen-Ambiente charakterisiert ein Stück weit die Figuren (Nina ist Ärztin und hat geerbt), kennzeichnet sie als Stützen der Gesellschaft – insbesondere die Heldin: eine Frau, die in ihrem Beruf Verantwortung trägt und genau hinschauen muss; für das Privatleben reicht dann oftmals die Energie nicht mehr aus. Dass sie von ihrem Ehemann betrogen wurde, hat sie erst nach einem halben Jahr entdeckt. Und auch wenn Thomas Kronthaler kein übermäßig ästhetisch elaborierter Film gelungen ist, so spiegelt sich doch der Stimmungsumschwung vom großen Glück zum angstbesetzten Zweifel recht eindrucksvoll in den Bildern. Ist zu Beginn noch alles von der Sommersonne durchflutet, ziehen später wortwörtlich graue Wolken auf, bevor die Ninas Seele in einen kalten Grünschimmer getaucht wird. Das sieht gut aus, ist aber genauso erwartbar wie das Erzählte dieses Gratifikationsthrillers, der auf die Bestätigung des unbedarften Zuschauers setzt.