Er hat gesagt: „Serengeti darf nicht sterben“. Und die Serengeti lebt. Er hat gesagt: Der Frankfurter Zoo muss bleiben. Und der Zoo blieb. Der Tierfilmer und Zoologe Bernhard Grzimek war ein Mann der Tat, der Ehemann und Familienvater eine Katastrophe. Während seine Frau Hildegard und die Söhne Rochus und Michael im Allgäu darauf warteten, das Papa von der Ostfront heimkehrt, lotste seine Geliebte den Fahnenflüchtigen aus der Berliner Gefahrenzone ins sichere Ostwestfalen. Aus der langjährigen Verbindung, die kurz nach dem Krieg zerbrach, waren zwei uneheliche Kinder hervorgegangen. Als Grizmeks ältere Tochter Monika 1963 auf der Durchreise nach Israel beim Frankfurter Zoo Halt macht, um ihren leiblichen Vater zu treffen, fragt Grzimek die junge Frau: „Möchten Sie ein Autogramm?“
Zu diesem Zeitpunkt war Grzimeks Sohn Michael vier Jahre tot, bei Dreharbeiten zu dem Dokumentarfilm „Serengeti darf nicht sterben“ verunglückte der Pilot mit seinem Flugzeug. Jahrzehnte später würde Bernhard Grzimek (1909-1987) Michaels Witwe heiraten und Michaels Söhne, also seine Enkel adoptieren. Es gibt da eine Widersprüchlichkeit in der Persönlichkeit, die das ARD-Biopic „Grzimek“ sehr gut herausarbeitet: Zeitlebens kämpft „der bekannteste Tierfachmann Westdeutschlands“ um einen „Platz für Tiere“. Seinem Adoptivsohn Thomas, in Afrika geboren, kann Grizmek in Deutschland keine emotionale Heimat bieten. Der junge Mann nimmt sich 1980 das Leben. Von all diesem beruflichen Erfolg des Oscarpreisträgers und seinem gleichermaßen privaten Unglück erzählt der Fernsehfilm in opulenten 180 Minuten, die am Karfreitag noch mit einer anschließenden Dokumentation ergänzt werden. Will man, muss man, soll man 2015 so ausführlich über einen Menschen informiert werden, der 1945 im zerbombten Frankfurt alles daran setzte, die exotischen Tiere des Zoologischen Gartens trotz aller Lebensmittelrationierungen „durchzufüttern“?
Bernhard Grzimek ist der Weltenretter mit Professorentitel, der den Deutschen ein Umwelt-Bewusstsein und den Afrikanern einen Nationalpark verschaffte. Das macht ihn natürlich zum Betrachtungsobjekt für das öffentlich-rechtliche Feiertagsfernsehen. Ulrich Tukur spielt ihn aber nicht allein als den energetischen Anstifter und mutigen Grenzüberwinder. Tukur zeigt auch mit Wonne den notorischen Weiberhelden und mit feiner Nuance den letztlich doch wohl unverbesserlichen Narzissten, der sich in Lieblingssohn Michael spiegelt, die Suggestionskraft der Bilder für sich ausnutzte und in seine live ausgestrahlte Fernsehsendung „Ein Platz für Tiere“ („Sie dürfen beruhigt sein, es passiert überhaupt nichts“) schon mal ein pinkelndes Pinselschwein, eine meterlange Würgeschlange oder „possierliche“ Raubkatze mitbrachte.
Das Drehbuch von Marco Rossi („Der Himmel über Australien“) ist von epischer Breite, muss aber dennoch angesichts der vierzig Jahre Erzählzeit ökonomisch vorgehen. Die verschiedenen emotionalen Aggregatszustände der Hauptfigur werden zueinander positioniert, ohne sich allzu sehr aneinander zu reiben. Vieles – wie die lange verschwiegene Mitgliedschaft in der NSDAP – wird nach dem Prinzip „Der Zweck heiligt die Mittel“ zwar korrekt berichtet, aber nicht sonderlich kritisch beleuchtet oder gar explizit verurteilt. Regisseur Roland Suso Richter („Die Bubi Scholz Story“) setzt aber gegen diese Wohlfühl-Dramaturgie durchaus künstlerische Akzente: Die Rigorosität, mit der Grzimek dem Familienfrieden seine beruflichen Ziele und libidinösen Eskapaden unterordnet, widerspiegelt Richters Inszenierung schon früh schonungslos im zunehmend verheerten Gesicht von Barbara Auer, die sehr eindringlich, weil so uneitel die eifersüchtige und wohl auch alkoholabhängige Hildegard Grzimek spielt.
Wie es sich für einen Feiertagsfilm gehört, wechseln sich großartige Afrikabilder mit prächtigen Historienkulissen ab. Ausstatter Michael Köning gelingt die Illusion der Zeitreise verblüffend gut, aber natürlich bleibt „Grzimek“ notgedrungen ein ausstaffierter Film, dem man jederzeit ansieht, dass er keine Kosten & Mühen scheuen musste. Und selbstverständlich ist es für Ulrich Tukur ein Kraftakt, den Grzimek mit Mitte Dreißig genauso zu spielen wie den verbitterten Endsiebziger. Aber Gott sei Dank ist da ein Hauptdarsteller am Start, der die emotionalen Triebfedern seiner Figur jederzeit und in jeder Zeit vermitteln kann. Mal eitel, mal moralisch, mal rücksichtslos, mal der Schöpfung verpflichtet, ist Tukurs Grzimek eine höchst ambivalente, weil oft selbstverliebte, manchmal auch selbstherrliche, zuletzt fast selbstzerstörerische Figur. Mehr Heldenzertrümmerung kann man wohl nicht erwarten – zumal nicht von einem beliebten Tierschützer in einem öffentlich-rechtlichen Eventfilm.