Eigentlich will sie in den gehobenen Polizeidienst, doch Ina Roth (Petra Schmidt-Schaller) überlegt nicht lange, als ihr ehemaliger Ausbilder Thomas Theissen (Armin Rohde) ihr das Angebot macht, bei seiner Sicherheitsfirma Cerberus einzusteigen. Weshalb den langen, steinigen Weg gehen, wenn es Abkürzungen gibt, nach oben zu kommen!? Ina ist ehrgeizig; auch die bessere Bezahlung ist für sie ein Anreiz. Der erste Auftrag kommt von einem marktführenden Unternehmen für erneuerbare Energien, dessen Vorstandsmitglied Michael Dithardt (Christian Berkel) unter dem Verdacht steht, brisante Details über die geplante Kooperation mit den Chinesen in die Öffentlichkeit zu tragen. Ein geschäftsschädigendes Verhalten, dem Einhalt geboten werden muss: Dithardts Haus wird verwanzt – und der Verdacht bestätigt sich. Das „Sicherheitsrisiko“ Dithardt soll ausgeschaltet werden. Da der Manager aber nicht daran denkt, zurückzutreten, tritt Plan B in Kraft, autorisiert vom Vorstandskollegen Ronald Klostermann (Anian Zollner). Damit ist der Weg frei für die schmutzigen Methoden, die weit über die illegale Informationsbeschaffung hinausgehen. Jetzt kommt die Stunde von Cerberus-Mitarbeiter Torsten Gütschow (André Hennicke), dem Stasi-geschulten Mann fürs Grobe. Inas Verunsicherung wächst. Manipuliert womöglich ihre Firma Daten zum guten Endzweck, der da heißt: Dreijahresvertrag für Cerberus? Sie spürt, dass sie auf der Hut sein muss. Auch ihre Existenz hängt an einem seidenen Faden.
Autor Sven Poser über alte Seilschaften: „Die ‚Old Boys Group’, also das geheime Netzwerk von Ex-Polizisten, das im Film erwähnt wird, beruht auf einem realen Vorbild. Diese Bruderschaft von Ehemaligen aus der Exekutive nutzt ihre neuen Stellungen sowohl in Sicherheits- als auch in Telekom-munikationsfirmen dazu, einander mit exklusiven, illegal erworbenen Erkenntnissen zu versorgen.“
Wer wie die Heldin des ZDF-Thrillers „Ein gefährliches Angebot“ in die schwer durchschaubare, fremde Welt der Überwachungsbranche vordringt, für den kann Moral – wie der Filmtitel andeutet – gefährlich werden. Intrigen, Machtspielen bis hin zu kriminellen Machenschaften sieht sich die von Petra Schmidt-Schaller gewohnt überzeugend verkörperte Hauptfigur gegenüber. Wer Informationen sammelt, kann auch Daten manipulieren, kann Menschen öffentlich diskreditieren und ihre gesellschaftliche Reputation auf Dauer beschädigen. Sven Poster und Hannu Salonen erzählen die Geschichte, die ganz bewusst nur angelehnt ist an die Skandale der HSH-Nordbank und deren Münchner Sicherheitsfirma Prevent, im klassischen Gut-Böse-Modus mit den Thriller-üblichen Grauzonen. „Was sind Sie, ein Wolf oder ein Geislein?“, wird jene Ina Roth in der ersten Szene gefragt. Es klingt zumindest wie eine Einschüchterung, wenn nicht wie eine Drohung. Das düstere Szenario gibt ein Genre-Versprechen – und auch wenn (oder vielleicht gerade weil) die überschaubare Personnage die Möglichkeiten der Geschichte einschränkt, ist dieser ZDF-Montagsfilm spannend. Die erste Hälfte lebt vor allem von der Differenz zwischen der blauäugigen Ex-Polizistin und ihrem hemdsärmeligen Mentor: der Schönen und dem Straßenköter.
Hannu Salonen über den Figuren-Subtext: „Am Schwierigsten ist es, im Spiel der Figuren eine zweite Ebene zum Tragen zu bringen, den ‚doppelten Boden’. Wichtig ist die Dosierung. Zu viel ist sofort langweilig, durchschaubar, zu wenig vermittelt sich wiederum nicht. Es gilt, diese Grenzen auszuloten. Unterschwellige Spannung in alltäglichen Situationen zu erzeugen ist das Schwierigste.“
Armin Rohde spielt den jovialen Verführer in seiner unnachahmlichen Art – der lockt, der lobt, sagt nie die ganze Wahrheit, aber er warnt gelegentlich vor zu viel Gewissen in diesem Job. Offenbar hält er seinen Schützling für weniger naiv, als er ist: „Wo gehobelt wird fallen Späne“, sagt er, doch da ist es schon zu spät für eine Umkehr. Nach der „Glaubwürdigkeit“ der Heldin in diesem Milieu und der Hauptdarstellerin in diesem Film sollte man besser nicht fragen. Auch wenn das ZDF im Presseheft versucht, das Thema relevant und den Film realistisch zu reden – „Ein gefährliches Angebot“ ist noch weniger als die „Dengler“-Filme ein Themen-Thriller, sondern in erster Linie funktioniert er als Frau-in-Gefahr-Movie. Dass dieser Genrefilm erfreulicherweise lange Zeit mit gebremstem Schaum fährt, hat einen guten Grund: In Salonens Film, der korrekterweise nicht das beliebte Wort „tödlich“ im Titel trägt, geht es nicht um Organisiertes Verbrechen, um Serienkiller oder lebensbedrohende Verschwörungstheorien, also nicht um ein Milieu, in dem man gleich mit dem Schlimmsten rechnen muss. Wie sehr hier wirklich am großen gesellschaftlichen Rad gedreht wird, belässt der Film im Ungewissen. Und das ist gut so – auch was die Spannung angeht, die so über weite Strecken sehr viel feiner dosiert werden kann. An dem Punkt, an dem die Geschichte droht, ihr Augenmaß zugunsten einer spekulativen Räuberpistole zu verlieren, gibt ein harter Schnitt der Handlung eine Wendung mit einer wenig überraschenden, aber durchaus angenehm ambivalenten Schlusspointe. Dass „Ein gefährliches Angebot“ auch in den Nebenrollen mit Christian Berkel, André Hennicke, Fabian Busch und Anian Zollner markant und passend besetzt ist, verleiht ihm eine starke physische Qualität, die in Hannu Salonens Inszenierungsstil ihre Entsprechung findet: Szenenbild, Kamera und Licht tragen sehr stark mit zu dem geschlossenen Gesamteindruck des Film bei. (Text-Stand: 24.3.2016)