Von schwarzen Schafen & glücklichem Aus-der-Reihe-Tanzen
Als Kind hat Maike (Julia Hartmann) die schwarzen Schafe ihres Heimatdorfs vor dem Schlachter gerettet. Als Teenager erfuhr sie dann am eigenen Leib, was es heißt, ein schwarzes Schaf zu sein – und verließ alsbald das verhasste Dorf. Auch mit ihrer Mutter Inge (Suzanne von Borsody) schied sie nicht im Guten. Maike warf ihr vor, dass sie ihr den Vater vorenthalten habe und sie sich mit den boshaften Frauen aus ihrem Kaff arrangieren würde. Jetzt ist Maike zurück und erst mal ist von all dem Vergangenen nicht viel die Rede. Es geht mehr um ihre beiden Kinder – um Luise (Mia Schwertfeger), die gern ihre Großmutter kennenlernen würde und vor allem um den elfjährigen Jasper (Sammy O’Leary), der wissen will, wer sein Vater ist. Drei stehen zur Wahl: Ole (Sascha Göpel), eigentlich jahrelang „nur“ Maikes bester Freund, Torben (Tobias Licht), der damals alle Mädchen haben konnte und auch hatte, und der stille Bio-Bauer Hinnerk (Florian Panzner), mit dem das Zusammensein damals möglicherweise mehr war als nur Sex. Dem Wunsch nach einem Vaterschaftstest wollen die drei – aus durchaus nachvollziehbaren Gründen – nicht nachkommen, Jasper kennenlernen aber wollen sie schon. Bald hat sich eine Art sympathische Großfamilie gebildet. Die Kinder sind glücklich. Auch Großmutter Inge darf mitmischen; allein einige Weiber im Dorf, allen voran Hinnerks Freundin Amke (Nikola Kastner), wollen keine Ruhe geben.
Noch ein bisschen mehr „anders“ als die neuen Degeto-Dramödien
Die Metapher von den schwarzen Schafen, mit der die ARD-Dramödie „Drei Väter sind besser als keiner“ den Konflikt der Geschichte veranschaulicht, lässt sich auch auf das öffentlich-rechtliche TV-Debüt von „Weinberg“-Regisseur Till Franzen übertragen: Es ist quasi das schwarze Schaf unter den Degeto-Freitagsfilmen. Natürlich ist das als Kompliment zu verstehen. Franzen und die Autoren Michael Gantenberg, Sarah Esser und Peter Strotmann (hier sind drei – ausnahmsweise – einmal besser als einer!) machen noch einiges mehr „anders“ als viele der Degeto-Produktionen seit der Runderneuerung im Jahre 2012. So ist es beispielsweise ungewöhnlich, dass der Wunsch eines Kindes die Handlung antreibt und lange im Mittelpunkt steht. Dadurch bekommt die Glückssuche der Mutter etwas Peripheres. Ob ihr Topf ein Deckelchen bekommt und wie das möglicherweise vonstatten geht – diese Frage aller Romanzen-Fragen rückt für einen frauenaffinen Unterhaltungsfilm angenehm in den Hintergrund. Die kleine Familie ist der Star – und Freunde machen die drei glücklich. Menschen, die einen mögen kann man nicht genug haben. Diese ebenso simple wie sympathische Botschaft schwingt mit durch diesen an Zwischentönen reichen Film. Auch da passt wieder die Schaf-Metapher: Es muss nicht immer alles schwarz oder weiß sein. „Dann ist die Wolle eben grau“, zieht die Heldin mehrfach Bilanz. Sie ist nicht mehr die Rebellin um jeden Preis, sie weiß, dass man auch die weißen Schafe nicht alle über einen Kamm scheren sollte. Diese junge Frau beweist Haltung, Stärke und ein gutes Gespür; außerdem handelt sie in jeder Hinsicht verantwortungsvoll. Und auch die Menschen, mit denen sie unmittelbar in Kontakt kommt, reagieren vernünftig, angenehm anders als in vielen vergleichbaren Filmen.
Cooler Konsens: Glückssuche auch jenseits der Kleinfamilie
„Drei Väter sind besser als keiner“ verzichtet auf allzu viel künstlich erzeugte Fallhöhe. Franzen & Co gelingt es, ein realistisch liebenswertes „Milieu“ zu erschaffen, in dem Lebensqualität und Vernunft keine Fremdwörter sind. Die Dramaturgie benötigt nur drei „Buhfrauen“ am Rande. Der Film öffnet sich für eine zeitgemäße Glücksformel über die Kleinfamilie hinaus. „Normal ist doch langweilig“, gibt sich die Heimkehrerin am Anfang noch kämpferisch; aber ein bisschen „normal“ tut offenbar nicht nur ihren Kids, sondern auch ihr selbst ganz gut. Dennoch verrät der Film weder sie noch die anderen Figuren. Keiner muss sich am Ende verbiegen für das erwartete Happy End: Dass sich die Autoren entscheiden für die offensiv-selbstbestimmte Variante mit klarer Liebesoption und nicht für die kämpferisch-emanzipatorische, die das Anderssein zum Maß aller Dinge erklärt, ist gemessen an der Konsens-Logik des Plots nur folgerichtig. „Gefühlt“ ist es wohl auch für den Zuschauer die richtige Entscheidung. Besonders glaubhaft ist sie allerdings nicht für eine Frau, die so selbstsicher und klarsichtig ist wie jene Maike und so aussieht wie Julia Hartmann. Dass eine solche Frau nach zwölf Jahren Abwesenheit ihrer Jugendliebe nach wenigen Tagen in den Armen liegt, ist dann doch eher „Herzkino“. Auch für die mögliche Lösung des Mutter-Tochter-Konflikts findet der aufmerksame Zuschauer früh entsprechende Hinweise. Sieht man den Wert eines solchen Unterhaltungsfilms in der Regulierung des Gefühlshaushalts des Zuschauers – dann fallen diese leise vorgetragenen Einwände jedoch kaum ins Gewicht.
Errettung der physischen Realität: Alltagston & Naturschönes
Das Vergnügen, das dieser rundum gelungene Film bereitet, schiebt sich von der ersten Minute an in den Vordergrund. Die Berlinerin Julia Hartmann trifft – im Gegensatz zu ihrem etwas zu schnodderigen Norddeutsch – den Alltagston ganz ausgezeichnet, agiert wunderbar sensibel in den Szenen mit den Kinderschauspielern und ist auch sonst einfach hinreißend. Auch Suzanne von Borsody zeigt ihre große Klasse. Für die Interaktionen zwischen beiden Schauspielerinnen gilt: Sie deuten ihre seelischen Verletzungen nur an, sie reagieren nie überdeutlich und keiner von beiden schlägt nach einem versteckten Angriff sofort verbal zurück. Stattdessen machen sich die Antworten auf den Gesichtern breit. Der Zuschauer kann erahnen, was da einst vorgefallen ist – und manch einer wird diese Bilder mit eigenen Erfahrungen füllen. Bestens geführt auch die Kinderdarsteller, die den Charme des Kindseins behalten dürfen: Sammy O’Leary spielt seine wortkarge Rolle anfangs sehr passend mit einer latenten Traurigkeit und Mia Schwertfeger, die offenbar viel von ihrem (kindlichen) Wesen in den Film einbringen durfte, agiert absolut entwaffnend. Herzerfrischend ist auch, was da so alles dem Kindermund entspringt. Besonders komisch ist ein Running Gag mit dem Begriff „Flittchen“, der zufällig für das Töchterchen zum Synonym für helle Brötchen wird. Gut gecastet sind auch die drei „Väter“, vor allem Florian Panzner, dessen beredtes Schweigen mehr und mehr von romantischen Gefühlen durchdrungen ist. Sie alle kommunizieren mit und in einer Landschaft, die man lange nicht so natürlich und selbstverständlich in einem Fernsehfilm ins Bild gerückt sah. Während andere vergleichbare Filme trotz größerer Fallhöhe gemächlich dahinplätschern, entwickelt hier die Montage einen Flow, dem man sich nicht entziehen kann. Und dadurch, dass der Film auch die gehässige Seite des Dorflebens thematisiert, vermitteln diese Bilder kein falsches Idyll, sondern sie zeigen die schöne Seite ein und derselben Medaille. Sonne, Felder, Wildblumenwiesen, Strand, Schafherden, Baumhäuser, Frühstück im Freien, eine romantische Kate, heimeliger Landhausstil, warme Erdfarben – Dinge, die nicht zuletzt durch die Werbung in Verruf gekommen sind, führt Till Franzen seiner ursprünglichen Bedeutung zu. In jedem Bild spürt man die Liebe zum Detail, einen individuellen Zugang auch zu den Dingen des Alltags. „Drei Väter sind besser als keiner“ ist ein in bester Absicht und in bestem Sinne herzerwärmender Film. (Text-Stand: 30.3.2016)