Die Toten vom Bodensee – Fluch aus der Tiefe

Nora Waldstätten, Matthias Koeberlin, Berndt, Schneider. Am Glück erstickt

Foto: ZDF / Patrick Pfeiffer
Foto Tilmann P. Gangloff

Mit dem zehnten Film begeht „Die Toten vom Bodensee” (ZDF / Rowboat, Graf) ein kleines Jubiläum, aber „Fluch aus der Tiefe“ ist kein Grund zum Feiern: Der Film ist keine Zeitverschwendung, aber nur Krimi-Durchschnitt. Die Reihe wirkt mittlerweile, als könnte sie dringend neue Impulse gebrauchen. Die Geschichte vom Goldschatz, den junge Taucher in der Tiefe finden, ist zwar interessant, zumal ein Fluch auf den „Pestpfennigen“ zu liegen scheint, aber das Ungewöhnlichste an der Krimiebene sind die zugenähten Münder der Opfer. Selbst das potenziell fesselnde Finale ist längst nicht so packend, wie es sein könnte. Gleichfalls ungenutzt bleibt ein großes emotionales Potenzial: Der trauernde Kommissar droht nach dem Tod seiner Frau auch noch die kleine Tochter zu verlieren, aber in den entsprechenden Szenen kommt keinerlei Nähe zwischen Matthias Koeberlin und der Darstellerin des Kindes auf.

Die vor einem Jahr ausgestrahlte achte Episode der ZDF-Krimireihe „Die Toten vom Bodensee“ war zwar etwas spannungsarm, aber inhaltlich hochinteressant. Timo Berndt bezog sich mit seiner Handlung auf einen uralten Brauch, dem der Film auch seinen Titel verdankte: den „Stumpengang“. Während dieses Ritual eine Erfindung des Autors war, hat „Fluch aus der Tiefe“ zumindest einen authentischen historischen Hintergrund: Drei junge Leute entdecken im Bodensee einen Schatz. Es handelt sich um 273 sogenannte Pestpfennige, die einst aus geweihtem Kirchengold hergestellt worden sind. Mit diesen Goldmünzen sind vor rund 400 Jahren Hexen bezahlt worden, um Orte vor dem „Schwarzen Tod“ zu bewahren. Dem Anführer des Trios bringt der Reichtum allerdings kein Glück: Kurz nach dem Fund wird er mit zugenähten Lippen am Seeufer entdeckt; in seinem Rachen findet sich ein Pestpfennig. Kommissar Oberländer (Matthias Koeberlin) hat den Verdacht, dass sich die Nachfahrin einer Bregenzer Hexe den ihrer Familie zustehenden und mittlerweile mehrere Millionen werten Lohn mit Gewalt zurückholen will; der Schatzsucher ist nicht das letzte Opfer.

Obwohl die Handlung einen klaren Bezug zur Region hat, spielen der Bodensee und seine Umgebung kaum eine Rolle; das war in den vier Episoden, die Hannu Salonen 2017 und 2018 inszeniert hat, ganz anders. Regie führt diesmal Michael Schneider; er hat auch den neunten Film der Reihe gedreht, „Die Meerjungfrau“. In beiden Fällen gilt die gleiche Einschätzung: keine Zeitverschwendung, aber nur ein Durchschnittskrimi. Für Spannung sorgt in „Fluch aus der Tiefe“ in erster Linie die erneut vorzügliche Musik von Chris Bremus, der seit der Premiere der Reihe 2014 als Komponist dabei ist. Stärkere Reizpunkte als die Mördersuche setzt ohnehin die angespannte Atmosphäre im gemeinsamen deutsch-österreichischen Kommissariat: Nach dem Tod seiner Frau hat sich Oberländer eine längere Auszeit genommen und vergeblich darauf gewartet, dass sich Kollegin Zeiler (Nora Waldstätten) als Freundin in der Not erweist. Deren emotionale Verschlossenheit war von Anfang an ein Markenzeichen der Reihe, weshalb die bockige Haltung des Kommissars etwas unreif wirkt. Umso inniger ist seine Beziehung zu Stefanie (Julia F. Richter), der Freundin des Opfers. Oberländer lebt auf einem Schiff, die junge Frau wohnt in der Nähe; die beiden haben während seiner Trauerphase viele Gespräche geführt, weshalb er doppelt motiviert ist, den Mord aufzuklären. Stefanies Mutter ist ebenfalls in die Sache verwickelt, sie hat viel Geld in die Schatzsuche investiert, aber würde Aglaia Szyszkowitz die verhärmte Fischerin nicht so betont ungeschminkt und verbittert verkörpern, hätte die Figur kaum eine nennenswerte Präsenz.

Die Toten vom Bodensee – Fluch aus der TiefeFoto: ZDF / Patrick Pfeiffer
Haben schon mal besser harmoniert in der sehr erfolgreichen ZDF-Krimi-Reihe: Oberländer (Matthias Koeberlin) und Zeiler (Nora Waldstätten)

Natürlich setzt Berndt auch die durchgehenden Erzählebenen fort: Zeiler und ihr attraktiver Nachbar (Christopher Schärf) kommen sich wieder ein Stückchen näher, was Berndt im Stil eines romantischen Dramas erzählt. Ziemlich ausbaufähig ist dagegen der Strang mit Oberländer und seiner beim Großvater (Peter Kremer) lebenden kleinen Tochter. Das Mädchen möchte gern zum letzten Freund seiner verstorbenen Mutter ziehen, dem Vater droht der Verlust seines Kindes. Wenn es in den Filmen schon menscheln soll, dann gäbe es auf dieser Ebene noch eine Menge Potenzial. Dann müssen Koeberlin und die junge Darstellerin allerdings unbedingt mehr Nähe aufbauen; diesmal war die Drehzeit offenbar viel zu kurz, um die Vater/Tochter-Beziehung überzeugend wirken zu lassen.

Hintergrundinformationen zu „Fluch aus der Tiefe“ (tpg)
Die Außenaufnahmen der Kirche zeigen St. Josef, die Innenaufnahmen und vor allem die Gewölbeszenen wurden in Sacré Coeur Riedenburg gedreht. Dass diese Tunnel erst kürzlich bei Restaurationsarbeiten entdeckt wurden, ist allerdings frei erfunden. Angeblich sind sie während des Zweiten Weltkriegs entstanden, sie dienten als Luftschutzbunker. Der Pestpfennig hat einen historischen Hintergrund: Die durch Napoleons Truppen eingeschleppte Pest forderte seinerzeit auch in Bregenz Todesopfer.  Die Ursachen für die Epidemie waren jedoch unbekannt, weshalb es allerorts zu kuriosen Versuchen kam, der Pest Herr zu werden. Auf dieser Basis hat Drehbuchautor Timo Berndt seine Geschichte entwickelt: „Glauben und Aberglauben als Rettung und Gegensatz, Kirche und Hexenwerk als Zuflucht und Hoffnung.“ Belegt ist auch der Tiefstand des Bodensees um 1540 durch eine verheerende, europaweite Dürrekatastrophe, die Berndt mit der Erzählung eines seit Jahrhunderten im See verborgenen Schatzes gekoppelt hat.

Es wäre vermutlich nicht schlecht, den Filmen neue Impulse zu geben. Das ZDF hat mit so etwas Erfahrung: Als Miguel Alexandre vor einiger Zeit die allzu routiniert gewordenen Samstagskrimis „Der Kommissar und das Meer“ übernommen hat, ist ein regelrechter Ruck durch die Reihe gegangen. Der Grimme-Preisträger hat damals unter anderem dafür gesorgt, dass der Schauplatz Gotland viel stärker zur Geltung kommt. Das wäre auch bei „Die Toten am Bodensee“ angeraten, schließlich ist der Schauplatz das entscheidende Alleinstellungsmerkmal der Filme. Die stärkere Verankerung der Geschichten in der Region ist schon mal ein richtiger Schritt, zumal der historische Exkurs und sein Zusammenhang mit den bei der Restaurierung einer Bregenzer Kirche entdeckten verborgenen Räumen prompt für eine gewisse Faszination sorgen. Bei empfindsamen Zuschauern wird „Fluch aus der Tiefe“ dennoch vor allem wegen der wie aus einem Horrorfilm stammenden Aufnahmen der zugenähten Münder in Erinnerung bleiben. Wie zum Ausgleich ist das in einem Gewölbe angesiedelte Finale längst nicht so packend, wie es sein könnte und sollte.

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Reihe

ZDF

Mit Nora Waldstätten, Matthias Koeberlin, Julia F. Richter, Hary Prinz, Julia F. Richter, Aglaia Szyszkowitz, Johannes Zeiler, Stefan Pohl, Laurence Rupp, Pia Hierzegger, Christopher Schärf, Peter Kremer

Kamera: Matthias Pötsch

Szenenbild: Christine Egger

Kostüm: Heike Werner

Schnitt: Jörg Kroschel

Musik: Chris Bremus.

Soundtrack: Chris Bremus, Michael Kaldenbach („Here Again“, Abspannlied)

Redaktion: Daniel Blum

Produktionsfirma: Rowboat Film- und Fernsehproduktion, Graf Filmproduktion

Produktion: Sam Davis, Kim Fatheuer, Klaus Graf

Drehbuch: Timo Berndt

Regie: Michael Schneider

Quote: 6,89 Mio. Zuschauer (21,7% MA); Wh. (2021): 3,95 Mio. (15,1% MA)

EA: 10.02.2020 20:15 Uhr | ZDF

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