Der schicksalhafte Wink ihres wiedergefundenen Sterntalers führt Katja Sterner (Alexandra Neldel) zurück nach Herzfeldt, wo sich einst ihre Eltern verliebt haben. Nachdem sie die beiden bis zu deren Tod gepflegt hat, steht Katja nun mit Anfang vierzig an einem Wendepunkt in ihrem Leben. Die Restauratorin sucht wieder eine passende Stelle. In dem idyllischen Ort, in dem sie sich sofort zuhause fühlt, hat sie gleich eine glückliche Begegnung mit der Immobilienmaklerin Luise Lenzen (Nele Mueller-Stöfen). Die vereinsamte Frau gibt ihr einen kleinen Auftrag und lässt sie bei sich in ihrem Häuschen mit Garten umsonst wohnen. Umsonst ist wichtig, denn außer ihrem coolen Mercedes-Oldtimer besitzt Katja nichts. Sie ist nach Herzfeldt gekommen, offenbar auch als eine Reminiszenz an ihre Eltern: Im legendären Sternpavillon des Ortes haben sich ihr Vater und ihre Mutter das erste Mal geküsst und ihrer Liebe ein Fundament für ein ganzes Leben gegeben. Als sie von Bürgermeister Alvarez (Kai Schumann) erfährt, dass das verwahrloste Wahrzeichen wegen fehlender Mittel abgerissen werden soll, bietet Katja an, die „Liebeslaube“, die so viele Herzen vereinte, zum Preis des Abrisses wieder in Stand zu setzen. Die leidenschaftliche Helferin soll aber auch Luise amourös unter die Arme greifen. Thomas (Bert Tischendorf), ihr Nachbar, hat es ihr angetan. Dumm nur, dass seine Schwester Pia (Zoe Valks) die Nachbarin so gar nicht mag. Und noch dümmer: Katja und Thomas haben sofort einen Draht zueinander.
Foto: ZDF / Felix Matthies
„Das ist ja fast wie im Märchen ‚Die Sterntaler‘; deine Eltern sind tot, du hast keine Wohnung mehr, nur noch das, was du auf dem Leib trägst“, heißt es in der ersten Szene von „Sterntaler des Glücks“, der mittlerweile fünften modernen Märchenfilm-Variation im ZDF-„Herzkino“. Der etwas ungelenke Einstieg ist Sinnbild für die gesamten neunzig Minuten. Denn das Meiste in diesem Film ist weniger überzeugend als bei den Vorgänger-Produktionen. „Klug variiert, dramaturgisch konzentriert und sehr frisch inszeniert“, hieß es in der tittelbach.tv-Kritik zu „Schneeweißchen und Rosenrot“ (2018), diesem locker-luftig-leichten Sommerfilm mit Zoe Moore und Jean Goursaud. Ähnliches galt für die „Froschkönig“-Verfilmung (2018) als märchenhafte RomCom-Variante. „Die dicht geplottete Geschichte steckt voller kleiner narrativer Einfälle und ist reich an Subtexten“, so das Fazit. Auch „Frau Holles Garten“ (2019) machte vieles richtig, und richtig gut war die Besetzung mit Klara Deutschmann, Lavinia Wilson, Cornelia Froboess, Lena Stolze und Jean-Yves Berteloot. Im letzten Jahr sang dann „Schneewittchen am See“ ein Hohelied auf Gemeinschaft und Freundschaft. Ein emotionaler Film, dem der Corona-Dreh nichts anhaben konnte. Ein Film voller Sehnsuchtsbilder: Geschmackvoller Landhaus-Stil traf auf gepflegte Villa Kunterbunt. Waren bei diesen Märchen-Adaptionen die dramaturgischen Ei-genheiten stets etwas gewöhnungsbedürftig, so kamen doch die Filme – wenn auch nicht mit Ironie – häufig mit einem Augenzwinkern daher.
Die neue Geschichte um diese herzensgute Frau, die alles herschenkt und an sich selbst zuletzt denkt, ist simpel, doch das waren die A-Plots der anderen modernen Märchenfilme auch. „Die Sterntaler des Glücks“, in dem die Love Story sehr unter der plakativen Vorhersehbarkeit leidet, wartet zum Ausgleich allerdings nicht mit originellen, abwechslungsreichen Nebenplots auf. Das wiederum liegt an den Charakteren. Allein Pia, die eigenwillige junge Frau, die nicht immer nett sein muss, wirkt einigermaßen erfrischend. Sie sitzt zwar im Rollstuhl, im Kopf aber ist sie die einzig „gesunde“ Figur. Und so ist es auch an ihr, die Handlung in die richtigen Bahnen zu lenken. Zoe Valks („Meine Nachbarn mit dem dicken Hund“) mit ihrer weitgehend realistischen Tonart des Spiels sorgt für die „Sternminuten“ in diesem Film. Ansonsten ist da Luise, deren zurückhaltende, unscheinbare Art eher weltfremd wirkt als von zeitgemäßer Achtsamkeit und Empathie durchdrungen. Sie ist unsicher und auch ein bisschen spießig, was sie seltsam farblos und als Figur uninteressant macht. Thomas, das Objekt des doppelten Begehrens, darf einige Male im Dialog über seinen bisherigen Lebensweg und seine Schwester Bericht erstatten, bleibt aber blass und wird reduziert auf die Funktion des unerreichten Wunschpartners. Eine undankbare Rolle für Bert Tischendorf, der in seinen mimisch-gestischen Ausdrucksmöglichkeiten allerdings auch unverkennbar limitiert ist. Nele Mueller-Stöfen hätte da schon mehr zu bieten; aber die als Kontrastrolle zur Heldin konzipierte Luise gibt dies nicht her. Und Kai Schumanns Bürgermeister ist nicht mehr als ein schräger Sidekick. Dass dieser nicht mithalten kann mit Furien wie Andrea Sawatzki oder Lavinia Wilson, und das komische Moment auch Heino Ferch besser verkörperte, keine Frage.
Foto: ZDF / Felix Matthies
Bleibt die Hauptdarstellerin: Alexandra Neldel ist mit den Serien „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ und „Verliebt in Berlin“ zur TV-Ikone mit Frische-Garantie geworden. Es folgten die Jahre der Reifung mit Krimithrillern wie „Zodiak“ oder „Unschuldig“, mit öffentlich-rechtlicher Zeitgeschichte („Die Rebellin“) und kommerziellen Mittelalter-Sagas (die „Wanderhuren“-Trilogie). Der Versuch, sie in „Einfach Rosa“ (2015-16) als Hochzeits-planerin an internationale Sehnsuchtsorte zu schicken, ging erwartungsgemäß daneben. Die letzten Jahre ist es ruhig geworden. Nun darf Neldel mal wieder ihr bezauberndes Lächeln in die Waagschale dieses Märchenfilms legen. Sie darf strahlen, sie darf weinen, sie darf ihre Figur mit Enthusiasmus und Empathie, mit Optimismus, Naivität und Lebendigkeit versehen. Die ernsteren Momente gelingen ihr – wie Tischendorf – indes weniger überzeugend. Aber es liegt nicht an ihr, dass der Nachgeschmack von „Die Sterntaler des Glücks“ etwas bitter ist.
Es ist die Geschichte, die nur schwer neunzig Minuten trägt. Der Film hat sowohl ein inhaltliches als auch ein strukturelles Problem. Die amourösen Konstellationen (wer ist für wen bestimmt?) sind von Beginn an so offensichtlich, dass es fast schon wehtut. Und es gibt zu wenig, was davon ablenken könnte. Die Handlung ist dünn, sie besitzt keinerlei psychologische „Spannung“. Viele Szenen sind dramaturgisch redundant, weil der Konflikt nicht zwischen den Figuren aktiv ausagiert wird, sondern sich vornehmlich im Innern der (der Liebe entsagenden) Hauptfigur abspielt. Und die Botschaft ist märchentypisch, also auch eher banal. Die Regisseurin Miriam Dehne versucht zwar, Sinnlichkeit auf und in die Bilder zu legen, aber die Möglichkeiten, die die Erzählung, die Situationen, die Schauplätze, die Accessoires bieten, sind sehr viel weniger vielfältig und üppig als in den Vorgängerfilmen. Mode, Blumen oder der visuelle Genuss köstlicher Speisen sind attraktiver als dieser Pavillon. Der ist zwar schön in einem Park gelegen, aber dessen Restaurierung inklusive Sterntaler-Dusche bewegt sich ästhetisch dann doch stark an der Grenze zum Kitsch. Wahrhaftige Magic Moments, das A&O solcher Filme, gibt es kaum. Selbst die Wiedereröffnung des Sternpavillons ist nicht wirklich ein filmischer Höhepunkt. Der dem Genre zugeneigte Zuschauer dürfte sich aber vielleicht dennoch bei „Sterntaler des Glücks“ unterhalten. Die gelungeneren Vorgänger-Märchenfilme als Folie für die Bewertung zu nehmen, ist ja doch eher eine Kritiker-Methode. Stattdessen könnte sich bei diesem Film der „Herzkino“-Fan an die Sehnsuchtsbilder à la „Inga Lindström“ erinnert fühlen, mehr jedenfalls als an die verspielte Sinnlichkeit der ersten beiden – besten – Märchenfilme. (Text-Stand: 7.11.2021)