Der Bozen-Krimi – Mein ist die Rache

Schoras, Raab, Vargas, Krassnitzer, Klaschka, Broecker. Der werfe den ersten Stein

Foto: Degeto / Hans Joachim Pfeiffer
Foto Tilmann P. Gangloff

Der 19. „Bozen-Krimi“ (Degeto / Merfee) wird zwar kaum bleibende Erinnerungen hinterlassen, weil sich die routinierte Regie allzu oft bei den typischen Versatzstücken dieser Reihe bedient, stellt aber eine interessante Mischung aus Familiendrama und „Social Media“-Allegorie dar. Gruseligste Nebenfigur ist eine von Katrin Pollitt unangenehm gut als Hass & Hetze auf zwei Beinen verkörperte Frömmlerin. Ausgezeichnet ist auch die Musik, die für deutlich mehr Spannung sorgt, als die Bilder nach dem packenden Prolog hergeben. Zum Glück hat Mathias Klaschka sein Drehbuch um eine weitere Figur bereichert, die viel frischen Wind in den Film bringt: Gabriela García Vargas spielt eine engagierte junge Kommissarin, die die Ermordung zweier Teenager für Taten eines Serienkillers hält. Und eine weitere Figur beeindruckt in „Mein ist die Rache“: Harald Krassnitzer als Vater des Opfers.

Viele bahnbrechende Erfindungen haben zum Wohl der Menschheit beigetragen, aber auch großes Leid verursacht. Das gilt erst recht für die sogenannten sozialen Medien. Der neunzehnte „Bozen-Krimi“ verdeutlicht jedoch, dass es keinerlei Technik bedarf, um Hass, Hetze und Lügen zu verbreiten: Wichtigste Nebenfigur des Films ist eine Frau, die aus niedrigsten Beweggründen zum Spaltpilz eines Bergdorfs wird und die Menschen skrupellos mit „Fake News“ gegen eine Familie aufstachelt. Mit den beiden Morden, die die Handlung in Gang bringen, hat sie zwar nichts zu tun, doch eine dritte Tat ist unmittelbar auf ihrem Mist gewachsen. Eine gruselige Rolle, die mit Katrin Pollitt interessant besetzt ist; sie verkörpert die unscheinbare Roswitha Marl als Frau, die anscheinend kein Wässerchen trüben kann.

Der Bozen-Krimi – Mein ist die RacheFoto: Degeto / Hans Joachim Pfeiffer
Lukas Gamper (Juri Senft) findet die Leiche der 15-jährigen Lisa Brandl (Nina Lageder). Der junge Bergbauer hat regelmäßig Visionen eines Mädchens, das ihm offenbar zugetan ist. Für den Zuschauer kommt Lukas als Mörder eher nicht infrage.

Dass diese Brunnenvergifterin am Ende mit einer Ohrfeige davonkommt, ist die grimmige Schlusspointe eines Films, der eigentlich eine ganz andere Geschichte erzählt. Auf sie bezieht sich der biblische Titel „Mein ist die Rache“, der allerdings auch zur Ebene mit Frau Marl passen würde. Der Krimi beginnt als Thriller, doch der Auftakt wird der letzte spannende Moment sein. Ungewöhnlich sind fortan allein die Erscheinungen eines Bergbauern: Lukas Gamper (Juri Senft) hat regelmäßig Visionen eines Mädchens, das ihm offenbar zugetan ist. Deshalb kann auch zumindest aus Sicht des Publikums keinerlei Zweifel daran bestehen, dass er nicht der Mörder der vor fünf Wochen spurlos verschwundenen fünfzehnjährigen Lisa ist. Genau das ist jedoch die Lüge, mit der Roswitha den Vater des Mädchens und weitere Leute gegen den jungen Mann und seinen Großvater aufhetzt.

Zum Glück hat Mathias Klaschka sein drittes Drehbuch für die Reihe um eine weitere weibliche Figur bereichert, die mit ihrem Temperament viel frischen Wind in die gewohnten Revierabläufe von Sonja Schwarz (Chiara Schoras), Jonas Kerschbaumer (Gabriel Raab) und dessen Vater (Hanspeter Müller-Drossaart) bringt. Mariella Colombo ist eine junge Kollegin und überzeugt, Lisas Tod sei die Tat eines Serienkillers, denn bei ihr in Treviso ist vor sechs Monaten ein junger Mann auf exakt die gleiche Weise getötet worden: nach mehrwöchiger Gefangenschaft von hinten stranguliert, mit Fesselspuren an Hand- und Fußgelenken; um diesen Mord geht es im Prolog. Es stellt sich zwar heraus, dass Mariella keineswegs, wie sie behauptet, in offizieller Mission unterwegs ist, aber sie darf trotzdem mitermitteln. Dass die in Wien lebende gebürtige Kubanerin Gabriela García Vargas auch im nächsten Film mitwirkt, ist eine gute Nachricht, denn für die Inszenierung durch Regie-Routinier Josh Broecker gilt das gleiche Attribut, wie es mal als Bezeichnung für Lisas Elternhaus fällt: grundsolide.

Der Bozen-Krimi – Mein ist die RacheFoto: Degeto / Hans Joachim Pfeiffer
Harald Krassnitzer (mit Gabriel Raab) als strenger Vater des Opfers, der auch eigene Versäumnisse in der Vergangenheit einräumt.

Sehenswert ist „Mein ist die Rache“ allerdings als Familiendrama, wenn auch vor allem dank Harald Krassnitzer als Vater des Opfers, der einräumt, er sei wohl zu streng gewesen. Tatsächlich ist Lisa schon mehrfach ausgebüchst, weil sie es daheim nicht mehr ausgehalten hat. Ihre Freundin Julia (Anja Wolfsgruber) spricht gar von „Hölle“: Der alte Brandl hat seine Tochter schon mal wochenlang eingesperrt, nachdem Lisa eine mobbende Mitschülerin verprügelt hat. Die verschiedenen religiösen Elemente – „Der werfe den ersten Stein“ hätte als Titel auch gepasst, sogar buchstäblich – kommen natürlich nicht von ungefähr, weshalb sich alsbald die Frage stellt, welche Rolle der freundliche Pfarrer (Hannes Wegener) in der Geschichte spielt. Dass der Film innerhalb der Reihe trotzdem kaum nennenswerte Erinnerungen hinterlassen wird, liegt nicht zuletzt an den vielen „Bozen-Krimi“-typischen Versatzstücken, zu denen neben den in heimeliges Licht getauchten Revierszenen auch die regelmäßigen Autofahrten der Kommissarin und die dazugehörigen Landschaftsbilder zählen.

Sehr hörenswert ist dagegen die Musik (Fabian Römer, Steffen Kaltschmid), die für deutlich mehr Spannung sorgt, als die Filmbilder hergeben. Immerhin ist Klaschkas Drehbuch (nach einer Idee von Reihenschöpfer Jürgen Werner) ein Lehrstück in Toleranz. Die Gampers, bei denen Lisa offenbar öfter Zuflucht gesucht hat, führen auf ihrem etwas heruntergekommenen Bauernhof oberhalb des Ortes ein schlichtes Dasein ohne Strom, Fernsehen oder Telefon. Prompt heißt es, sie lebten „wie die Tiere“. Weil sie anders sind als die anderen, kann die Hetzerin unwidersprochen behaupten, die Sippschaft laste auf Dorf wie ein Fluch; und so rottet sich schließlich ein Lynchmob zusammen. (Text-Stand: 17.2.2024)

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Reihe

ARD Degeto

Mit Chiara Schoras, Gabriel Raab, Gabriela García Vargas, Harald Krassnitzer, Juri Senft, Hanspeter Müller-Drossaart, Katrin Pollitt, Hannes Wegener, Hubertus Hartmann, Regine Zimmermann, Anja Wolfsgruber, Silvina Buchbauer, Hans Stadlbauer, Lisa Kreuzer

Kamera: Wolf Siegelmann

Szenenbild: Sabine Pawlik

Kostüm: Sonja Kappl

Schnitt: Fritz Busse

Musik: Fabian Römer, Steffen Kaltschmid

Redaktion: Claudia Luzius, Patrick Noel Simon, Katja Kirchen

Produktionsfirma: Merfee Film- und Fernsehproduktion

Produktion: Eberhard Jost

Drehbuch: Mathias Klaschka

Regie: Josh Broecker

Quote: 7,22 Mio. Zuschauer (28,3% MA)

EA: 12.03.2024 10:00 Uhr | ARD-Mediathek

weitere EA: 14.03.2024 20:15 Uhr | ARD

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