Zwei Leben. Eine Hoffnung

Valentino Fortuzzi, Annette Frier, Röskau, Huber. Kluge Wechselbäder der Gefühle

Foto: Sat 1 / Hardy Spitz
Foto Tilmann P. Gangloff

Für „Zwei Leben. Eine Hoffnung“ gebührt Sat 1 größter Respekt: weil das Thema alles andere als bequem ist; und weil die Beteiligten kein Melodram daraus machen mussten. Es geht um Organspende, und da ist die Versuchung fraglos groß, sich dem Sentiment hinzugeben. Benedikt Röskau („Contergan“) erzählt die vorzüglich gespielte und inszenierte Geschichte jedoch ohnehin auf mehreren Ebenen. Richard Huber führt die Darsteller vorzüglich. Ein großer TV-Film, der einige Parallelen zur Erfolgsserie „Club der roten Bänder“ aufweist.

Frank ist 17 und wartet zwei Jahren auf eine Spenderleber. Der junge Mann erlebt einen permanenten Wechsel zwischen Hoffen und Bangen: Erst wird er auf die lebensrettende Operation vorbereitet, dann erleidet das Organ beim Transport irreparable Schäden. Kurz darauf muss er den Tod eines Freundes verkraften. Schließlich verliebt er sich in die gleichaltrige Dafina, die die gleiche seltene Blutgruppe hat wie er, viel später auf die Warteliste gekommen ist und trotzdem vor ihm eine Leber erhalten soll. Als es zu Komplikationen kommt, wird Frank mit einer Entscheidung konfrontiert, die auch jeden Erwachsenen überfordern würde; spätestens jetzt entwickelt „Zwei Leben. Eine Hoffnung“ eine enorme Spannung… Dieser Teil der Handlung erinnert an die Vox-Serie „Club der roten Bänder“, an der Regisseur Richard Huber ebenfalls beteiligt war. Auch diesmal führt der Grimme-Preisträger („Dr. Psycho“) die jungen Darsteller ganz vortrefflich. Gerade Valentino Fortuzzi versieht seine erste Hauptrolle mit genau der richtigen Mischung aus Wut, Verzweiflung, Trauer und schwarzem Humor; er meistert diese emotionalen Herausforderungen mit Bravour. Und Barbara Prakopenka als Dafina, die zuletzt als Geigenwunderkind in der „Hotel Heidelberg“-Episode „Kommen und Gehen“ überzeugte, ist ihm eine ebenbürtige Partnerin.

Hätte „Zwei Leben. Eine Hoffnung“ tatsächlich nur aus diesem Handlungsstrang bestanden, die Parallelen zu „Club der roten Bänder“ wären doch sehr deutlich gewesen, und der Film wäre wohl zu einem Drama geworden, das immer noch gut ins Sat-1-Schema gepasst hätte. Gerade die Freundschaftsszenen zwischen Frank und dem deutlich jüngeren Toni (Daan-Lennard Liebrenz) sind in ihrer Mischung aus Ausgelassenheit und Schicksalsgemeinschaft sehr berührend; entsprechend tief trifft es nicht nur Frank, als Toni die vermeintlich lebensrettende Operation nicht überlebt. Um die drei Patienten herum gruppiert Benedikt Röskau, Drehbuchautor großer zeitgeschichtlicher TV-Dramen wie „Das Wunder von Lengede“, „Contergan“ oder „Romy“ und alles andere als ein Kitschschreiber, wichtige Figuren, die die weiteren Facetten des Themas repräsentieren. Franks Eltern (Carina Wiese & Jörg Pose) durchleben wie ihr Sohn ein Wechselbad der Gefühle und suchen nach unterschiedlichen Lösungen: Der Vater will mit Frank nach Indien fliegen, um dort ein Organ zu kaufen, die Mutter probiert es abwechselnd mit drohen, flehen und erpressen.

Zwei Leben. Eine HoffnungFoto: Sat 1 / Hardy Spitz
Zwischen Hoffen & Bangen: Werden die Patienten der Transplantationschirurgin Dr. Hellweg (Annette Frier), deren Körper vom jahrelangen Warten auf ein passendes Spenderorgan schon sehr geschädigt sind, die schwere Operation überleben?

Wichtigste Figur neben Frank ist die Transplantationsspezialistin Hellweg, und wer Annette Frier trotz „Danni Lowinski“ bislang nur als Komödiantin sah, wird überrascht und beeindruckt sein. Natürlich führt sie die Besetzungsliste an, aber die Ärztin ist dennoch nicht die Hauptrolle. Sie bleibt als Figur ganz auf jene Tätigkeit reduziert, die sie aus Sicht von Patienten & Angehörigen einnimmt. Eher beiläufig vermittelt Frier, die mit Huber viele „Danni Lowinski“-Folgen gedreht hat, nicht nur den enormen Druck, unter dem die Chirurgin steht, sondern auch die Erschütterung und Leere, die Tonis Tod hinterlässt; der Film nimmt sich ohnehin immer wieder Zeit für stille Trauer. Die Ärztin ist auch deshalb über jeden Zweifel erhaben, weil ihr Chef jene andere Seite verkörpert, die in Krankenhaus-Filmen meist von Geschäftsführern oder Verwaltungsdirektoren eingenommen wird: Professor Groß verweist als Bedenkenträger gern auf die Vorschriften und ist ansonsten um den guten Ruf des Hauses besorgt. In gewisser Weise außerhalb dieses Reigens und doch mit allen anderen verbunden ist der Klinikseelsorger als ethisches Epizentrum der Geschichte. Cornelius Schwalm spielt den Mann ähnlich zurückgenommen wie der Rest des Ensembles. Die beiden Eheringe an seiner Hand zeigen, dass er weiß, was es bedeutet, einen geliebten Menschen zu verlieren.

Endgültig zu einem besonderen Werk wird „Zwei Leben. Eine Hoffnung“ durch eine Ebene, die im Grunde nur durch die Thrillermusik nicht dokumentarisch wirkt. Sie beschreibt die Arbeitsweise der zentralen europäischen Organvermittlungsstelle und zieht sich durch die ganze Geschichte. Die Dynamik, die Huber diesen Szenen mit Hilfe des geteilten Bildschirms verleiht, wäre gar nicht nötig gewesen, stört aber weder den Fluss der Handlung noch den Rhythmus dieses Films, dessen Tonfall zwar nicht nüchtern oder distanziert ist, sich aber doch durch einen angenehmen Verzicht auf Spekulativität auszeichnet. Das gilt auch für die Geschichte von Dafina. Spätestens jetzt würde manch’ anderes Drehbuch wohl überfrachtet wirken, aber Röskau gelingt es auch hier, ein weiteres Subthema zu integrieren: Das Mädchen stammt aus dem Kosovo und wartet mit seiner Mutter seit Jahren auf die Bewilligung ihres Asylantrags. Die korrekte Versorgung nach der Transplantation ist überlebensnotwendig, wäre aber bei einer eventuell erzwungenen Rückkehr auf den Balkan nicht gewährleistet. Obwohl die Mutter (Antoneta Ristova) nur eine kleine Rolle einnimmt, genügen wenige Momente, um die Verzweiflung der Frau zu verdeutlichen: Sie hat bis auf die Tochter ihre gesamte Familie verloren und sieht sich nun in einem fremden Land, dessen Sprache sie nicht spricht, mit Verordnungen konfrontiert, die sie erst recht nicht versteht. Dem Tod ist die Nationalität eines Menschen egal; das Leben muss sich an die Regeln halten.

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Fernsehfilm

Sat 1

Mit Valentino Fortuzzi, Annette Frier, Barbara Prakopenka, Carina Wiese, Jörg Pose, Martin Umbach, Antoneta Ristova, Daan-Lennard Liebrenz

Kamera: Robert Berghoff

Szenenbild: Klaus R. Weinrich

Kostüm: Anne-Gret Oehme

Schnitt: Knut Hake

Musik: Jens Oettrich

Soundtrack: Scott Matthew („Every Travelled Road“), Ben Howard („Small Things), Patrick Wilson (“Love Songs For Robots”), Barbarossa (“Bloodline”)

Produktionsfirma: UFA Fiction

Drehbuch: Benedikt Röskau

Regie: Richard Huber

Quote: 2,26 Mio. Zuschauer

EA: 08.03.2016 20:15 Uhr | Sat 1

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