Zurück ins Leben

Christiane Hörbiger und Michael Mendl. Das Energiebündel und der Eigenbrötler

Foto: Degeto / Mona Film / Oliver Roth
Foto Rainer Tittelbach

Zwei Oldies büchsen aus ihrer Seniorenresidenz aus und machen sich auf ins polnische Danzig. Maria hat noch Träume, viel Energie und jede Menge Witz. Eine Paraderolle für Christiane Hörbiger. Mendls Jakob dagegen verkörpert die depressive Gegenposition. „Zurück ins Leben“ ist ein kluges Selbstfindungsmärchen für reife Erwachsene. Ein Road-Movie in die Vergangenheit, aber auch in Gegenwart und Zukunft. Die betagten Helden therapieren sich selbst. Dramaturgisch ist das Ganze etwas holprig – eben ein Schauspieler-Vehikel!

Seit zwei Jahren lebt die verwitwete Maria in einer gepflegten Seniorenresidenz. Sie ist selbstbewusst, steckt voller Energie, sie könnte allein leben, braucht aber die Gemeinschaft. Nur starre Regeln, die braucht diese Frau nicht, und so stört sie mit unkonventionellen Kursen und vorwitzigem Mundwerk die Grabesstille in diesem ehrenwerten Haus. Besondere Aufmerksamkeit schenkt Maria dem Eigenbrötler Jakob, der wenig von sich erzählt, von dem sie nur weiß, dass er seiner Kindheit in Ostpreußen nachhängt, seinem Jugendfreund und den unerfüllten Träumen von damals. Außerdem spürt sie, dass Jakob, der ihr auch als Mann gefällt, darunter leidet, so gut wie keinen Kontakt zu seinem Sohn zu haben. Als dieser den Vater selbst an dessen 75. Geburtstag nicht besucht, drängt Maria Jakob, wenigstens mit einer der Baustellen seines Lebens abzuschließen: den frühen Jahren in Danzig. Gemeinsam machen sie sich auf den Weg – mit Mietwagen, per Anhalter, mit großer Angst und bald mit großer Lust und der Hoffnung, dass aus dem Alten vielleicht etwas Neues entstehen könnte.

„Schauen Sie nach vorn“, herrscht die Heldin in ihrem ersten Auftritt einen Taxifahrer an, „ich bin zu jung zum Sterben – und zu alt für Sie.“ Ein Satz, der perfekt jene Maria beschreibt. Sie weiß, was sie will und was nicht, sie hat noch Träume und sie hat noch Kraft, Energie und eine Menge Witz. Eine tragikomische Paraderolle für Christiane Hörbiger, die in diesen Tagen ihren 75. Geburtstag feiert. In den Akten der vornehmen Altenaufbewahrungs-Stätte wird Maria als „latent hyperaktiv“ geführt. Etwas mag dran sein, doch klinische Dispositionen interessieren weniger in „Zurück ins Leben“. In diesem ARD-Film therapieren sich die Alten selbst. Es geht um Lebensmut und um den Willen, noch etwas aus seinem  „Lebensabend“ zu machen. Tiefere Erkenntnis darf man von dieser deutsch-österreichischen Ko-Produktion nicht erwarten. Es ist die meiste Zeit ein lebenskluges Selbstfindungsmärchen für reife Erwachsene. Ein Road-Movie in die Vergangenheit und in die Gegenwart. Auch wenn der Blick auf Danzig ein subjektiver, überzeitlicher und politisch vager Blick der männlichen Hauptfigur ist: dass mit Polen überhaupt ein Nachbarland in den Mittelpunkt rückt, das in deutschen Fernsehfilmen so gut wie nicht vorkommtjenseits des Autoschieber-Motivs – das ist zunächst einmal sympathisch. Dass man noch mehr daraus hätte machen können, keine Frage. Die Reise wird hier zur Metapher. Und die Tonlage des Films sowie die Seelenlage der Heldin lassen bald erkennen, dass es trotz Herzkrankheit – des von Michael Mendl gespielten Jakob keine jener in Filmen so häufigen „letzten“ Reisen werden wird.

Zurück ins LebenFoto: Degeto / Mona Film / Oliver Roth
Die Reise ans Meer öffnet neue Perspektiven. Das Oldie-but-Goldie-Road-Movie endet auf dem Wasser… Hörbiger & Mendl

Und damit sich auch noch Zuschauer diesseits der 60 in „Zurück ins Leben“ wiederfinden, hat man flugs noch zwei jüngere Liebesgeschichte eingebaut: die zwischen Jakobs Sohn und der Tochter von Jakobs altem Freund Pawel und die zwischen Vater und Sohn. Für die Geschichte ist nur letztere zwingend und dramaturgisch ist das alles ähnlich holprig wie die beschwerliche Reise nach Danzig im Film. Dort warten auf den Zuschauer neben der Küchenpsychologie von Hörbigers weisen Dame („manchmal muss man weite Wege gehen, um ganz in der Nähe anzukommen“) aber etliche hübsche nationale Stereotypen: da ist ein polnischer Fernfahrer, der Polenwitze erzählt, so Auto fährt, wie man es den Polen nachsagt, und dessen Gastfreundlichkeit dem trampenden Pärchen eine Nacht im Ehebett in einem sehr katholisch gehaltenen Schlafzimmer beschert, es ist die erste gemeinsame Nacht. Wie gesagt: ganz rund ist das alles nicht, der Film ist deutlich als ein Vehikel für die Jubilarin konzipiert, dennoch ist diese Tragikomödie ungemein kurzweilig und unterhaltsam. Besonders pikant: Michael Mendl als zunehmend viriler Partner. Mehr als ein Mal hat er eine Hörbigerfigur beglückt, ein Mal dezidiert sexuell in „Mathilde liebt“.

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Fernsehfilm

ARD Degeto, ORF

Mit Christiane Hörbiger, Michael Mendl, Roman Knizka, Julia Cencig, Hans-Michael Rehberg, Victoria Trauttmansdorff, Martina Ebm

Kamera: Hermann Dunzendorfer

Szenenbild: Bertram Reiter

Schnitt: Karin Hartusch

Produktionsfirma: Mona Film

Drehbuch: Michael Gruber

Regie: Nikolaus Leytner

Quote: 4,49 Mio. Zuschauer (14,7% MA)

EA: 18.10.2013 20:15 Uhr | ARD

Spenden über:

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Kontoinhaber: Rainer Tittelbach