Nächtliche Drogenrazzia unter freiem Himmel. Deutsche und tschechische Beamte arbeiten zusammen. Mittendrin: Die junge, ehrgeizige Polizistin Johanna (Marlene Hauser). Es ist ihr erster Einsatz – und ihr letzter! Sie soll einen geschnappten Dealer namens „Der Sizilianer“ (Denis Safarik) bewachen, ist einen Moment unachtsam. Er türmt. Sie wird vom Einsatzleiter vor den Kollegen als unfähig hingestellt, rennt frustriert in den Wald. Kurz darauf liegt sie tot am Fuß einer Klippe eines Steinbruchs. Ein schrecklicher Unfall? Nur seltsam, dass „Der Sizilianer“ kurz darauf auch tot aufgefunden wird. Er starb an einer Überdosis, obwohl er nicht drogensüchtig war. Johannas Kollege und Freund Stani (Leonard Starsky Hädler), der bei der tschechischen Polizei arbeitet, glaubt nicht an einen Zufall. Er wendet sich bei Johannas Beerdigung an die pensionierte Kommissarin Grete Öller (Maria Hofstätter), Johannas Patentante und Mentorin. Grete hat ihr Auto gegen ein E-Bike eingetauscht, mit dem sie durchs Mühlviertel radelt, macht regelmäßige Besuche im Pflegeheim beim „Käptn“ (Günter Tolar), verbringt die Nachmittage mit Bingo und Puzzles, genießt das Leben im Ruhestand. Sie will Stani anfangs nicht helfen, fühlt sich nicht befugt einzugreifen. Da ihr Johannas Tod jedoch sehr nahegeht, überlegt sie sich es anders. Die beiden ermitteln heimlich in Tschechien und stoßen auf krumme Geschäfte, in die Polizisten verwickelt sind. Bald weiß Grete nicht mehr, ob sie ihren alten Kollegen noch trauen kann. Als die beiden auf eine heiße Spur stoßen, gibt es einen weiteren Toten….
„Zu neuen Ufern“ (nicht zu verwechseln mit dem Klassiker von Detlef Sierck alias Douglas Sirk mit Zarah Leander von 1937) bietet auf den ersten Blick eine Krimistory mit den üblichen Zutaten. Ein mysteriöses Verbrechen, Polizisten verwickelt in dunkle Drogengeschäfte, eine Mauer des Schweigens, zwei unermüdliche Ermittler, die nicht aufgeben, die Wahrheit ans Licht zu bringen. Das klingt eher nach einem Durchschnitts-Krimi. Doch weit gefehlt. Denn Autor und Regisseur Nikolaus Leytner geht es nicht in erster Linie um einen Kriminalfall, sondern um die Figuren, ihre sozialen Verflechtungen, ihre Sorgen, Nöte und Zwänge. Und auch um die Landschaft, in der sie leben. Im Mittelpunkt steht die pensionierte Ermittlerin Grete Öller. Sie ist kantig, komisch, konsequent. Wenn sie sich was vornimmt, dann macht sie es. Als Rentnerin: Auto weg, keine Gedanken mehr an den Job. Dann die Wende durch den Tod ihrer Patenkindes: Auto her, ab nach Tschechien, in den Fall eintauchen. Allein das Auto mit dem sie durch die Lande düst, ist schon sehenswert: Eine Prolo-Kutsche, Sportwagen für Arme, mit Spoiler und Rallyestreifen. Eingetauscht gegen ihr E-Bike. Die Szene beim Gebrauchtwagenhändler steht für die Tonalität des ganzen Films: knappe, vortreffliche Dialoge, feiner Witz, ruhig inszeniert, enorm atmosphärisch. Im Wagen dann ein Kassettenrekorder (!), und der ist defekt. Wäre nicht so schlimm. Doch er lässt sich nicht ausschalten, geschweige denn die Kassette entfernen. Darauf keine Musik, nein, Plattitüden über das Leben, Sprüche wie aus dem Tantra-Seminar: „Werde was du bist, atme ein, atme aus… du verbindest dich mit Raum und Zeit“. Und es hört und hört nicht auf. Ein Running Gag, der wunderbar passt in diesen Film. Einfach herrlich!
Nikolaus Leytner (Deutscher Fernsehpreis und Grimme-Preis für „Ein halbes Leben“) schrieb bereits zwei ORF-„Landkrimis: „Der Tote am Teich“ (2015) und „Der Tote im See“ (2017). Letzteren ebenfalls gemeinsam mit Anton Maria Aigner (er war Regie-Assistent beim Oscar-gekrönten Werk „Die Fälscher“). Bei den ersten beiden Landkrimis aus Oberösterreich war noch Josef Hader als Ex-Polizist dabei, jetzt ist Maria Hofstätter (Deutscher Schauspielpreis 2021 für „Fuchs im Bau“) als Grete die zentrale Figur. Sie spielt sie in Mundart und zeigt, wie authentisch und atmosphärisch Dialekt sein kann. Ihr tschechischer „Kollege“ Stani kommuniziert mit Grete nicht in seiner Muttersprache, sondern radebrecht in deutsch, was die Figur noch ein Stück liebenswerter macht: „Ist Wohnung wo ich gewachsen bin“ oder „Er hat aber später davongelaufen“. Eine wunderbar-schräge Figur am Rande ist der Käpt’n“ („Der beste Freund des Seemanns ist der Leuchtturm“), gespielt von Günter Tolar. Er lebt im Heim, ist Gretes Ruhepol und weiser Ratgeber: „Entsetzlich ist das Wissen, wo es dem Wissenden kein Heil bringt“. Was diesen Krimi so sehenswert macht, ist nicht nur die Zeichnung der Figuren, sondern auch deren Konstellation. Zwei originelle Verbündete suchen hier nach der Wahrheit. Mal ziehen sie an einem Strang, dann wieder nicht, das sorgt für kleine, feine Wendungen und zugleich gut temperierte Spannung. (Text-Stand: 14.4.2023)