Zu mir oder zu dir?

Maren Kroymann, Walter Sittler, Lavinia Wilson, Schnier, Rasper. Ernsthaft komisch

Foto: ZDF / Britta Krehl
Foto Rainer Tittelbach

Mit der Liebe ist das so eine Sache für Frauen ab 50 – da macht sich die Heldin in „Zu mir oder zu dir?“ keine falschen Hoffnungen. Sie ist eine ganz ausgeschlafene, die immer das letzte Wort haben muss. Männer nehmen bei so einer für gewöhnlich reißaus. Einer nicht – doch der ist ausgerechnet der (30 Jahre ältere) Liebhaber ihrer (30 Jahre jüngeren) Freundin. Dieser ZDF-Komödie gelingt das Kunststück, aus dem weiblichen Erfahrungsschatz zu zitieren, dabei die Heldin weit über Frauenzeitschriftniveau parlieren und sie unglaublich viel Witz & Esprit versprühen zu lassen. Autorin Sarah Schnier lässt eine äußerst wahrhaftige Komödie mit ernsthaft romantischen Momenten und wunderbaren Dialogen aus dem Geiste der Screwball Comedy entstehen. Kroymann & Sittler entpuppen sich als Traumpaar!

„Wir Frauen können alles, was wir uns in den Kopf setzen.“ Diese Lebensmaxime hat die Diplom-Ingenieurin Christiane Bauer beruflich weit gebracht. Nur mit der Liebe ist das so eine Sache für Frauen ab 50 – da macht sie sich keine falschen Hoffnungen. Sie weiß, wie das läuft: sie kennt alle Spielchen und sie kennt diese Männer, die Frauen, wie sie eine ist,  schätzen, es aber nicht aushalten, wenn die Partnerin klüger, stärker und erfolgreicher ist. Endlich hat sie einen gefunden, der genau ihre Kragenweite ist, der ihr Paroli bietet, wenn sie ihn kritisiert, der liebenswert grinst, wenn sie wie immer um das letzte Wort kämpft, der zuhören kann und selbst mehr und mehr fasziniert zu sein scheint von ihr und ihrer direkten Art, Unangenehmes anzupacken und auszusprechen. Das Dumme ist nur: dieser Mann ist (oder war zumindest) der Freund ihrer 30 Jahre jüngeren Mitarbeiterin und Vertrauten. Will sie nur diese Freundschaft nicht verraten oder macht sie aus Angst, enttäuscht zu werden, mal wieder einen Rückzieher? Andererseits weiß sie genau: dieser Mann, der ist es!

Zu mir oder zu dir?Foto: ZDF / Britta Krehl
Sie gibt die Frau in Rot, er flirtet mit der Kellnerin und sieht nur den Fussel auf ihrem Kleid. Christiane (Kroymann) ist mittlerweile reichlich desillusioniert. Walther Kreye

Der ZDF-Komödie „Zu mir oder zu dir?“ gelingt das Kunststück, aus dem Erfahrungsschatz von Frauen ab 50 zu zitieren, dabei die Heldin weit über Frauenzeitschriftniveau parlieren und sie dazu noch unglaublich viel Witz & Esprit versprühen zu lassen. Letzteres gilt auch für den männlichen Gegenpart. Autorin Sarah Schnier lässt eine äußerst wahrhaftige Komödie mit ernsthaft romantischen Momenten aus dem Geiste der Screwball Comedy entstehen. Und die Besetzung mit Maren Kroymann und Walter Sittler – auf dem Papier vielleicht nicht gerade ein Traumpaar – erweist sich aber als ein eben solches im Film. Das harte weibliche und das weiche männliche Prinzip befruchten sich wunderbar. Verbale Angriffe, die mit einem Lächeln ausgekontert werden, und eine Kommunikation, die sich anfangs in Spitzfindigkeiten, ständigen Gegenfragen, kleinen Indiskretionen und mit cleveren Sprüngen auf die Meta-Ebene lustvoll verheddert, sind das Herzstück dieser romantischen Komödie. Sagt sie „arrogantes Arschloch“, kommt von ihm ein entwaffnendes „Ich finde Sie auch toll“. Und wenn sie sich mit den Worten „Wann haben Sie das letzte Mal eine Freundin gehabt, die älter als 30 war?“ in Rage redet über dieses junge-Frauen-alte-Männer-Ding, kontert er trocken: „mit 26.“

Zu mir oder zu dir?Foto: ZDF / Britta Krehl
Sie: „Wenn Sie kein Problem damit haben, dass sie Ihre Tochter sein könnte.“ Er: „Ist sie aber nicht – und Ihre nebenbei gesagt auch nicht.“ Christiane weiß intuitiv sehr früh, was das Beste für alle ist. Ist da unbewusst auch etwas Eigennutz (oder Neid) mit im Spiel? Maren Kroymann, Walter Sittler & Lavinia Wilson in „Zu mir oder zu dir?“

Die Dialog-Ebene ist fein austariert zwischen brillanten Screwball-Momenten, in denen die Repliken nur so wirbeln, und erwachsenen Gesprächen über den Mann/Frau-Diskurs in der Gesellschaft und über die Erfahrungen, die beide in der Liebe, der Ehe oder der Mann in seiner Beziehung zu seinem Vater gemacht haben. Köstlich auch die kurzen Intermezzi, in denen Kroymann die patente Großmutter der Heldin verkörpert, die für jede Lebenslage (und jedes Handlungsmoment) das passende Motto parat hat: von „wenn man allein ist, geht einem wenigstens niemand auf den Geist“ über „sei frech, wild und wunderbar“ bis zu „Wer Sorgen hat, hat auch Likör“. Und zwischendurch geht es in Ingo Raspers Film auch schon mal höchst unterhaltsam um Frauenquote, Handy-Sucht oder kleine Männerblasen. Dabei sind Rede/Gegenrede flüssig und das Gesagte selten gedrechselt oder zu überpointiert. Und es wird auch schon mal beredt gar nichts oder wenig gesprochen. So wird die Dreiecksgeschichte in einem Bild aufgelöst, einer sehr spitzwinkeligen Anordnung der drei Protagonisten zueinander. Und dazu nur die Worte: „Du bist so was von feige.“ Die Situation bleibt so vermeintlich noch ein wenig in der Schwebe und der Zuschauer kann sie sich selbst zu Ende denken.

„Zu mir oder zu dir?“ hat – im Gegensatz zur alles anderen als geschmeidigen weiblichen Hauptfigur – einen sehr stimmungsvollen Erzählfluss. Dazu trägt nicht zuletzt der höchst atmosphärische Score bei, in den häufig Tango-Motive eingearbeitet sind und der gelegentlich an Badly Drawn Boys Soundtrack von „About A Boy“ erinnert. Aber auch die Kameraarbeit von Peter Nix zeugt von höchster Eleganz und sie greift nicht unwesentlich in die Semantik des Films ein. So sagt einem spätestens jene Plansequenz (eine einminütige Einstellung ohne Schnitt), in der das reife Paar durch die Lobby eines noblen, altehrwürdigen Hotels wandelt, das sich als Besitz des Traummannes herausstellt, dass diese beiden zusammengehören. Fürs Happy End kehrt Regisseur Rasper („Reine Geschmackssache“) nicht weniger eindrucksvoll und emotional an diesen Ort zurück. „Dabei weiß doch jeder, dass eine alleinstehende Frau jenseits der 50, ungeachtet wie attraktiv, erfolgreich oder intelligent sie ist, mit größerer Wahrscheinlichkeit vom Blitz getroffen wird als…“, stellt die desillusioniert-abgeklärte Heldin in der Exposition noch fest. Auch wenn also das „Herzkino“ ein Format für vornehmlich weibliche Träume und Wünsche ist, intelligente Frauenphantasien, wie sie „Zu mir oder zu dir?“ präsentiert, kann man sich auch als Mann gefallen lassen.

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Fernsehfilm

ZDF

Mit Maren Kroymann, Walter Sittler, Lavinia Wilson, Ulrike Krumbiegel, Niklas Osterloh, Philipp Sonntag, Max Hegewald, Walther Kreye

Kamera: Peter Nix

Schnitt: Nicola Undritz

Musik: Martin Probst

Soundtrack: Beach Boys („Wouldn’t it be nice“), Sergio Mendes („The Look of Love“), Mina & Celentano („Parole, parole“), Piero Umiliani („Manamana“)

Produktionsfirma: Ninety Minute Film

Produktion: Ivo-Alexander Beck

Drehbuch: Sarah Schnier

Regie: Ingo Rasper

Quote: 5,08 Mio. Zuschauer (14,7% MA)

EA: 19.10.2014 20:15 Uhr | ZDF

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