Zorn – Wo kein Licht

Luca, Ranisch, Dwyer, Metschurat, Schnee. Das Gute zuerst, das Böse zum Schluss

Foto: MDR / Edith Held
Foto Rainer Tittelbach

„Wo kein Licht“, die dritte Episode aus der ARD-Reihe „Zorn“, beginnt als launiges Buddy-Movie, das sich ganz auf seine beiden Hauptcharaktere konzentriert: den „unlustigen“ und arbeitsscheuen Zorn und seinen beflissenen Kollegen Schröder. Stephan Luca ist in seiner Rolle angekommen und Axel Ranisch wirkt so fest verankert in ihr, dass man eine große Nähe zwischen ihm und seiner Rolle annehmen darf. In der zweiten Hälfte wird es düster; es geht ins schwarze Loch der menschlichen Seele. Das entspricht dem hermetischen Look dieser Reihe, die es schafft, abseits vom TV-Realismus eine eigene Krimifarbe zu kreieren.

Ein Staatsanwalt hat sich in den Kopf geschossen. Am nächsten Morgen findet man ihn am Ufer der Saale. Der Mann muss völlig außer sich gewesen sein. Die Nachrichten auf dem AB des Toten legen nahe, dass der Mann in den Selbstmord getrieben wurde. „Lauf ruhig, mein Freund, lauf schneller… egal, wo du dich versteckst, ich krieg dich trotzdem.“ Zorn (Stephan Luca) hat bald schon keine Lust mehr aufs Ermitteln und lässt seinen beflissenen Kollegen Schröder (Axel Ranisch) die Arbeit machen. Der muss zwar, nachdem er von einem Amokfahrer angefahren wurde, das Bett hüten, aber sein Kollege versorgt ihn ausreichend mit Prozessakten. Denn der Halter des Pkws ist seltsamerweise auch Jurist – er arbeitet als Strafverteidiger. Zwischen ihm und dem Toten gibt es eine Verbindung: Der eine war Kläger, der andere Verteidiger in einem Prozess gegen einen Finanzmakler. Es ging um Steuerhinterziehung. Der Angeklagte Elias de Koop (Tonio Arango) wurde freigesprochen. Da die Polizisten bei ihrem Fall nicht weiterkommen, konzentriert sich Zorn auf seine Eifersucht und Schröder kümmert sich bald nicht mehr um das eigene, sondern um das Wohlbefinden seines dementen Vaters (Christian Grashof). Auch Staatsanwältin Borck (Alice Dwyer) hat privat einiges am Laufen, mit einem Ex-BKA-Sonderermittler (Barnaby Metschurat), der jetzt für die Interne arbeitet. Für Zorn heißt das: auf der Hut sein!

Zorn – Wo kein LichtFoto: MDR / Edith Held
Die Beziehung zwischen der jungen Staatsanwältin (Alice Dwyer) und dem „Super-Bullen“ (Barnaby Metschurat), der jetzt für die interne Abteilung zuständig ist, gerät in die Krise. Soll er vielleicht dem Problem-Ermittler Zorn auf die Finger schauen?

Ähnlich wie im zweiten Fall, „Vom Lieben und Sterben“, beginnt auch die Verfilmung von Stephan Ludwigs drittem „Zorn“-Roman, „Wo kein Licht“, als ein launiges Buddy-Movie, das sich ganz auf seine beiden Hauptcharaktere und deren Blickwinkel konzentriert: Der eine will Dienst nach Vorschrift schieben – oder besser noch, nicht mal das, der andere will ein guter Junge sein und von allen geliebt werden. Der Fall entwickelt sich langsam, aber keineswegs uninteressant. Die Reduktion der Handlung erhöht die Konzentration auf die wenigen Personen. Auch Stephan Luca ist – nachdem er Zorn von Misel Maticevic übernommen hatte – in seiner Rolle angekommen: Er agiert weniger aufgesetzt cool, seine Sonnenbrille, die allenfalls für einen witzigen Spruch Schröders gut war, hat er wieder abgesetzt. Das macht ihn offener, verletzlicher, was gut zur Geschichte passt: Die beiden Kommissare kommen sich, nachdem sich schon der Beginn einer ungewöhnlichen Männerfreundschaft angedeutet hatte, in Episode 3 emotional noch ein Stück weit näher. Schröder kocht für seinen „Chef“ und dieser spielt dessen großen Bruder für Schröders dementen Vater, lässt sich von dem alten Mann sogar schlagen und findet das nicht einmal schlimm. Jeder sorgt sich um den Partner – und einer rettet dem anderen am Ende sogar das Leben. Dieser Krimi schafft es, trotz der vermeintlichen Coolness und sprachlosen Distanz zwischen Zorn und seinen Frauen, Staatsanwältin Borck und Freundin Malina („Wir rücken uns nicht auf die Pelle“), eine Gefühlsnote ins Spiel zu bringen, die nichts falsch Menschelndes besitzt. Verantwortlich für diese ganz besondere Tonlage der Reihe sind die Figur Schröder und sein Darsteller Axel Ranisch. Keine Witzfigur, keine Karikatur, sondern ein Typ, wie er fürs Primetime-TV untypisch ist mit seiner entwaffnend direkten Freundlichkeit und Verbindlichkeit, auch weil man hier eine Nähe zwischen Schauspieler und Rolle annimmt, die gleichfalls untypisch ist.

Zorn – Wo kein LichtFoto: MDR / Edith Held
Schröder (Axel Ranisch) lässt wegen seines dementen Vaters (Christian Grashof) zwischenzeitlich Arbeit sein; prompt gerät der leichtsinnige Zorn in Gefahr.

Das Gute zuerst, das Böse zum Schluss. Stilistisch schlägt „Wo kein Licht“ ganz ähnliche Töne an wie „Vom Lieben und Sterben“. Nachdem die Kommissare ihre Gefühle weiterhin kultivieren durften, geht es ins schwarze Loch der menschlichen Seele. In den Hallen eines still gelegten Solbades kommt es zum 15minütigen Höhepunkt des Films. Eine Sequenz, intensiv und hoch spannend, weil sich die Machtverhältnisse plötzlich umkehren und weil man sich von vornherein nicht sicher sein kann, wer hier Täter und wer Opfer ist. Ist der Aggressor ein Wahnsinniger oder ist er der Gute, der die Maske des Bösen annehmen muss, um Gerechtigkeit zu sprechen? Das Autorenduo Stephan Ludwig / Benjamin Hessler und Regisseur Christoph Schnee beantworten diese Frage in einer intensiv gespielten Kammerspielsituation zwischen Hoffen und Bangen, zwischen Macht und Ohnmacht. Ein hermetischer Raum – das passt zu „Zorn“, dieser Krimi-Reihe, die in ihren Bildern nicht den Alltag, das pralle Leben, die Realität auf den Straßen sucht, sondern die Schicksale einzelner Menschen, die in Häusern oder leeren Räumen geeignete Projektionsflächen für ihre kränkelnde Seele finden. Auch „Zorn“ 3 ist nicht mehr so stylish wie die Auftaktepisode, aber noch immer ungewöhnlich genug, um mehr von dem „unlustigen“ Bullen und vom liebenswerten Problemfall Schröder erfahren zu wollen. Und es geht weiter. Episode 4, „Wie sie töten“ (Regie: Jochen A. Freydank), ist bereits abgedreht. (Text-Stand: 7.10.2015)

tittelbach.tv ist mir was wert

Mit Ihrem Beitrag sorgen Sie dafür, dass tittelbach.tv kostenfrei bleibt!

Kaufen bei

und tittelbach.tv unterstützen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Reihe

ARD Degeto, MDR

Mit Stephan Luca, Axel Ranisch, Alice Dwyer, Barnaby Metschurat, Katharina Nesytowa, Tonio Arango, Paul Faßnacht, Christian Grashof, Monika Lennartz, Hans Klima

Kamera: Diethard Prengel

Szenenbild: Jörg Baumgarten

Kostüm: Ulla Gothe

Produktionsfirma: Filmkombinat Nordost

Drehbuch: Stephan Ludwig, Benjamin Hessler

Regie: Christoph Schnee

Quote: 3,81 Mio. Zuschauer (12% MA); Wh. (2017): 2,79 Mio. (11,6% MA)

EA: 05.11.2015 20:15 Uhr | ARD

Spenden über:

IBAN: DE59 3804 0007 0129 9403 00
BIC: COBADEFFXXX

Kontoinhaber: Rainer Tittelbach