Am Anfang standen die Vorwürfe von ehemaligen politischen Häftlingen der DDR, sie seien im Gefängnis systematisch mit Strahlen verseucht worden, um sie gesundheitlich zu schädigen und ihren schleichenden Tod herbeizuführen. “Es ist schon seltsam, dass drei der prominentesten DDR-Dissidenten, Rudolf Bahro, Jürgen Fuchs und Liedermacher Gerulf Pannach, früh an seltenen Krebsarten starben”, meint denn auch WDR-Fernsehfilmchef Gebhard Henke. Die vorsätzliche Strahlung konnte allerdings bislang nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden. “Zeit der Rache” vom frischgebackenen Grimme-Preisträger Friedemann Fromm (“Unter Verdacht”) nimmt sich des Themas an. Eine Medizin-Journalistin auf der Suche nach dem mutmaßlichen Mörder ihres Vaters.
Katja will die Geschichte nicht ruhen lassen. Sie hat einen guten Grund. Ihr Vater war einer der führenden Dissidenten der DDR. Die Politik hat ihr den Vater genommen. Sie selbst fühlt sich aber auch schuldig. Sie hat die Chance verpasst, mit ihrem Vater nach Jahren der Trennung Frieden zu schließen. Zu spät ist sie an sein Krankenbett gereist. Nach seinem Tod stößt sie auf Verdachtsmomente, die die Verstrahlungs-Anschuldigungen ihres Vaters bestätigen. Sie stößt auf den vermeintlichen Ex-Stasi-Offizier Blom, ein freundlicher, gebildeter Herr. Sie will ihn zur Rechenschaft ziehen und begibt sich so in größte Gefahr.
“Zeit der Rache” beginnt als Politthriller. Eine junge Frau gegen die Stasi-Seilschaften, die noch immer funktionieren. Der Film entwickelt sich dann im zweiten Teil zu einem kammerspielartigen Psycho-Drama. Zwischen der jungen Frau und dem alten Mann ensteht eine hoch emotionale Beziehung. “Für mich macht das das eigentliche Drama aus”, so Friedemann Fromm. “Blom tritt für Momente an die Stelle des Vaters und entwickelt Gefühle für Katja.” Doch Liebesgefühle dürfen nicht sein, das verbieten die Biografien der beiden. “Sie müssen ihre Grenzen, ihr Feindbild aufrecht erhalten”, betont der Regisseur.
Julia Jäger spielt Katja. Die Schauspielerin für die leisen Töne trägt den Film. “In dieser Intensität habe ich noch nie eine Figur über einen so langen Zeitraum erfasst und gespielt”, sagt sie. Ihren Gegenpart spielt Jürgen Hentsch (“Die Manns”). Auch für ihn ist dieser politisch-historische Film in Zeiten, die vor lauter Gegenwartskrise die Vergangenheit mehr denn je verdrängt, ein sehr wichtiger Film. “Unsere Enkel sollen wissen, wie wir gelebt haben”, sagt der Schauspieler, der es mit dem Staatssicherheitsdienst selbst des öfteren zu tun bekam. “Das Ausmaß der Überwachung, der wir ausgesetzt waren, war größer und die Methoden waren perfider, als wir uns das damals vorstellen konnten.”
Auffallend, dass “Zeit der Rache” nicht vom ostdeutschen Volksmusiksender MDR, sondern vom WDR gemacht wurde. Ebenso auffallend, dass für dieses ostdeutsche Drama ein Autor und ein Regisseur aus dem Westen verpflichtet wurden. Fromm selber sah diesen Widerspruch und besetzte deshalb den Film ausschließlich mit Schauspielern aus dem Osten. “Wir Wessis können uns einiges anlesen und uns in viele Situationen hineinfühlen, aber wir haben nicht die Lebenserfahrung der Ossis”, so Fromm. Sein Konzept ist aufgegangen. “Zeit der Rache” ist ein schnörkelloses, kühl erzähltes Schauspieler-Stück, das über die privaten Verletzungen sich der großen Themen Schuld, Sühne und Verantwortung annimmt und sie in einen realen gesellschaftlichen Rahmen stellt. Die DDR als Familie, bei der es fraglich ist, ob “Vater Staat” seine Kinder tatsächlich geliebt hat. (Text-Stand: 26.3.2002)