Ein Mann fährt ein Kind tot, begeht Fahrerflucht und sucht – weil er die Schuld nicht aushält – Kontakt zur Mutter des Opfers. Die Geschichte von Christian Petzolds Film “Wolfsburg” erinnert an Max Färberböcks “Jenseits”, einen der herausragenden Fernsehfilme der letzten Jahre. Doch abgekupfert hat der Mann, der für Kritikerlob und Filmpreise immer gut ist, keineswegs. Petzold trug die Idee schon seit Anfang der 90er mit sich herum. Damals schrieb er eine Kurzgeschichte über Wolfsburg, die Deutschen und das Auto, die später als Grundlage für das Drehbuch diente. Gemeinsam ist seinem und dem Film Färberböcks allenfalls die introvertierte, konzentrierte Erzählweise und die Qualität der Schauspieler.
Es waren die zahllosen Holzkreuze am Straßenrand, die Petzold einst auffielen, als er als Regieassistent vor über zehn Jahren in Wolfsburg arbeitete und ständig unterwegs war zwischen Berlin und der niedersächsischen Autostadt. Auch im Film ziert nun ein Kreuz den Tatort, an den der Täter immer wieder zurückkehrt. Überhaupt sind es die kleinen Dinge, kaum wahrnehmbare Zeichen, oft Auslassungen, über die sich der Film erzählt. Geredet wird wenig. Mit der Sprache der Geschäftswelt lassen sich (Schuld-)Gefühle nur schwer artikulieren. Also schweigt man sich an, über Probleme aus – und läuft in die Leere. Das Leben wirkt reduziert. Die Menschen geben Bilder ab, werden beobachtet – wie hinter Glas. Petzold: “Die Figuren funktionieren nur, sie sind kalt und leben in sich selbst.
Nina Hoss und Benno Fürmann, die schon einmal gemeinsam für Doris Dörries “Nackt” vor der Kamera standen, sind ideal für den Petzoldschen Stil. Unsichere Blicke, ein Zögern im Handeln, zwei Fremdkörper in der so übersichtlichen Welt aus Straßen, Feldern und Fabriken. Augen-Blicke zählen, nicht der Spannungsfluss sorgt für die Emotionen. Das ergibt Kino-Bilder und erinnert ein wenig an Michelangelo Antonionis Filme aus den Industriewüsten Norditaliens. Hoss spielte bereits in “Toter Mann”, dem letzten Fernsehfilm von Christian Petzold die Hauptrolle. “Ich liebe, wie sie durch die Geschichten hindurchgeht, als ob sie nicht ganz dazugehört”, schwärmt der Regisseur von seiner Schauspielerin. Hoss spielte in dem Grimme-Preis-gekrönten Film einen kühlen Racheengel. In “Wolfsburg” wird das Motiv der Rache sehr viel beiläufiger erzählt. Wichtiger ist das, was dahinter steht: der traumatisierte Mensch. “Therapien, Rache oder auch Selbstmord sind alles Möglichkeiten, um nicht unterzugehen”, betont Petzold. “Dies sollte vorgeführt werden, ohne eine bestimmte Position einzunehmen und sich auf eine Seite zu stellen.”