„Dass sich hier nie was ändert!“ Thomas, der Großstadtmensch, ist genervt. Zurück in seinem Heimatort in Ostdeutschland brechen die Erinnerungen über ihn herein. Ein anderes Problem ist derweil virulenter. Eines hat sich doch verändert: Mutter ist tot. Sie hat sich bei der Pflege des Vaters übernommen. Jetzt heißt es für Thomas und seine Schwester Susanne, den Tatsachen ins Auge zu sehen. „Ihr Vater wird nie mehr richtig laufen können – und das ist erst der Anfang“, macht ihnen die Ärztin klar. Doch was tun? Ihn abschieben in ein so genanntes „Pflegehotel“? Einen häuslichen Pflegedienst beauftragen? Oder selbst Hand anlegen und das zurückgeben, was man als Kind von den Eltern bekommen hat? Es gibt noch eine weitere Option, die allerdings ist illegal.
Foto: ZDF
„Wohin mit Vater?“ entstand nach einem Sachbuch. Der Autor musste anonym bleiben. Grimme-Preisträgerin Laila Stieler hat aus den etwas trockenen Beschreibungen eines betroffenen Journalisten, angereichert durch eigene Recherchen, ein sehr realitätsnahes, lebenskluges Drehbuch gemacht. Die Autorin entwickelt die Geschichte aus der Familiensituation heraus, sie wählt in der Hauptsache die Perspektive des Heimkehrers, lässt die Figuren aber dramaturgisch weitgehend gleichberechtigt agieren. Alle drei haben eine Lebensgeschichte, aber keine ist dazu da, konfliktträchtig hochgespielt zu werden. „Wir wollten die Wahrhaftigkeit des Stoffes erhalten und haben versucht, dramaturgische Zuspitzungen zu vermeiden oder zu reduzieren“, so Stieler. Und so blendet sie sich quasi eine Woche in diese Familie ein. Die Erzählweise ist ganz dem Leben abgelauscht: die Vorbereitungen der Trauerfeier, die Sorge um die Zukunft und die kleinen Nadelstiche der Vergangenheit verweben sich zu einem wahrhaftigen Grundton. Den Kindern im Film stellt sich eine einfache Frage, die sich aber nur schwer beantworten lässt, da jede Antwort, für einen der Betroffenen einen schweren existenziellen Einschnitt bedeutet.
Ein Film wie „Wohin mit Vater?“ hat bereits unabhängig von der Machart seine Berechtigung. Es ist schwierig, im Familienkreis über Krankheit, Pflege und Tod zu reden. „Wir müssen die Angst davor verlieren, über Alter und Pflege zu sprechen“, betont Regisseur Tim Trageser. Ein weitgehend als persönliches Thema verstandenes Problem, das entsprechend privat und verschwiegen behandelt wird, rückt 90 Minuten ins Licht der Öffentlichkeit. Kein anderes Medium ist für eine solche Aufgabe besser geeignet als der Fernsehfilm mit seinen psychologischen Möglichkeiten. Dass die Sensibilisierung auf so hohem Niveau stattfindet wie in diesem ZDF-Fernsehfilm, ist umso erfreulicher. Die hohe Qualität hat auch mit drei Hauptdarstellern zu tun (allen voran Hans-Jochen Wagner), die sich auf das beiläufige Spiel von Befindlichkeiten verstehen: keine künstliche Dramatisierung, keine lähmende Schwermut. Und so ist „Wohin mit Vater?“ am Ende keine filmische Ode an die Traurigkeit geworden, sondern ein Plädoyer fürs Leben mit all seinen Unwägbarkeiten. (Text-Stand: 29.3.2010)