Wo kein Schatten fällt

Valerie Stoll, Giese, Gersak, Ozon, Krumkamp, Bialas. Mehr Drama als Mystery

Foto: NDR / Christiane Buchmann
Foto Volker Bergmeister

Rätselhafte Todesfälle, argwöhnische Dorfbewohner, eine bedrohliche Moorlandschaft – „Wo kein Schatten fällt“ (NDR / Das Kind mit der goldenen Jacke) ist ein Mysterydrama, in dem es in erster Linie um eine Emanzipationsgeschichte eines jungen Mädchens geht. Die Inszenierung von Esther Bialas nutzt geschickt und wohl dosiert Mystery-Elemente, um die Spannung voranzutreiben und spielt mit der Mythologie, dass Frauen lange als Hexen verschrien wurden. Es ist der dritte Film der diesjährigen „Nordlichter“-Staffel des NDR zum Thema Mystery. Valerie Stoll („Parfum“) überzeugt in ihrer ersten großen Filmrolle.

Im Internat sind Sommerferien. Und so beschließt die vierzehnjährige Hanna (Valerie Stoll) nach drei Jahren erstmals wieder in ihr Heimatdorf zu fahren, das einsam hinter einem Moor liegt. Doch willkommen fühlt sie sich dort nicht. Die Dorfbewohner überkommt bei ihrem Anblick ein kalter Schauer – ähnelt der Teenager doch zu sehr ihrer Mutter, die Jahre zuvor spurlos zusammen mit drei Männern im Moor verschwunden ist. Im Dorf munkelt man, die Mutter sei vom Teufel besessen gewesen. Und nun auch Hanna? Die will nur alte Freunde treffen und unbeschwerte Tage auf dem Hof ihres Vaters (Godehard Giese) verbringen. Doch Hannas Versuche, wieder Anschluss an die alte Clique um ihren Schwarm Basti (Rick Okon) zu finden, scheitern. So bliebe Hanna sich selbst überlassen, wenn da nicht die gleichaltrige Eva (Milena Tscharntke) auftauchen würde. Die beiden freunden sich an und verbringen die Sommertage und Feier-Nächte zusammen. Im Ort häufen sich seltsame Ereignisse: Menschen verschwinden, Tierkadaver werden geborgen, Dorfbewohner fallen unglückseligen Unfällen zum Opfer. Steckt Hanna dahinter? Für die wird es zunehmend brenzliger: Noch einmal wird man eine Hexe nicht davonkommen lassen. Doch Hanna nimmt das Heft des Handelns selbst in die Hand und muss erkennen, dass Eva nicht die ist, die sie zu sein scheint.

„Valerie hat mir beim Casting sehr gut gefallen, sie war ein bisschen ver-schroben, hat irgendwie eigen geredet, das hat mich angesprochen. Wir wussten, dass es ein Wagnis wird, weil man mit kindlicheren Darstellern keinen Plan bauen kann. So musste ich mit ihr viel enger, viel emotionaler arbeiten, dabei hat sich eine sehr persönliche Bindung aufgebaut, sodass sie sich fallen lassen konnte. Als sie verstanden hatte, wie ich die Figur sehen, da konnte ich sie einfach machen lassen. Und dann ist sie mir fast weggeflogen.“ (Esther Bialas über Valerie Stoll)

Wo kein Schatten fälltFoto: NDR / Christiane Buchmann
durchdachte Coming-of-Age-Story.. Ohne ihre neue Freundin (Milena Tscharntke) wäre Hanna verloren – tatsächlich?!

„Wo kein Schatten fällt“ ist der dritte Film der „Nordlichter“-Staffel des NDR zum Thema Mystery. Der erste Langfilm des Hamburger Filmkollektivs „Das Kind mit der goldenen Jacke“ ist eine Gemeinschaftsarbeit von Autorin Lena Krumkamp, Regisseurin Esther Bialas und den Produzenten Mathieu Miville, Nathan Nill und Andrea Schütte, allesamt Absolventen der Hamburg Media School. Bialas, Nill und Krumkamp hatten bereits mit den Produzenten Andrea Schütte und Dirk Decker die vielbeachtete Comedy-Serie „Komm schon!“ (Produktion: Tamtam Film) verantwortet, die 2016 für den Grimme-Preis als beste Innovation im Bereich Fiktion nominiert war. Der Film erzählt die Geschichte von einem Mädchen in einer Männerwelt, bewusst zugespitzt in einer Märchenform. Kein Mystery-Schocker, eher eine durchdachte Coming-of-Age-Story, in der Esther Bialas geschickt und gut dosiert Mystery-Elemente benutzt. Dabei verzichtet sie weitgehend auf die genreüblichen bekannten Bilder und Effekte. Die Story steht im Mittelpunkt, eine Emanzipationsgeschichte einer jungen Frau, die vor der Vergangenheit nicht davonläuft, sondern wissen will, was damals mit ihrer Mutter geschehen ist. Eine wesentliche, wenn nicht gar eine – neben Hanna – zweite Hauptrolle spielt dabei die Landschaft. Sie trägt zu der stimmigen Atmosphäre bei. Viele Szenen wurden im Moor gedreht, auch der Hauptschauplatz, ein alter Bauernhof, steht in einer Moorlandschaft. So spiegelt sich das Bedrohungsszenario für Hanna durch die ihr feindlich gestimmte Dorfgemeinschaft in der Landschaft. Der Hof ist umgeben vom Moor, stellt eine ständige Gefahr dar. Nebel, Feuchtigkeit, tiefer Morast, kahle Bäume – all das trägt zur leicht gruseligen Atmosphäre bei. „Der Film wäre nicht das geworden, was er ist, wenn dieses Moor nicht so ein starkes Elemente gewesen wäre“, betont die Regisseurin.

Ein Film mit jeder Menge Frauenpower. Die Schlüsselpositionen sind durchweg mit Frauen besetzt: Regie, Buch, Kamera, Szenenbild. „Wir wollten aber keine Quote erfüllen, das hat sich so ergeben. Mir war in erster Linie wichtig, dass ich Leute um mich herum haben, die vorsichtig mit der Thematik umgehen und der Szenerie.“ Das wird deutlich am behutsamen Umgang mit körperbetonen Szenen mit Hanna, beispielsweise wenn sie in der Scheune mit Basti Sex hat. Autorin Lena Krumkamp, die mit dem preisgekrönten Kurzfilm „I Have a Boat“ ein Ausrufezeichen gesetzt und zahlreiche Preise eingeheimst hat, und jetzt ihr erstes Langfilm-Drehbuch geschrieben hat, erzählt sehr sensibel eine Emanzipationsgeschichte und beschäftigt sich dabei mit der Mythologie, dass Frauen lange als Hexen verschrien wurden, wenn sie sich nicht so verhalten haben wie die Gesellschaft es gerne hätte, dass sie sich verhalten. Durch die Hülle Mystery schaffen Krumkamp und Bialas eine Welt, die nicht ganz real ist und trotzdem reale Bezüge hat. Valerie Stoll spielt Hanna mit großer Natürlichkeit und völlig unverkrampft. Erstaunlich, ist es doch die erste große Rolle für die junge Schauspielerin. Mit dem so präzise spielenden Godehard Giese, Rick Okon und Sascha Alexander Gersak hat sie versierte und ruhig agierende Kollegen an ihrer Seite, und mit Milena Tscharntke (zuletzt im Drama „Alles Isy“) einen starken Part neben und gegen sich. „Wo kein Schatten fällt“ ist ein sehenswerter Erstling mit einem stimmigen Ensemble, ein gut getimtes Coming-of-Age-Drama, eingebettet in eine Hexengeschichte.

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Fernsehfilm

NDR

Mit Valerie Stoll, Godehard Giese, Sascha Alexander Gersak, Sebastian Hülk, Rick Okon, Milena Tscharntke, Anne Lewinsky, Maximilian Beck, Simone Geissler

Kamera: Christiane Buchmann

Szenenbild: Iris Trescher

Kostüm: Katrin Aschendorf

Schnitt: Jan Ruschke

Musik: Marco Dreckkötter

Redaktion: Sabine Holtgreve

Produktionsfirma: Das Kind mit der goldenen Jacke

Produktion: Mathieu Miville, Nathan Nill, Andrea Schütte

Drehbuch: Lena Krumkamp

Regie: Esther Bialas

EA: 08.11.2018 22:50 Uhr | NDR

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