Wilsberg – Ein Detektiv und Gentleman

Lansink, Zirner, Korittke, Ziedrich, Osthus. Die Rechnung wird mit Blei beglichen

Foto: ZDF / Thomas Kost
Foto Tilmann P. Gangloff

„Ein Detektiv und Gentleman“ ist die achtzigste Episode des 1995 gestarteten Klassikers „Wilsberg“ (Warner). Aus diesem Anlass wollte das ZDF die Fan-Gemeinde offenbar mit einer besonderen Geschichte erfreuen: Nach der Ermordung eines Taxifahrers führt die Spur zurück in die Achtzigerjahre, als die Irisch-Republikanische Armee auch in Münster Anschläge begangen hat. Sehenswert ist der Krimi nicht nur wegen der Handlung, die immer undurchschaubarer wird, sondern vor allem wegen des schauspielerischen Kräftemessens von Titeldarsteller Leonard Lansink und August Zirner: Zunächst hält der Detektiv den ehemaligen britischen Soldaten Cross für ziemlich verdächtig, aber dann ermitteln der Antiquar und der Historiker gemeinsam; ein Schatten des Zweifels bleibt dennoch.

„Ein Detektiv und Gentleman“ ist die achtzigste Episode des 1995 gestarteten Klassikers. Zur Reihe wurde „Wilsberg“ allerdings erst drei Jahre später mit dem zweiten Film, als Leonard Lansink die Rolle des zunächst von Joachim Król verkörperten Antiquars übernahm. Seither sind auch Rita Russek als Hauptkommissarin Anna Springer sowie Roland Jankowsky als ihr zu einer gewissen Selbstüberschätzung neigendem Mitarbeiter und erklärtem Wilsberg-Feind dabei. Diesmal sind der Oberkommissar und der Privatdetektiv allerdings ausnahmsweise einer Meinung, zumindest in Bezug auf den Engländer John Cross (August Zirner): Der Mann ist höchst verdächtig. Dabei ist der Historiker bloß nach Münster gekommen, um in Erinnerungen zu schwelgen: Die Kaserne, in der er Mitte der Achtziger als Soldat stationiert war, soll einer Wohnsiedlung inklusive Einkaufszentrum weichen. Auf der Suche nach einem Buch über die Stadtgeschichte taucht Cross im Antiquariat auf, als Anna ihren Freund Georg gerade mit selbstgekochter Orangenmarmelade beglückt. Der Brite findet das Gelee köstlich; prompt ist die Polizistin von seiner ausgesuchten Höflichkeit und seinem Charme entzückt.

Zum Krimi wird die Geschichte durch einen Mord, der mit der Einführungsebene selbstverständlich nur scheinbar nichts zu tun hat: Ein Fahrgast hat seine Taxirechnung mit Blei beglichen. Ein grobkörniges Überwachungsvideo zeigt einen Mann, der durchaus Cross sein könnte; er taucht ohnehin auffällig oft an Orten auf, die im Zusammenhang mit den Ermittlungen stehen. Für Overbeck, der den Engländer auf Anhieb ebenso wenig leiden kann wie der eifersüchtige Wilsberg, ist der Fall daher klar. Der Detektiv wird auch beruflich involviert, als sich herausstellt, dass Cross einst in Tessa Tilkers Mutter verliebt war. Die entschied sich dann allerdings für seinen besten Freund; Tessas vor langer Zeit bei einem Unfall verstorbener Vater war ebenfalls englischer Soldat. Die Anwältin (Patricia Meeden) findet den Briten „spooky“, sie bittet Wilsberg, ihn im Auge zu behalten. Als dann auch noch die die Irisch-Republikanische Armee mitmischt, nimmt das Drehbuch (Eckehard Ziedrich, Marko Lucht) eine Komplexität an, die für einen Reihenkrimi mehr als beeindruckend ist. Cross und Tessas Vater waren an einem Einsatz in Belfast beteiligt, bei dem ein IRA-Mitglied getötet wurde und 100.000 Pfund verschwunden sind; später hat die IRA auch in Münster Anschläge begangen. Aber was hat das alles mit dem Mord an dem Taxifahrer zu tun?

Wilsberg – Ein Detektiv und GentlemanFoto: ZDF / Thomas Kost
Nacht-und-Nebelaktion à la Wilsberg. Der Detektiv bricht in eine Baufirma ein, um an die Baupläne für die Konversion des Kasernengeländes zu kommen. Aufmacher-Foto: Wilsberg (Leonard Lansink) & John Cross (August Zirner) geben ein gutes Ermittler-Duo ab. Dennoch bleibt der Amerikaner bis zum Schluss nicht ganz unverdächtig.

Eine Geschichte, die zunehmend undurchschaubar wird: Das ist mit das Beste, was sich über einen Whodunit-Krimi sagen lässt; vorausgesetzt, die Handlung bleibt schlüssig. Tatsächlich kommt noch eine weitere Ebene ins Spiel: Baulöwe Randlitz (Tobias van Dieken) benimmt sich höchst verdächtig, was zu einer typischen „Wilsberg“-Situation führt, als der Detektiv im Archiv des Unternehmens nach den Bauplänen fürs „Shopping Center“ sucht und dank Tessas Geistesgegenwart nur um Haaresbreite entkommt. Etwas konstruiert wirkt allein ein Nebenstrang mit Kumpel Ekki (Oliver Korittke): Dessen Chef (Vittorio Alfieri) hat auf der Baustelle Pflastersteine für seine Einfahrt geklaut und nötigt den Steuerprüfer, sie zurückzubringen, was zu einigem Hin und Her führt. Viel witziger ist ein Auftritt bei Randlitz, als sich die beiden Freunde als potenzielle Investoren Georgi & Eckstein ausgeben.

Sehr sehenswert ist auch das amüsante Zusammenspiel von August Zirner und Leonard Lansink. Wer will, mag bemäkeln, dass Zirner, der in einer Kleinstadt in Illinois zur Welt gekommen und in den USA aufgewachsen ist, wie ein typischer Fernsehamerikaner klingt, aber nicht wie ein Engländer, der ein paar Jahre in Deutschland gelebt hat. Davon abgesehen vermitteln die beiden alten Hasen sehr sympathisch, wie Wilsbergs Voreingenommenheit im Verlauf der gemeinsamen Ermittlungen zunehmend bröckelt; ihr Gezänk, wer Holmes und wer Watson sei, wird zum Running Gag des Films. Unbezahlbar ist auch der fassungslose Blick von Zirner, als Wilsberg Kaffee auf den Teebeutel des Engländers gießt. Trotzdem bleibt ein Schatten des Zweifels, zumal der Taxifahrer mit einem alten britischen Armeerevolver erschossen worden ist. Die Tatumstände lassen den vermeintlichen Raubmord ohnehin wie eine Hinrichtung wirken. „Ein Detektiv und Gentleman“ ist Philipp Osthus’ vierte „Wilsberg“-Regie. Inszenierung und Bildgestaltung (Daniel Bussmann) sind solide, jedoch längst nicht so raffiniert wie das detailfreudige Drehbuch, das Overbeck unter anderem ein skurriles Tischtennistrauma andichtet. (Text-Stand: 5.1.2024)

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Reihe

ZDF

Mit Leonard Lansink, August Zirner, Oliver Korittke, Roland Jankowsky, Rita Russek, Patricia Meeden, Regula Grauwiller, Tobias van Dieken, Vittorio Alfieri, Antje Lewald

Kamera: Daniel Bussmann

Szenenbild: Oliver Mugalu

Kostüm: Sonia Bouabsa

Schnitt: Tatjana Schöps

Musik: Maurus Ronner.

Soundtrack: Stretch („Why Did You Do It?”, Vorspannlied), Michael Andrews & Gary Jules („Mad World“), The Beatles („Help“)

Redaktion: Florian Weber, Martin R. Neumann

Produktionsfirma: Warner Bros. ITVP Deutschland

Produktion: Carina Hackemann

Drehbuch: Eckehard Ziedrich, Marko Lucht

Regie: Philipp Osthus

Quote: 7 Mio. Zuschauer (26,1% MA)

EA: 06.01.2024 10:00 Uhr | ZDF-Mediathek

weitere EA: 13.01.202 20:15 Uhr | ZDF

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