Für einen „Wilsberg“ beginnt es spektakulär: Ein SEK-Trupp stürmt das Finanzamt von Münster, die Bilder aus einer Helmkamera sorgen dafür, dass man mittendrin im Getümmel ist. Wie aus dem Nichts taucht plötzlich ein Spezialist vom Kampfmittelräumdienst auf, der in seiner Montur aussieht wie ein Golem. Dabei entpuppt sich der ganze Aufwand als falscher Alarm. Leidtragender sind ein Asylbewerber, der im Amt als Putzmann arbeitet und in dessen vermeintlich verdächtig tickendem Rucksack sich bloß harmloses Spielzeug befindet, sowie Wilsberg-Kumpel Ekki: Der eine verliert seinen Job, der andere kassiert eine Abmahnung.
Mit der eigentlichen Geschichte des Films hat dieser Vorfall offenbar überhaupt nichts zu tun, aber dieser Irrtum ist bei weitem nicht die einzige Finte im Drehbuch von Arne Nolting und Jan Martin Scharf, das von Martin Enlen als vorzüglich gelungene Mischung aus Krimi und Komödie umgesetzt worden ist. Es dauert auch nur scheinbar eine Weile, bis das ebenso erfahrene wie erfolgreiche Autorenduo („Friesland“) zur Sache kommt. Zunächst jedoch scheint es zwischen dem Einsatz im Finanzamt und einem Auftrag für Wilsberg (Lansink) keinerlei Zusammenhang zu geben: Heilpraktiker Seekatz beauftragt den Privatdetektiv, seine Frau zu observieren. Tatsächlich hat die Dame eine Affäre, und zwar mit Ekkis Vorgesetztem, Grabowski (Alfieri), was sehr viel später zur Folge haben wird, dass der fiese Chef Wilsberg aus der Hand frisst und plötzlich scheißfreundlich zu dem zwischenzeitlich mit einer zweiten Abmahnung versehenen und von einer Versetzung nach Bielefeld bedrohten Ekki ist. Zuvor allerdings kommt Seekatz ums Leben, und selbstredend fällt der Verdacht erst mal auf die Gattin (Müller-Elmau). Dass zwischenzeitlich auch ein unzufriedener Patient ins Visier der Ermittler gerät, stellt sich rasch als Irrtum heraus, auch wenn das Alibi des Mannes auf äußerst originelle Weise platzt: Er behauptet, zur Tatzeit im Kino gewesen zu sein, doch es stellt sich raus, dass der Film eine 3D-Produktion ist; und der Mann hat nur noch ein Auge.
Soundtrack: Stretch („Why Did You Do It?“, Vorspannlied), Vangelis („Conquest Of Paradise“), Herman Dune (“My Home Is Nowhere Without You”)
Es sind gerade solche Details, die den Charme des Films ausmachen. Darüber hinaus gelingt es Nolting und Scharf, gleich zwei Themen miteinander zu kombinieren, ohne die Geschichte überfrachtet wirken zu lassen. Es ist selbstredend kein Zufall, dass der Putzmann (Abdullah) Flüchtling ist. Der schuldbewusste Ekki besucht den Mann im Heim für Asylbewerber und weiß nicht, was ihn mehr schockiert: die desolaten Zustände oder das deutschtümelnde vierschrötige Sicherheitspersonal, das aus seiner Fremdenfeindlichkeit keinen Hehl macht. Das andere große Thema sind der Zwiespalt zwischen alternativen Heilmethoden, vertreten durch den toten Heilpraktiker, und der Schulmedizin, deren Repräsentant der unsympathische Geschäftsführer eines Pharmakonzerns ist. Dieser Stegner (Kurt) beauftragt Anwältin Alex (Klink) mit einem Entwurf für die Reform der Arzneimittelgesetzgebung. Alex ist Feuer und Flamme; bis sie feststellt, dass die Mappe, die sie einem Bundestagsabgeordneten übergeben soll, Argumente ganz anderer Art enthält. Wie dann Wilsberg und der Asylbewerber zu Opfern des gleichen Skandals werden und am Ende gemeinsam mit Ekki sogar um ihr Leben fürchten müssen, ist auf eindrucksvolle Weise und aller Umwege zum Trotz geschickt eingefädelt.
Und dennoch ist dies nur die eine Seite des Films, die durchaus das Zeug zum Thriller hätte. Die andere ist der amüsante Teil, und auch in dieser Hinsicht ist die Kombination geglückt: Ausgerechnet Overbeck (Jankowsky), der Möchtegern-Chuck-Norris von Münster, entpuppt sich als glühender Verfechter natürlicher Heilmethoden, was dazu führt, dass der Beamte seiner Chefin (Russek) mit seinem „Schwingungsgedöns“ alsbald gehörig auf die Nerven geht. Diese Gratwanderung gelingt ebenfalls: Die feine Ironie ist stets so wohldosiert, dass sich Anhänger der Homöopathie nicht brüskiert fühlen müssen; aber die Dialoge sind ohnehin eine wahre Freude. Dass der Heilpraktiker aussieht wie Manfred Köhnlechner, ist einer der vielen kleinen Gags am Rande, die Enlen ganz ohne Hinweisschild inszeniert.