Wilsberg – 48 Stunden

Lansink, Korittke, Russek, Jankowsky. ZDF-Münster-Krimi mit Rückblende & Witz

Foto: ZDF / Thomas Kost
Foto Tilmann P. Gangloff

In der „Wilsberg“-Episode „48 Stunden“ steht Overbeck im Mittelpunkt: Der Beamte sollte auf die Tochter seines Chefs aufpassen, wurde mit K.o-Tropfen aus dem Spiel genommen, hat seine Waffe verloren und steht schließlich sogar unter Mordverdacht; da kann nur Wilsberg helfen. Die Geschichte ist interessant und nicht vorhersehbar, das Ensemble ist überzeugend, die Mischung aus Krimi & Comedy ausgewogen. Ein guter „Wilsberg“.

Der klassische „Cliffhanger“ stammt aus der Zeit, als Kinofilme seriell produziert wurden: Die Geschichte endet mit einem Höhepunkt, der Held schwebt in höchster Gefahr und hängt womöglich in der Tat buchstäblich an einer Klippe über dem gähnenden Abgrund. Seit einiger Zeit machen sich Krimis und Thriller diese Art der Dramaturgie zunutze. Allerdings bildet die Zuspitzung hier nicht den Schlusspunkt, sondern den Auftakt: Der Held wird bedroht oder mit blutigen Händen am Tatort überrascht; und dann erzählt eine Rückblende, wie’s dazu kam.

Ganz so dramatisch ist der Beginn des „Wilsberg“-Krimis „48 Stunden“ zwar nicht, aber die Konstellation ist ähnlich: Ein Mann ist mit vier Schüssen aus der Waffe von Overbeck, dem Mitarbeiter von Kommissarin Springer, erschossen worden. Um den Ereignissen die nötige Wucht zu geben, begleitet Dominic Müller den Auftakt zu seinem fünften „Wilsberg“-Krimi mit allerlei Getöse. Noch am Tatort will Springers Chef, Kriminalrat Landau, wissen, was in den letzten beiden Tagen passiert ist. In rasanter Bildfolge wird der Film nun gewissermaßen zurückgespult, bis schließlich donnernd das Insert „48 Stunden zuvor“ erscheint. Das ist alles etwas laut und wuchtig, verfehlt seine Wirkung jedoch nicht: Der Einstieg macht neugierig.

Die Geschichte selbst ist weniger spektakulär, aber interessant genug, um die meist hohe Qualität der Reihe zu halten. Außerdem ist sie ziemlich undurchsichtig, selbst wenn sich erfahrenen Krimizuschauern prompt ein junger Mann als Täter aufdrängt, der sich schon dadurch verdächtig macht, dass er völlig unverdächtig wirkt. Zunächst jedoch entwickelt sich die Handlung in eine ganz andere Richtung: Landau bittet Overbeck, ein Auge auf seine Tochter Juliane (Julia Hartmann) zu haben. Die junge Frau hat gerade ihr Jura-Examen gemacht; der Vater fürchtet, dass sie beim Feiern zu sehr über die Stränge schlagen könnte. Overbeck, bei aller Chuck-Norris-Attitüde stets auch auf den beruflichen Aufstieg bedacht, nimmt den Auftrag gerne an, denn die junge Dame ist ziemlich attraktiv.

Soundtrack: Stretch („Why Did You Do It?”, Titelsong), Kiesza (“Hideaway”), Dr. John (“Right Place Wrong Time”)

Wilsberg – 48 StundenFoto: ZDF / Thomas Kost
Kriminalrat Landaus Tochter Juliane (Julia Hartmann) übernimmt eine Schlüsselrolle in „Wilsberg – 48 Stunden“. Janek Rieke

Als er wieder aufwacht, schaut er in die Pistolenmündung eines Streifenpolizisten: Sein Auto steht irgendwo auf einem Feld, seine Waffe ist weg, und in seiner Hosentasche ist ein Fläschchen mit K.o.-Tropfen zerbrochen. Natürlich geschieht ihm das recht. Overbeck ist ja stets die Lachnummer der Krimis aus Münster, weil er seine Mischung aus Bauernschläue und Bornierthiert für unwiderstehlich hält. Diesmal aber treibt das Buch ein derart böses Spiel mit dem Beamten, dass ihm nur noch jemand helfen kann, der die Regeln zwar beherrscht, sich aber nicht an sie hält; und das ist zu Overbecks Schreck niemand anders als sein Intimfeind Wilsberg. Der Privatdetektiv kommt einem Komplott auf die Spur, in dem der Polizist nur zum Zufallsopfer wurde. Nach 75 Minuten hat der Film seinen Ausgangspunkt erreicht, der in der Wiederholung dank optischer und akustischer Verfremdungen wie ein Alptraum wirkt.

Mindestens so viel Geschick wie der jeweilige Plot erfordert in den „Wilsberg“-Krimis der Umstand, dass das Ensemble jedes Mal angemessen integriert werden muss; Ekki  zum Beispiel soll ja nicht bloß als Autoverleiher herhalten. Und natürlich macht die Mitwirkung der „Wilsberg“-Mitglieder noch mehr Spaß, wenn sich erst am Schluss herausstellt, dass sie – ohne es zu ahnen – die ganze Zeit so maßgeblich beteiligt waren wie diesmal Anwältin Alex als Mitglied der Prüfungskommission der juristischen Fakultät. Müllers Inszenierung kommt nach dem etwas effekthascherischen Auftakt rasch zur Ruhe, sodass sich „48 Stunden“ am üblichen „Wilsberg“-Tempo orientiert, das zwar nicht betulich ist, aber auch nicht so aufregend, wie die interessante elektronische Musik von Dirk Leupolz mitunter nahe legt. Zum Ausgleich gibt es eine ganze Reihe amüsanter Momente, die immer dann besonders effizient sind, wenn Müller sie lakonisch inszeniert und den Effekt bloß durch einen Schnitt erzielt.

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Reihe

ZDF

Mit Leonard Lansink, Oliver Korittke, Ina Paule Klink, Rita Russek, Roland Jankowsky, Julia Hartmann, Janek Rieke, Thomas Huber, Mirko Lang, Tino Mewes

Kamera: Simon Schmejkal

Szenenbild: Oliver Klein

Schnitt: Lucas Seeberger

Musik: Dirk Leupolz

Produktionsfirma: Eyeworks Fiction Cologne

Drehbuch: Timo Berndt

Regie: Dominic Müller

Quote: 6,69 Mio. Zuschauer (22,4% MA); Wh. (2018): 4,38 Mio. (14,8% MA)

EA: 10.10.2015 20:15 Uhr | ZDF

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