Über 6000 Bundeswehrsoldaten sind zurzeit weltweit im Einsatz, davon rund die Hälfte in Afghanistan. Allein am Hindukusch fanden bisher 30 deutsche Soldaten den Tod. Deutschlands militärischer Einsatz für den internationalen Frieden ist ein öffentlich nicht mehr allzu heiß diskutiertes Thema. Nur wenn es Tote gibt, berichten die Medien. Für die Menschen hinter dem Leid und Elend bleibt wenig Raum. Die Auslandseinsätze deutscher Soldaten und ihre Folgen sind bislang noch nicht ernsthaft in einem deutschen TV-Movie behandelt worden. Ausgerechnet Wohlfühlserien-Autor Christian Pfannenschmidt („Girl Friends“) wagte sich mit „Willkommen zuhause“ an den schwierigen Stoff.
Deidesheim 2008. Ben Winter, ein junger Soldat, kehrt nach drei Monaten Afghanistan in seine Heimatstadt zurück. Traumatisiert vom Anschlag eines Selbstmordattentäters in Kabul, bei dem ein Freund und Kamerad ums Leben kam, findet er nicht in sein altes Leben zurück. Er verkriecht sich im Keller, redet kaum, joggt mit schwerem Gepäck durch die Landschaft, schläft wenig, trinkt viel. Zwischendurch schlägt er sogar seinen besten Freund krankenhausreif. „Ich will deinen verdammten Krieg nicht in meinem Haus“, schreit ihn seine Mutter an. „Du bist wie ein Fremder“, sagt seine Freundin und verlässt ihn. Ben benimmt sich wie eine menschliche Zeitbombe. Bruchstückhafte Erinnerungsfetzen lassen ihn ausrasten. Die Katastrophe scheint vorprogrammiert – bis er endlich fremde Hilfe annimmt.
„Ich weiß sehr gut, was mir passiert ist: ich war dabei.“ Mit solchen Worten hält der tragische Held zunächst Ärzte und Psychologen auf Distanz. „Es ist Teil des Krankheitsbildes, dass die Betroffenen ihre Probleme lange Zeit nicht wahrhaben wollen und verdrängen“, so Regisseur Andreas Senn. Das Verdrängen ist Teil jenes Traumas, das als „posttraumatische Belastungsstörungen“ (PTBS) in die Psychologie eingegangen ist und erstmals im Vietnamkrieg für traurige Furore sorgte. 700 Fälle hat die Bundeswehr seit 1996 offiziell behandelt. Die Dunkelziffer ist hoch. „Viele wollen sich eine Erkrankung nicht eingestehen, weil die Betroffenen Angst haben, stigmatisiert zu werden“, so Autor Pfannenschmidt.
Verdrängt wird aber nicht nur das Trauma, sondern auch das traumatische Ereignis. Am liebsten würde Ben Winter gleich wieder zurück nach Afghanistan, um seinen Kameraden beizustehen. Heftige Schuldgefühle plagen ihn. Doch er kann sie nicht begreifen. „Die Betroffenen können den Ablauf der traumatischen Ereignisse nicht mehr in eine zeitliche und kausale Linie bringen“, so Hauptdarsteller Ken Duken. „Die fehlenden Erinnerungsstücke haben damit zu tun, das das Gehirn dazu tendiert, Dinge, die es nicht beeinflussen kann, auszublenden.“ Der 29-jährige Jungstar, der gern als deutscher Brad Pitt gehandelt wird, hat sich in die schwere Rolle rein gefressen: er hat Therapieeinrichtungen für Soldaten besucht, viel gelesen, Videos studiert. Es ist beeindruckend, wie er das Seelenleid in Bilder fasst: leise die Stimme, leer der Blick, gestört das Verhalten. Der Krieg schießt Ben immer wieder in den Kopf. Es sind Bilder, Vibrationen, Geräusche, die ihn zurückversetzen. Rückblenden geben dem Zuschauer sinnliches Futter für die tiefe Depression des Helden.
„Wir wollten zeigen, was ein Auslandseinsatz im Leben eines Soldaten anrichten kann“, beschreibt der Regisseur die Intention des Films. Für „menschliche Politik“, die stärker die Perspektive der Betroffenen einnimmt, plädiert der Hauptdarsteller. „Willkommen zuhause“ ist ein diskussionsträchtiger, thematisch längst überfälliger Film. Es ist ein Film, der aus der Reihe tanzt (auch was den Sendeplatz angeht), ein ungewöhnlicher Film mit einer ungewöhn-lichen Programmierungsgeschichte. Drei Mal war er schon angesetzt. Fußball, Obama und Kerkeling verzögerten die Premiere dieser ebenso wichtigen wie gut gemachten SWR-Produktion. Statt des anvisierten Drehorts Marokko ließ Andreas Senn die Afghanistan-Szenen in einer brandenburgischen Kiesgrube entstehen. Es sind ausdrucksstarke Bilder entstanden, Bilder, die sich einbrennen ins Gedächtnis. (Text-Stand: 2.2.2009)
Foto: SWR / 3sat / Andreas Böhmig