Ein Paar, Anfang Mitte 60. Sie, Rita, wünscht sich nichts sehnlicher, als auf dem Land zu leben. Ihm, Leo, ist allein schon die Vorstellung ein Graus, als Wessi in einem Dorf in MeckPomm zu leben. Da kann das Anwesen noch so idyllisch (gelegen) sein. Nicht ganz uneigennützig erfüllt Leo schließlich doch Rita ihren Herzenswunsch. Der Motivationstrainer hofft, mit dem Umzug eine Filiale seiner Unternehmensberatung übernehmen und damit seinen Ruhestand hinauszögern zu können. Aber seine Rechnung geht nicht auf. Seine Firma schickt ihn aufs Altenteil. Am Ende „trainiert“ Leo eine handvoll Langzeitarbeitsloser. Weil er keine Lust darauf hat, sich an der Seite seiner besseren Hälfte als Hobbygärtner zu versuchen, lässt er Rita in dem Glauben, noch immer bei seiner alten Firma in Lohn und Brot zu stehen. Akklimatisierungsprobleme gibt es auch im Privatleben der beiden. Die Dorfgemeinschaft beäugt die zugereisten Berliner misstrauisch. Die Mentalitäten sind grundverschieden. Und dann steht plötzlich Leos Tochter, mit der er zuletzt kaum noch Kontakt hatte, vor der Tür – und lädt seine Enkelin Elisa für die Sommerferien ab. Rita ist begeistert, Leo weniger…
Foto: ZDF / Conny Klein
„Willkommen auf dem Land“ ist eine leicht süffisant, wunderbar flüssig von Tim Trageser inszenierte Sommer(tragi)komödie über zwei abgeklärte Wessis, die im Ossiland stranden. Im Mittelpunkt ein in die Jahre gekommenes Paar: Jeder träumt sich in eine andere Richtung – gemeinsam ist beiden allein die Sorge um ihren Feriengast, Leos Enkeltochter. Szenen, die zeigen, wie schwer es ist, mit den Dörflern warm zu werden, so sehr sich die weibliche Hauptfigur auch bemüht, wechseln ab mit Szenen aus dem Jobcenter-Seminar. Während Leo den vermeintlich „hoffnungslosen Fällen“ die Opferrolle abtrainieren will, kann er sich von seinem Nachbar, auch er einer der von ihm betreuten Langzeitarbeitslosen, in Sachen handwerkliche Begabung etwas abgucken. Autorin Laila Stieler lässt in ihrer Geschichte so einiges augenzwinkernd zusammenwachsen (oder zusammenrücken) – und zwar mehr als Ossis und Wessis. Da sucht eine Frau aus der Stadt, die ihrem Mann jahrelang der Karriere wegen durch deutsche Metropolen gefolgt ist, das Glück auf dem Land, das sie an ihre Kindheit erinnert. Sie sucht aber auch Familienanschluss, sie sucht Nähe und Geborgenheit, weil sie nie Kinder haben konnte. Ihr Mann hatte offenbar einmal Familie – und eine Tochter, die nicht so war, wie er sie sich vorgestellt hatte. Als sie den Drogen verfiel, schmiss er sie aus dem Haus. Geblieben ist auf ihrer Seite der Schmerz darüber, es ihrem Vater nie recht machen zu können. Und der ist offenbar darüber immer noch gekränkt. Mit seiner Rita ist aber auch alles weniger optimal, als es auf den ersten Blick aussieht. So viele Heimlichkeiten, so viele Lügen. Es dauert lange, bis er ihr sagt, dass sie einfach (fast) zu perfekt für ihn ist.
Der Film erzählt all seine Geschichten und psychologischen Motive gleichwertig nebeneinander. Die Dramaturgie ist allein dem Alltag abgelauscht. „Willkommen auf dem Land“ ist eine Komödie aus dem Geist seiner Charaktere. Und das fordert die Schauspieler: ob Drama, Krimi, Komödie – an Senta Berger kann man sich einfach nicht satt sehen und Günther Maria Halmer darf endlich mal wieder jene Zwischentöne anschlagen, die ihm in den Degeto-Produktionen oft verwehrt bleiben. Launige Pointen, lebenskluge Gags & Gespräche mit bitterem Beigeschmack durchwirken gleichsam die Handlung. Durch genaue Beobachtung der Situationen und das Aufeinanderprallen von Vorurteilen und falschen Vorstellungen werden wohlfeile (Sozial-)Klischees lustvoll aufgebrochen. Stieler erzählt frisch von der Leber weg – ohne Genrevorgaben und entsprechend ohne allzu dicken finalen Zuckerguss. Anflüge von Melancholie werden leichtfüßig umschifft. Eine erwachsene Komödie also, die keine perfekte Form sucht und in der nicht alles auf Effektivität getrimmt ist. Die Informationsvergabe für den Zuschauer verläuft vielmehr wie im Leben. Alles wirkt ein bisschen zufällig. Aber gerade das besitzt in seiner Leichtigkeit einen wundervollen Charme. (Text-Stand: 16.6.2013)