Es ist Sommer 1950 und Liesbeth hofft noch immer, dass ihr Max aus dem Krieg heimkehrt. Bei jedem Zug, der aus Russland in die Schwarzwaldgemeinde einfährt, steht sie am Bahnhof. Auch fünf Jahre später, als die letzten Kriegsgefangenen kommen, steht sie wieder da, jetzt allerdings ist sie nur noch Magd auf dem Steinerhof. Sie und ihr Sohn Josef waren all die Jahre nicht mehr als geduldet auf dem Erbhof, anerkannt als Maxens Frau und damit als Bäuerin und rechtmäßige Erbin wurde sie nicht.
Und plötzlich steht er vor ihr: Max, mit dem sie gerade mal zwei Wochen verheiratet war, bevor er zum Fronteinsatz musste. Die Wiedersehensfreude ist überdeckt von Unsicherheit. Die beiden sind sich einander fremd. Sie kannten sich kaum, als sie sich das Ja-Wort gaben. Aber auch Schwester Margarethe, die den Hof die Jahre geführt hat, und die Dörfler erkennen Max zwar äußerlich, aber er benimmt sich seltsam. Aus dem rücksichtslosen Burschen ist ein belesener Mann geworden. Hat ihn der Krieg zu innerer Einkehr veranlasst oder ist es gar nicht Max? Für Margarethe und ihren Mann Georg, für Max und Liesbeth geht es gleichermaßen um die Existenz. Denn gemeinsam „wirtschaften“ ist nicht vorgesehen.
Wie erzählt man heute einen Film über die späten Heimkehrer aus der russischen Gefangenschaft? Wie vermittelt man Menschen, die keinen unmittelbaren Bezug mehr zum Zweiten Weltkrieg haben, was das Warten auf den Liebsten, was die Hoffnung auf ein besseres Leben bedeutete in den frühen 50er Jahren? Die heimgekehrten Männer waren ausgemergelt, verändert, versehrt an Körper und Seele. Wie zeigt man das, ohne zu verharmlosen, aber auch ohne den Zuschauer emotional zu überfordern? Wie bearbeitet man die Themen jener Jahre wie die Verdrängung und die Vorurteile gegenüber dem Fremden, das Ausblenden der Kriegserlebnisse und der Nazi-Zeit?
Autor Thomas Kirchner gelingt es, das alles in seiner einfachen und doch mit einer cleveren Wendung im Schlussteil des Films aufwartenden Geschichte mitschwingen zu lassen. Er und Niki Stein zeichnen über die historischen Fakten hinaus Charaktere mit einer individuellen Geschichte, die auch für sich zu packen wissen. Sie zeigen, dass Geschichte nur selten gerecht ist. Und sie zeigen, dass die erzählte Geschichte von Liesbeth, Max und Margarethe zwischenzeitlich auch nicht immer gerecht ist.
Foto: SWR / Peter Hollenbach
Nach „Bis nichts mehr bleibt“ spielen Silke Bodenbender und Nina Kunzendorf schon wieder gemeinsam in einem Film – und beide sind in bestechender Form: zwei Frauen, die ihren Mann stehen in einer Zeit, in der die starken Männer in Deutschland selten sind. Bodenbender zieht alle Sympathien auf ihre Seite. Ihre Liesbeth zweifelt daran, dass dieser Kriegsheimkehrer ihr Max ist: „Du bist der Max, von dem ich all die Jahre geträumt habe. Ich will nicht aufwachen“, sagt sie. Man spürt, was das heißt. Kunzendorfs Margarethe hat wenig Grund zum Träumen. Sie hat Verantwortung in schweren Zeiten – das macht ein herbes Miststück aus ihr. Die Verletzlichkeit ist ihr dennoch ins Gesicht geschrieben. Auch Peter Davor spielt großartig – und bringt seinen Kriegsheimkehrer psychologisch sicher und vor allem glaubwürdig über die Umschwünge der Story. Entwurzelt sind sie alle. Aber ihm fehlt jegliche Vertrautheit im Umgang mit Land und Gesetzen.
Fazit: „Wiedersehen mit einem Fremden“ ist kein leichter Film. Weder für die Schauspieler und Macher noch für die Zuschauer. Und doch ist dieser Film nie wirklich anstrengend. Stets weckt die Handlung das Interesse, machen die Charaktere neugierig. Und die Suche nach Heimat schwebt über allem: ein Neuanfang ohne Lüge, dafür mit Liebe.