Sie haben nur eines im Sinn: die Münchner U- und S-Bahnen mit ihren gigantischen Graffitis zu überziehen – und damit der grauen Großstadtlandschaft ihren individuellen bunten Stempel aufzudrücken. Denn im normalen Leben haben David, Tino, Elyas und Achim nicht viel zu lachen. Zukunftsperspektive gleich null, das Geld ist knapp, die Gang das Wichtigste. Einer ist wegen wiederholter Sachbeschädigung auf Bewährung, ein anderer vernachlässigt seine Pflichten als Vater und richtet immer nur Chaos an – und alle vier haben ständig massiven Stress mit den Bullen. Und dann sind da noch die konkurrierenden Sprayer-Crews – auch die schlafen nicht. „Krasses Teil, jeder hat’s gesehen“, kommentiert Tino einen vorbeirollenden „Wholecar“. Die Antwort kann da nur heißen: „Wir machen einen Wholetrain“. Also geht es nachts ins S-Bahn-Depot, die Sporttasche voll mit Sprühdosen, Strumpfmasken über den Köpfen und Adrenalin im Blut. „Deine Crew ist Old School“, hatten andere gelästert. Also heißt es jetzt, das Gegenteil zu beweisen. Doch auch die Zivilfahnder schlafen nicht.
Soundtrack:
KRS One feat. El da Sensei („Wholetrain“), Grand Agent („Crazy Visions“), O.C. („My Craft“), Akrobatik („Slow Burna“), Afu Ra („Do you want it“), Aero One feat. Roger Rekless („Wholecar“), Planet Asia („My Name“), Reef the Lost Cauze („Infamous“), El da Sensei („Stayin‘ up“), Chief Kamachi („Heavy Hands“) Tame One („Graffic Traffic“)
„Wholetrain“ ist wie kaum ein anderer deutscher Film der letzten Jahre in der Jugendkultur verhaftet. Man hat in den 82 Minuten das Gefühl, mitten hinein in die Sprayer-Szene zu geraten. Diese mittlerweile fast untergegangene Subkultur wird dem Zuschauer geradezu physisch verabreicht. Die dokumentarische Anmutung, das hohe Tempo, das diese Kino-Koproduktion des „Kleinen Fernsehspiels“ von der ersten Minute an aufnimmt, die perfekte Kombination von Bild und Ton, das Sprayen und Schneiden im Rhythmus des Hip-Hop, woraus sich eine enorme Dynamik entwickelt, sind die großen Qualitäten des Films von Florian Gaag. Die Kamera, die Bildmontage, die Züge, der Soundtrack, die Schauspieler, der Rhythmus der Großstadt: Bewegung ist alles in diesem auch emotional mitreißenden Film – alles ist Bewegung in diesem urbanen Szene-Porträt mit seinen geradezu synästhetischen Wirkungen. Was die Hauptfiguren auszeichnet, das zeichnet auch die Macher dieses mehrfach preisgekrönten Films aus: Kreativität und „Credibility“. Und im Einzelnen sind es Stilwille und geradezu artistische Kunstfertigkeit, die dem Leben seinen Sinn geben. Dabei werden die vier jungen Männer nicht zu sprühenden Großstadt-Cowboys, die sich frei sprayen, stilisiert. Für Romantik bleibt immer weniger Raum – in der Realität wie im Film. Für gute Gefühle sorgt am Ende allein der „Wholetrain“, der in der Hauptsache durch Warschau rattert. Die Deutsche Bahn hatte sich von diesem Filmprojekt distanziert: keine Dreh- und Spray-Genehmigung!