Von Erholung war nie die Rede

Sawatzki, Milberg, Halmer, Winter, Löbau, Wied, Naefe. Wer gut unterhält hat recht

Foto: ZDF / Britta Krehl
Foto Tilmann P. Gangloff

Der Film beginnt mit einer Rückblende, die Handlung besteht aus vielen bekannten Versatzstücken, die Figuren sind klischeehaft, und überhaupt wirkt „Von Erholung war nie die Rede“ wie ein Remake des gleichfalls nach einem Roman von Andrea Sawatzki entstandenen Lustspiels „Tief durchatmen, die Familie kommt“; mit dem Unterschied, dass der zweite Film nicht an Weihnachten, sondern im Sommer auf Mallorca spielt. Man kann das alles aber auch ganz anders sehen: und dann ist der Film eine abwechslungsreiche, toll besetzte und famos gespielte Boulevardkomödie, die mit ihrem Gagfeuerwerk enorm gute Laune macht.

Keine Frage, den Humor muss man mögen: Für die einen war die Komödie „Tief durchatmen, die Familie kommt“ ein großer Spaß über eine Frau am Rand des Nervenzusammenbruchs, die sich an Weihnachten mit ihrer verschrobenen egozentrischen Verwandtschaft herumärgern muss. Für die anderen waren die Figuren zu kleinkariert, die Scherze zu plump, die Schauspieler übertrieben und die Botschaft arg konservativ. Ähnliches gilt auch für die Fortsetzung „Von Erholung war nie die Rede“, ebenfalls nach einem Roman von Andrea Sawatzki, und wer den ersten Film mochte, darf sich erneut auf ein wahres Gag-Feuerwerk und ein wunderbar zusammengestelltes Ensemble freuen. Diesmal verschlägt es Familie Bundschuh nach Mallorca. Susanne (Judy Winter), die Schwiegermutter der Heldin, eröffnet dort demnächst eine Boutique und hat die gesamte Sippschaft eingeladen, damit sie ihr bei der Renovierung des Ladens hilft; das offenbart sie aber erst nach der Ankunft.

Von Erholung war nie die RedeFoto: ZDF / Britta Krehl
Gerald (Milberg) kann mit Frau Alvarez (Jana J. Leipziger) sportlich nicht mithalten. Aber er scheint dennoch seinen Spaß zu haben. Ähnlich wie die Zuschauer:innen.

Ansonsten bleiben sowohl Sawatzkis Vorlage wie auch das Drehbuch – die Roman-Adaption besorgte wieder Mathias Klaschka – dem Muster aus Teil eins treu: Gundula versucht krampfhaft, eine gute Frau und Mutter zu sein und alle kleinen und großen Katastrophen wegzulächeln. Ehemann und Schlagerfreund Gerald (Axel Milberg) ist vollauf zufrieden mit seinem stillen Dasein als Finanzbeamter und hat sich damit abgefunden, von seiner Gattin wie ein großes Kind behandelt zu werden. Eine genüssliche Persiflage ist Gundulas Bruder Hans-Dieter, genannt Hadi (Stephan Grossmann), der als wehleidiger Hypochonder völlig lebensuntauglich und entsprechend erfolgloser Autor von Ratgeberbüchern ist. Ähnlich karikiert ist seine Frau, von Eva Löbau wie schon öfter mit prägnantem Schwäbisch versehen: Rose ist ein verhuschtes Mauerblümchen, das mit Hilfe einer vorgetäuschten Schwangerschaft gegen die subtile Unterdrückung durch den Gatten aufbegehrt, um endlich auch mal etwas Aufmerksamkeit zu bekommen. Das Paar ist eine wunderbare Satire auf jene Zeitgenossen, die ihre Mitmenschen in Sachen Ernährung und Spiritualität zu missionieren pflegen. Abgerundet wird das Ensemble durch die Eltern: Die im Weihnachtsfilm noch ausgesprochen trinkfreudige Susanne ist vorübergehend trocken, hat sich einen ehemaligen Golfprofi angelacht und sorgt mit intimen Details aus ihrem Liebesleben für peinliche Momente. Gundulas dementer Vater Edgar (Günther Maria Halmer) erlebt auf Mallorca einen unverhofften zweiten Frühling und benimmt sich gegenüber seiner nachgereisten Frau wie ein verliebter Teenager. Ilse, die als einziges Familienmitglied erbarmungslos alle Wahrheiten ausspricht, ist im ersten Film von Christine Schorn verkörpert worden, aber Thekla Carola Wied ist für den Rollentypus „Haare auf den Zähnen“ mindestens genauso gut besetzt.

Von Erholung war nie die RedeFoto: ZDF / Britta Krehl
Zerreißprobe Urlaub. Beziehungen sind in der schönsten Zeit des Jahres hochgradig gefährdet. Das müssen auch die Bundschuhs feststellen. Axel Milberg, Claudio Schulte, Andrea Sawatzki, Günther Maria Halmer & Amber Marie Bongard (v.l.n.r.)

Natürlich kann man einwenden, dass die Figuren ausnahmslos übertrieben und sämtliche Szenen auf den jeweiligen Schlussgag hin komponiert sind; außerdem mutet der zweite Film wie ein Remake des ersten an, nur dass sich die Handlung nicht an Weihnachten, sondern im Sommer auf Mallorca zuträgt. Aber wenn man „Von Erholung war nie die Rede“ als Boulevardkomödie akzeptiert, in der es um nichts anderes als heiteren Zeitvertreib geht, bietet der Film ein regelrechtes Feuerwerk an komischen Momenten. Die Dialoge sind ein großer Spaß, zumal die Schauspieler nicht den Fehler begehen, die Situationskomik auch noch mimisch zu unterfüttern; die Bosheiten werden mit voller Kränkungsabsicht vorgetragen. Die besten Einzeiler hat allerdings die unglücklich verliebte halbwüchsige Tochter Ricarda (Amber Bongard). Ähnlich gut funktionieren die Slapstickmomente. Die Missgeschicke mögen jeweils für sich genommen nicht sonderlich originell sein, aber in der Häufung ist es einfach witzig, wenn Gundula in dem leicht maroden Hotel erst den Vorhang samt Stange in der Hand hat, dann das Bett unter Gerald zusammenbricht und schließlich, der Klassiker, die Dusche ausgerechnet dann ihren Geist aufgibt, als Gundula Shampoo in den Haaren hat. Wer das nicht lustig findet, wird sich auch über die Scherze auf Kosten des dementen Edgar mokieren, der nackt in der Telefonzelle steht und darauf wartet, dass Wasser aus dem Hörer kommt. All’ das kann man für Klamotte halten, aber es ist einfach gut gespielt. Gerade Milberg versieht seinen Gerald mit genau der richtigen Körpersprache, und Halmer hat sichtbar Freude an der Mischung aus Liebenswürdigkeit und Verwirrtheit, mit der Edgar immer wieder für Überraschungen sorgt. Einzig Sawatzki grimassiert etwas viel, aber sie spielt nun mal die Rolle des dummen August, der stets das Beste will und dem doch alle richtig übel mitspielen.

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„Itsy Bitsy Teenie Weenie Honolulu-Strand-Bikini“ – Schlagerfan Gerald (Axel Milberg) und Frau Alvarez (Jana Josephina Leipziger) sind beim Karaoke nicht zu bremsen.

Wie in vielen Geschichten dieser Art kommt auch Gundula schließlich an einen Punkt, an dem sie überzeugt ist, schlimmer könne es nicht mehr kommen, und selbstredend gilt auch für „Von Erholung war nie die Rede“ die Devise: schlimmer geht immer. Mit diesem Tiefpunkt – Gundula hockt ziemlich zerzaust zwischen einigen Schafen auf der Ladefläche eines Kleinlasters – beginnt die Komödie, um dann wie derzeit mindestens jeder zweite Fernsehfilm zum Beginn der Reise zurückzublenden. Gundula ist nach der Ankunft auf Mallorca „komplett tiefenentspannt“, bis sie feststellt, dass Edgar verschwunden ist. Nach diesem „Ruhe vor dem Sturm“-Muster ist praktisch jede Szene strukturiert. Das kann man für ebenso unoriginell halten wie Gundulas Lästerei über Hadi und Rose, die just in diesem Moment hinter ihr auftauchen, aber die Inszenierung von Vivian Naefe, die auch bei „Tief durchatmen, die Familie kommt“ Regie geführt hat, wischt den Einwand, der Film sei doch bloß eine Aneinanderreihung bekannter Versatzstücke, einfach beiseite; allein die Vielzahl misslungener Komödien dieser Art belegt, wie schwierig das vermeintlich leichte Fach ist. Zudem sind gerade die ehelichen Auseinandersetzungen gnadenlos zutreffend aufgespießt; diverse Söhne und Töchter werden sich amüsiert fragen, woher Klaschka ihre Eltern kennt. Neben den erwartbaren Scherzen gibt es auch einige gelungene Überraschungen, allen voran Geralds großer Auftritt im Glitzerjackett: Die hübsche Empfangsdame Sofia (Jana Josephina Leipziger) entpuppt sich als Schwester im Geiste, was die musikalischen Vorlieben angeht, und erfüllt ihm einen Jugendtraum, als sie gemeinsam mit ihm in einer Karaoke-Bar eine in der Tat mitreißende Version von Caterina Valentes Schlagerklassiker „Itsy Bitsy Teenie Weenie Honolulu-Strand-Bikini“ zum Besten gibt. (Text-Stand: 19.4.2017)

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Fernsehfilm

ZDF

Mit Andrea Sawatzki, Axel Milberg, Günther Maria Halmer, Judy Winter, Stephan Grossmann, Eva Löbau, Thekla Carola Wied, Amber Bongard, Uwe Ochsenknecht, Jana Josephina Leipziger

Kamera: Peter Döttling

Szenenbild: Alexander Scherer

Kostüm: Teresa Grosser

Schnitt: Marco Baumhof

Musik: Martin Probst

Soundtrack: Bo Saris („She’s On Fire“), Julio Iglesias (“Quiereme Mucho”), Holly Golightly (“Black Night”)

Produktionsfirma: Ziegler Film

Drehbuch: Mathias Klaschka – Romanvorlage: Andrea Sawatzki

Regie: Vivian Naefe

Quote: 5,19 Mio. Zuschauer (18% MA); Wh. (2020): 4,72 Mio. (16,7% MA)

EA: 25.05.2017 20:15 Uhr | ZDF

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