Das Timing ist denkbar schlecht. Gerade will sich Anja auf einen neuen Partner einlassen, da wird ihr Ehemann Thomas aus der Psychiatrie entlassen. Sie hat lange vergebens gehofft, dass alles wieder so werden könnte wie früher. Jetzt hat sie ein schlechtes Gewissen, weil sie nicht länger gewartet hat auf die große Liebe ihres Lebens. Thomas möchte wieder zurückfinden ins normale Leben und er bittet Anja, ihm dabei zu helfen. „Ich werde nichts durcheinander bringen“, verspricht er. Doch das Leben der Wegeners ist bereits völlig durcheinander geraten – nachdem Thomas vor vier Jahren das Haus der Familie in Brand setzte und in der Folgezeit jeden Kontakt zu seiner Frau und den Kindern abbrach.
„Vertraute Angst“ ist ein Psychodrama, das Elemente des Thrillers variiert, ohne den Zuschauer dabei allzu sehr mit Genreklischees zu behelligen. „Ich wollte vor allem einen dramatischen Konflikt packend erzählen“, so Autor Wolf Jakoby, „der Film ist keine ausdifferenzierte wissenschaftliche Studie einer Krankheit.“ Dennoch stand am Anfang der Geschichte ein Krankheitsbild: die so genannte akute schizoide Psychose. „Eine solche Psychose ist wie eine aufplatzende Blase in der Seele eines Menschen, der Stress und Anspannung ignoriert und immer weiter in sich aufstaute“, umschreibt Jakoby die Krankheit, die urplötzlich ausbrechen kann. Zehn Stunden – und zehn Jahre Glück sind nichts mehr wert. „Thomas hat sich auf eine unmerkliche Weise in eine grundsätzliche Überforderung hineinmanövriert“, so sein Darsteller Matthias Brandt. Allen wollte er es recht machen: er wollte ein guter Ehemann, ein guter Vater und ein guter Schwiegersohn sein und auch im Beruf wollte er die mangelnde Ausbildung mit Einsatz wettmachen. „Er selbst war am meisten über seinen Ausraster erschrocken“, interpretiert Brandt seine Figur. Deshalb schottete er sich vier Jahre völlig ab. Er wollte sein Handeln erst verstehen, bevor er seiner Familie wieder begegnete. Dennoch bleiben Fragen: Ist Thomas für immer geheilt? Kann Anja ihm die Kinder anvertrauen? Oder wird er die Familie erneut ins Unglück stürzen?
Der Film, den Christiane Balthasar auch ohne Blutvergießen und ohne die obligatorische Küchenmesserszene sehr spannend in der Schwebe hält zwischen allen Möglichkeiten, die die Genres Drama und Thriller bieten, gefällt als Psychokammerspiel, das von zwei großartigen Schauspielern getragen wird. Johanna Gastdorf als verunsicherte Mutter, die schneller als erwartet die Nähe zu ihrem Mann sucht, besticht mit leisem, nachdenklichen Spiel, zwischen Hoffnung und Angst, Abweisung und Selbstzweifel. „Hinter den Augen spielen“ nennt sie ihre Methode. Auch Brandt beherrscht sie wie kaum ein anderer Schauspieler hierzulande. Ohne zu viel zu verraten: auch ideologisch vergaloppiert sich der Film nicht. Des Volkes Stimme verstummt gottlob im Verlauf der Handlung. Und die landläufigen Vorurteile über Psychiater und Psychologen werden nur gelegentlich zum Wohle der Unterhaltung geschürt. Zunehmend in den Fokus rückt stattdessen das universale Thema Vertrauen. Jakoby: „Der Film soll deutlich machen, dass Vertrauen ein ebenso kostbares wie zerbrechliches Gut ist.“