Utta Danella – Lügen haben schöne Beine

Gehlen, Licht, Studt, Eitner, Thomas Kronthaler. Und Karrierefrauen küsst man doch!

Foto Tilmann P. Gangloff

Man mag es bedauern oder nicht, aber mit Utta Danella hat diese Liebesgeschichte nichts zu tun. „Lügen haben schöne Beine“ wirkt zwar zunächst wie ein klassischer Freitagsfilm, erzählt dann aber in unterhaltsamer Verpackung vom möglichen Rollentausch rund um Kinder und Karriere: Eine gutbezahlte Managerin verliebt sich in einen armen Schlucker, aber kommt nicht damit klar, dass sie Kleider besitzt, die seinem Monatsgehalt entsprechen. Clever, wie das Buch die Dramaturgie nutzt, die Positionen des aktuellen Themas auszuleuchten.

Titel und Einstieg wirken wie ein Rückfall in frühere Jahre, als die ARD mit den Produktionen ihrer Filmtochter Degeto freitags kleine Fluchten aus dem Alltag garantierte: Die äußerst erfolgreiche, aber auch ziemlich alleinstehende Wirtschaftsmathematikerin Kathrin (Johanna Christene Gehlen) hätte gern einen Mann, mit dem sie eine Familie gründen kann. Weil die Kerle allesamt einen Rückzieher machen, sobald sie erfahren, dass Kathrin im gehobenen Management arbeitet und entsprechend viel Geld verdient, gibt sie sich beim Speed-Dating als Krankenschwester aus. Der attraktive Andi (Tobias Licht) stellt sich als Anwalt vor, womit das vermeintlich natürliche soziale Gefälle seine Ordnung hat. Nach nicht mal zehn Filmminuten gibt es den ersten Kuss, gefolgt von einer gemeinsam verbrachten Nacht, und während man sich noch fragt, was Stephanie und Thomas Kronthaler (auch Regie) wohl in der restlichen Zeit erzählen werden, findet Kathrin durch Zufall heraus, dass auch Andi bei seiner Berufsangabe geschwindelt hat: Er ist Gärtner; und nun beginnt ein kurzweiliges Auf und Ab, in dessen Verlauf das Drehbuch die Geschichte quasi immer wieder neu erzählt.

Die ursprüngliche Idee stammt von Stefanie Straka. Mit Utta Danella hat der Film rein gar nichts zu tun, was kein Nachteil sein muss, denn der Name der im Sommer verstorbenen Bestsellerautorin ist untrennbar mit der „alten“ Degeto verbunden; es gab zwar hin und wieder auch Ausreißer nach oben, doch meist entsprachen die Liebesgeschichten dem Schmonzettenklischee. „Lügen haben schöne Beine“ aber ist anders, denn letztlich geht es um ein hochaktuelles Thema. Auch wenn der Begriff „gläserne Decke“ nicht fällt, läuft die Geschichte darauf hinaus, dass Frauen nicht nur deutlich mehr leisten müssen als Männer, um die gleichen Aufstiegschancen zu bekommen; sie können sich von der Karriere auch gleich wieder verabschieden, wenn sie Kinder haben wollen, weil deren Väter nicht bereit sind, beruflich zurückzustecken. Das Drehbuch erzählt somit in unterhaltsamer Verpackung exakt das, was gerade die vor allem auf ein weibliches Publikum ausgerichteten Sendeplätze nur selten zu bieten haben: eine starke sympathische Frau, die mit Hilfe eines solidarischen Mannes ohne schlechtes Gewissen Beruf und Familie unter einen Hut bringen will.

Utta Danella – Lügen haben schöne BeineFoto: Degeto / Marco Meenen
Kathrin (Johanna Christine Gehlen) holt die Einschätzung ihrer besten Freundin (Katja Studt) ein.

Soundtrack:
Avicii („Wake Me Up“), Daft Punk („Get Lucky“), FM Laeti (“Show Me The Way”), Leela James (“Let’s Do It Again”), Bob Marley (“One Love”)

Zunächst ärgert sich Kathrin jedoch viel zu sehr über Andis Schwindelei. Deshalb nimmt sie sich vor, ihm den Kopf zu verdrehen und ihn dann abzuschießen, was sie auch tut – stilvoll per SMS; dies ist quasi das Ende des zweiten Aktes. Der dritte beginnt mit der Erkenntnis, dass Andi ihr fehlt. Endlich kommen die Karten auf den Tisch, die Beziehung fängt noch mal bei Null an, aber nun ergibt sich ein anderes Problem: Kathrin ist es gegenüber ihren Kollegen peinlich, dass Andi „nur“ Gärtner ist. Es kommt zur erneuten Trennung, der eine weitere Versöhnung folgt, diesmal mit gemeinsamem Kinderwunsch; aber nun ist es Andi, der sich neben der vermögenden Kathrin, die Kleider in Höhe seines monatlichen Gehalts besitzt, klein und schäbig vorkommt, zumal sich ihre Kollegen wie befürchtet das Maul über ihn zerreißen.

Entscheidend für die dramaturgische Plausibilität dieser emotionalen Achterbahnfahrt sind die Nebenfiguren. Johanna Christine Gehlen und Tobias Licht sind eine gute und glaubwürdige Besetzung, weil ihre strenge Attraktvität ebenso gut zu Kathrin passt wie Lichts markante Männlichkeit zu Andi. Aber die nötige Tiefe erhalten die beiden Hauptrollen erst durch die Menschen, die sie mit der Nase auf ihr Glück stoßen müssen: Katja Studt spielt Kathrins Schwester, die eigentlich Kieferorthopädin ist, aber nur halbtags arbeiten kann, weil ihr Mann (Felix Eitner) nicht bereit ist, in seinem Beruf Abstriche zu machen. Bei Andi sind es sein Freund und Kollege Norbert (Michael A. Grimm) sowie seine Schwester (Sabine Menne), die ihm regelmäßig den Kopf waschen… Da Kathrins nackte Beine nie zu sehen sind, bleibt der Titel eine unbewiesene Behauptung, aber er ist natürlich ebenso ein Köder wie der Name Utta Danella; das einstige Stammpublikum des Freitagsfilms fremdelt noch ein wenig mit der neuen Degeto-Philosophie. Der Arbeitstitel „Küsse & Karriere“ war allerdings auch nicht besser.

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Reihe

ARD Degeto

Mit Johanna Christine Gehlen, Tobias Licht, Katja Studt, Felix Eitner, Sabine Menne, Michael A. Grimm, Hanno Friedrich, Christian Heiner Wolf, Michael Brandner

Kamera: Christoph Oefelein

Szenenbild: Antonia Wagner

Schnitt: Sebastian Schlender

Musik: Martin Unterberger

Produktionsfirma: Bavaria Fernsehproduktion

Drehbuch: Stephanie Kronthaler, Thomas Kronthaler

Regie: Thomas Kronthaler

Quote: 3,78 Mio. Zuschauer (12,3% MA); Wh. (2017): 3,77 Mio. (13,4% MA)

EA: 20.11.2015 20:15 Uhr | ARD

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