Dr. Prohacek und Kollege Langner müssen mal wieder raus aus München. Der Frieden ist gestört in Wallersdorf, seitdem der mehrfach vorbestrafte Sexualstraftäter Friedrich Schmolzer aus der Sicherheitsverwahrung entlassen werden musste und bei seinem Bruder und dessen Familie untergekommen ist. Ausgerechnet in dem Ort, in dem er einst junge Frauen vergewaltigt hat. In einer Nacht-und-Nebelaktion brennen bei einem Polizeibeamten die Sicherungen durch: Walter Maiberger schlägt und tritt auf Schmolzer ein. Passanten sind Zeugen, wollen hinterher aber nichts gesehen haben. Auch Maiberger leugnet seine Tat. Die Stimmung ist aufgeladen – Mahnwachen, lautstarke Proteste, Handgreiflichkeiten. Die Bevölkerung sieht sich zu wenig geschützt; das LKA hat seine Beamten abgezogen. In den Ministerien herrscht helle Aufregung. Selbstjustiz bei der Polizei – das lässt sich selbst in diesem Fall schwerlich gut „verkaufen“. Bei solchen politischen Verstrickungen fällt es auch der internen Ermittlerin nicht immer leicht, klaren Kopf zu bewahren. Dann legt Maiberger doch noch ein Geständnis ab und wird vom Dienst suspendiert. Wenig später ist er tot.
Ein furioser Einstieg. Dreieinhalb Minuten. Ein Täter, der zum Opfer wird in einer Situation, in der ein Opfer (wie man später erfährt) sich zum „Richter“ aufschwingt und damit selbst zum Täter wird. In diesem vielschichtigen Opfer-Täter-Spannungsfeld bewegt sich der Film auch die kommenden 85 Minuten. „Ohne Vergebung“ aus der Reihe „Unter Verdacht“ beginnt stark. Stefan Holtz und Florian Iwersen sensibilisieren für die verschiedenen Haltungen, ohne in Ausgewogenheitsschmus zu verfallen. Die Autoren zeigen, wie schwer es ist, eine Position zu beziehen: Der Mob-artige Hass der Bevölkerung ist das eine, die Nähe dieser Menschen zu den Opfern ist das andere. Und auch der verurteilte Triebtäter ist nicht nur das beschützenswerte Opfer. Hinzu kommt die politische Ebene – ein Hauen, Stechen, Intrigieren, bei dem der entmachtete Dr. Reiter bald wieder die Strippen zieht. Dieser Krimi aus der weißblauen Provinz ist packend und spannend und das, obwohl er offenbar ganz ohne Mord auskommt.
Foto: ZDF / Erika Hauri
Im Schlussdrittel schießen dann allerdings die Autoren über das Ziel hinaus. Die trotz der zahlreichen Wendungen bislang als stimmig realistisch empfundene Handlung mit ihren aufregenden Wendungen bewegt sich zunehmend – höchst Dr.-Prohacek/Senta-Berger unpassend – in Richtung Räuberpistole, und auch die Fäden der Konstruktion sind nicht mehr länger zu übersehen. Dass Langner ins Koma fällt, entpuppt sich weniger als dramatischer Effekt, sondern vielmehr als dramaturgischer „Trick“, um die Heldin zu schwächen und Reiter wieder ins Spiel zu bringen. Und der Showdown bewegt sich in seiner Banalität am Rande der Lächerlichkeit. Die Politik bringt dann wieder die gebührende Ernsthaftigkeit (obwohl diese Politik eine Farce ist) in die dramatisch und psychologisch starke Geschichte zurück, die nur zwischenzeitlich etwas ihre Bodenhaftung verliert.