Journalist David ist neu in der Stadt. Er arbeitet im Lokalteil der hiesigen Tageszeitung. Über Beziehungen hat er ein gediegenes, sehr geräumiges Domizil gefunden, ein ganzes Haus mit Garten für sich allein. Nebenan wohnt Robert, ein etwas unsicher wirkender, hilfsbereiter Krankenpfleger. Auch er hat ein Haus für sich – geerbt von der Mutter. Ein gemeinsamer Disco-Besuch endet mit einer Katastrophe: David überfährt eine junge Frau, mit der er zuvor an der Bar noch die Telefonnummern ausgetauscht hatte. Während er am Unfallort noch überlegt, Hilfe zu holen, drängt ihn Robert dazu, weiter zu fahren. In der Folgezeit setzt dieser alles daran, die Freundschaft zu vertiefen, während David mit seiner Schuld kämpft und noch immer mit dem Gedanken spielt, zur Polizei zu gehen. Dass er den Fall für die Zeitung bearbeiten muss, erschwert seine Lage. Darüber lernt er auch noch Vanessa, die Schwester des Unfallopfers, kennen. Als sie sich ineinander verlieben, zieht Robert die Notbremse.
Foto: SWR / Felix Cramer
Stephan Rick über die besondere Genre-Mischung:
„Während im Drama oft die negativen Gefühle gegen sich selbst gerichtet sind, dürfen sich im Thriller diese Gefühle durch die Zuspitzung des Konflikts zwischen Protagonist und Antagonist veräußerlichen. In der Entwicklung der Geschichte mit diesen beiden Genres zu spielen, war eine Herausforderung.“
„Unter Nachbarn“, der außergewöhnliche Debütfilm von Stephan Rick nach dem Drehbuch von Silja Clemens, beginnt als Drama zweier einsamer Männer, deren Schicksale durch eine Schuld immer katastrophaler miteinender verstrickt werden. Als ein Störfaktor für die vermeintliche Männerfreundschaft auftaucht, eine nicht weniger einsame, junge Frau, eskaliert der Konflikt und der Film treibt seine Charaktere in die Logik eines Psychothrillers. Der Journalist ist gefangen im Netz des Nachbarn, dessen große Leidenschaft das Fischen ist. „Warum kümmerst du dich denn nicht um deinen eigenen Scheiß“, schreit David Robert an, nachdem dieser bei einer Angel-Tour eine Grenze überschritten hatte, die bei dem Journalist offenbar ein erstes Alarmsignal ausgelöst hat. „Wenn ich das gemacht hätte, wärst du längst im Knast“, kommt es mit dem Tonfall der Überzeugung zurück. Jetzt schrillen geradezu die Alarmglocken. Und dennoch (oder vielleicht gerade deshalb) lässt sich David immer wieder auf den tricksenden Robert ein. Er hat ihn in der Hand. David wird das später bewusst als dem Zuschauer, der früh zu ahnen beginnt, wohin das Boot dieser Freundschaft rudert.
Foto: SWR / Felix Cramer
Stephan Rick über das visuelle Konzept:
„Die farbliche Gestaltung war uns sehr wichtig. Wir wollten einen Look kreieren, der ganz bewusst auf bestimmte Farben verzichtet, aber nicht ausgewaschen oder farbreduziert wirkt. In der Lichtgestaltung haben wir versucht, die inneren Zustände der Figuren zu beschreiben. Die Kamera geht im Verlauf der Geschichte von einer rein beobachtenden zu einer bewusst erzählenden Haltung über.“
Die Kamera, der Look deuten es früh an: diese Nachbarn werden keine Freunde. Diese beklemmende Düsternis, die sich um die beiden Männer ausbreitet, diese „ewigen Jungs“, ist mehr als eine Spiegelung ihrer vereinsamten Seelen. Es ist die Vorausdeutung auf eine Geschichte, bei der der Protagonist nicht mehr aus dem Schrecken herauskommt. Eine Geschichte, die auch den Betrachter mitnimmt, weil sie die ganze Tragik der Situation deutlich macht und Maxim Mehmets David als Identifikationsfigur führt, für die man bereit ist, Empathie zu empfinden. Selbst Charly Hübners Robert wird nie nur als „der Psychopath“ abgekanzelt. „Man empfindet neben Angst und Abscheu auch Verständnis und Mitleid mit ihm“, so Stephan Rick. Das Herzstück dieses hoch konzentrierten Psychothriller-Dramas ist das Spiel von Hübner, der seiner krankhaften Figur eine emotionale Bandbreite zwischen Verletzlichkeit, Berechnung und Brutalität mitgibt und somit „Unter Nachbarn“ in einem aufregenden Spannungsfeld belässt. Fazit: ein Zweieinhalb-Personen-Stück, ein packender Film, der anders, tiefer „bewegt“ als herkömmliche Psychothriller. (Text-Stand: 28.4.2012)