Ein junger Mann ist im Watt auf brutale Art ertränkt worden. Der Tote – gerade mal 17 Jahre – hat für sein Alter ein enormes Vorstrafenregister. „Der hat es verdient“, ist die Reaktion des Mannes, der als letzter unter der kriminellen Energie des Jugendlichen leiden musste. Doch jener Spielwarenhändler hat ein Alibi. Auch der „Freund“, den der Ermordete einst bei der Polizei verpfiffen hat, kommt als Täter kaum in Frage. In Hamburg gab es vor Jahren einen ähnlichen Fall. Ein Kollege aus der Hansestadt, ein charismatischer Däne, der zum Leidwesen von Kollege Hamm an Jana Winter Gefallen findet und von dem auch sie sich angezogen fühlt, unterstützt das Team in Schleswig. Seine Sprachkenntnisse könnten bald von Nutzen sein. Denn eine weitere Spur, ein dritter Mord aus vergangenen Zeiten, führt nach Dänemark. Und es gibt eine Parallele zwischen den Morden: alle drei stehen in Zusammenhang mit Fällen von Kindesmissbrauch. Nimmt hier jemand das Recht selbst in die Hand – und spielt Rächer?
Wie „Bella Block“ oder der Borowski-„Tatort“ entdeckt nun auch die ZDF-Krimireihe „Unter anderen Umständen“ den Reiz der Skandinavien-Connection für sich. Düster und mit grausamer Tötungsmethode beginnt „Mord im Watt“. In dieser frostigen Weite wirken Jana Winter & Co seltsam verloren. Keine Spuren, keine Fingerabdrücke – nur Seelandschaft und Naturgewalt. Die Ermittlungen erweisen sich als mühsam, später in Dänemark wird alles noch trostloser. Kein Wunder, dass sich die Kommissarin nur allzu gerne auf eine Affäre mit dem dänischen Kollegen einlässt. Die Liebesnächte mit ihm sind heiß – und sie sind handfester als die Polizeiarbeit. „Unser Täter straft, wo die Justiz in seinen Augen versagt hat“, glaubt die Kommissarin. Vor lauter berufsbedingtem Misstrauen erkaltet die Beziehung zu Erik Nielsen. Heimlich holt Winter Informationen über den Kollegen ein. Sie verdächtigt ihn, erkennt aber, dass der Psychoterror, den jemand gegen sie ausübt, schwerlich von ihm ausgehen kann…
„Unter anderen Umständen“ zeigt sich weiterhin in bester Verfassung. Story und Ästhetik finden wie immer bei Regisseurin Judith Kennel höchst stimmungsvoll zueinander. Das Team mit seinen stets angedeuteten männlich-weiblich-Gegensätzen bleibt eines der stärksten hierzulande. Der Film ist bis in die kleinsten Gastrollen (Anna Maria Mühe oder Constantin von Jascheroff) gut besetzt – vor allem aber sind auch viele Szenen bis ins kleinste Detail von Zora Holt variationsreich geschrieben. Besonders nachhaltig in seiner Tragik ist die Überbringung der Nachricht von der Ermordung des Sohnes. Die Mutter feiert gerade mit ihren Jüngsten den Geburtstag des vermeintlich bloß untergetauchten „Großen“. Auch die finale Therapiesitzung im Watt besitzt eine hohe dramaturgische wie filmische Intensität. „Mord im Watt“ entwickelt aus der analytischen Stringenz der Geschichte großes Mitgefühl beim Zuschauer. Das ist eine Gemeinsamkeit aller guten ZDF-Krimidramen, ob sie nun „Bella Block“, „Unter Verdacht“, „Kommissarin Lucas“ oder eben „Unter anderen Umständen“ heißen. Es sind Krimis, die über den Kopf einer charakterstarken Hauptfigur in den Kopf des Zuschauers gehen und von dort in den Bauch wandern. (Text-Stand: 11.10.2011)