Die 50:50-Aufteilung von Job, Hausarbeit und Kinderbetreuung klappt ausgezeichnet bei den Lindemanns. Deshalb ist Super-Papa Dieter schon einigermaßen perplex, als er mit seinen Rackern die ach so stressgeplagte Gattin bei einem entspannten Nachmittagsbummel beobachtet… mit einem anderen Mann. Esther ist Scheidungsanwältin – und der, mit dem sie sich da so gut versteht, ist der Anwalt der Gegenseite ihres derzeitigen Falls. „Mit dem kann ich halt – reden“, gesteht sie. Und dann bricht es aus ihr heraus. Die glückliche Mutter von fünfjährigen Zwillingen und einem dreijährigen Wildfang hat sich verliebt. Dieter kann es nicht fassen, schmeißt den Rivalen, diesen Lars, auch noch ein Däne, ein Schwede oder was auch immer, aus der Wohnung – und zieht danach selbst ins Hotel. Dicke Luft herrscht auch am Arbeitsplatz. Die Frau, die statt seiner „Chef“ geworden ist, scheucht ihn herum und seine ehrgeizige Hospitantin sitzt ihm lächelnd & hoch motiviert im Nacken. Lindemann fehlt der Biss. Er spürt, wenn er sich nicht bald etwas einfallen lässt, sind Esther und die Kinder weg.
Soundtrack: Amy Winehouse („Love is a losing Game“), Richard Cheese („Only happy when it rains“), Serge Gainsbourg & Jane Birkin („Je t’aime… moi non plus“), Daughter („Youth“), VCMG („Zaat“), Drexciya („Black Sea“), Alabama Shakes („You ain’t alone“), Django Django („Wor“), Bryan Ferry („As times goes by“), Elvis Presley („Always on my Mind“), Boy („Little Numbers“)
Foto: ZDF / Reiner Bajo
Als Papa ist Dieter Lindemann eine Wucht. Als Ehemann und in seinem Beruf als Journalist ist er nicht (mehr) ganz so unschlagbar. Und als Partner und Liebhaber ist er schon lange nicht mehr allzu sehr gefragt. „Überleben an der Scheidungsfront“ macht zwar vier erzählte Jahre später da weiter, wo die ZDF-Alltagskomödie „Überleben an der Wickelfront“ vor zwei Jahren aufgehört hat, dramaturgisch und komödiantisch aber macht es der Fortsetzungsfilm weitaus besser. Der Wiedererkennungswert dürfte ähnlich hoch sein, der Unterhaltungswert indes ist ungleich höher. Drehbuchautor Jens Urban („Wir tun es für Geld“) dreht die Story des Kollegen Stefan Kuhlmann um einen Ehemann, der seiner jungen Frau zuliebe ein Jahr in Elternzeit gehen will, sich dann aber doch von seiner Chefin breitschlagen lässt und in die Doppelbelastungsfalle tappt, in ein anderes Beziehungsalltagsdilemma. Die Familie als Ort modernen Managements. Zeit für die Beziehung ist Mangelware, Sex ein Fremdwort und Gespräche sind ein Luxus für ein Elternpaar mit Kids im Vorschulalter. Kommunikation zwischen Mann und Frau heißt zumeist Kinderübergabe oder „Schatz, wie war dein Tag heute?“. Dass sich der Autor nicht auf diesen Themen ausruht, sondern sie mit Ochsenknecht als Zugpferd um das Motiv des sich lächerlich machenden Mannes erweitert, und zwar eines Mannes, der das sich Lächerlichmachen bewusst in Kauf nimmt und nicht vom Zuschauer ausgelacht wird, ist ein großes Plus dieses leichtgewichtigen ZDF-Fernsehfilms.
Entsprechend besitzt „Überleben an der Scheidungsfront“ seine stärksten Momente, wenn Romantik und Gefühle zur Nebensache werden und dafür herzhafte Missverständnisse und deftiger Witz in den Vordergrund der Handlung treten – sprich: wenn das Happy End aufgeschoben wird, weil sich der Held in höchst unangenehme Situationen manövriert, aus denen ihm seine Anwaltsgattin nicht heraushelfen mag. Einmal stolpert sie nächtens auf der Polizeiwache über Dieters Praktikantin, die nach einem dienstlichen Bar-Einsatz auf dem Fußboden herumrutscht (ihre Kontaktlinsen suchend). Als Esther, mit vorzüglichem Timing von Valerie Niehaus gespielt, dieses völlig derangierte Mädel sieht, das Reizwort „Praktikantin“ aufschnappt und auch ihr Gatte wenig zur Aufklärung der Situation beiträgt, sagt sie nur: „Ich wusste gar nicht, dass du dir deine Praktikantinnen vom Babystrich holst“ – und ist wieder weg. Nicht weniger witzig eine erotische Hotelzimmerszene. Die Ingredienzien scheinen auf den ersten Blick wenig originell: ein endgeiles Frauenzimmer, zwei Handschellen, ein Rache-ist-süß-Spiel mit Kastrationsangst und die Noch-Gattin nichtsahnend im Anmarsch. Die Bekenntnisse des werten Gatten („Esther, ich hab damit nichts zu tun“), halbnackt und gefesselt, wirken hochgradig lächerlich und diese Ehe dürfte wohl Geschichte sein.
Foto: ZDF / Reiner Bajo
Der Film von Titus Selge („Ein Reihenhaus steht selten allein“) ist nichts für Liebhaber ästhetischer Ironie, nichts für komödientheoretische Schöngeister. Dafür hat „Überleben an der Scheidungsfront“ ein gutes Tempo, akzentuiert effektiv seine verschiedenen Tonlagen und punktet mit dem spielfreudigen Duo Ochsenknecht/Niehaus, sehenswerten Nebendarstellern wie Cornelia Gröschel, Renate Krößner oder Marie-Lou Sellem – und das dreijährige Töchterchen sprengt höchst charmant den Rahmen der Geschichte (dieses Kind darf Kind sein). Mag es auch überinterpretiert sein: Wer Komödie liebt, wird bei Lindemann automatisch an Erwin Lindemann denken, den von Loriot erdachten Rentner, der sich mit der Boutique in Wuppertal und dem Faible für den Papst um Kopf und Kragen redet. Dass Lindemann nicht Erwin heißt, sondern Dieter könnte auf den zweiten großen TV-Komiker verweisen: Dieter „Didi“ Hallervorden. Bei dem war auch mal was mit einem Mann, einer Frau & einem Hotel.