Sieben Filme in eineinhalb Jahren – das ist eine reife Leistung. Kein Wunder, dass Bernd Böhlichs Lieblingsregisseur Rainer Werner Fassbinder heißt. Der Mann, der in Babelsberg das Handwerk lernte, gehört mit seinen 38 Jahren bereits zu den ganz Großen im vereinten Fernsehspiel-Deutschland. Und er ist vielseitig. Mal Krimi, mal Melo, mal Problemfilm. Bei „Tödliches Schweigen“ hat sich der zweifache Grimme-Preisträger, der auch das Drehbuch schrieb, für eine zeitkritische Geschichte entschieden: eine Studie über Sprachlosigkeit.
Erzählt wird von einer familiären Wiedervereinigung. Ein Fleischermeister feiert in einem ostdeutschen Provinznest seinen Sechzigsten. Überraschungsgast ist sein Sohn, von dem er seit einem Jahrzehnt nichts mehr gehört hatte. Er war eines Tages sang- und klanglos zunächst aus der dörflichen, dann aus der staatlichen Enge geflüchtet. Selbst nach dem Fall der Mauer gab es kein Wiedersehen. Jetzt scheint es zu spät für einen Neuanfang. Der Außenseiter von damals wird wieder zum Störenfried. Aber auch seine Ex-Frau, mittlerweile zum zweiten mal verheiratet, entwickelt wieder Gefühle für ihn. Ihr Mann ist in Rage, der Heimkehrer resigniert – doch alle schweigen. Auch über den Grund des Zerwürfnisses: die Homosexualität des Sohnes, die er seinen Eltern einst per Ansichtskarte übermittelte.
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Die bisweilen etwas schwermtige Geschichte entwickelt sich ganz aus ihren Charakteren. Wie bei vielen von Böhlichs Filmen lässt sich auch in „Tödliches Schweigen“ Kommunikation studieren. Beziehung ist hier etwas anderes als narzisstische Beziehungskiste. Ist sie auch noch so kaputt, so ist sie doch etwas Gewachsenes, hinter der eine tiefe Erfahrung steht.
„Es ist ein Film, in dem es um etwas geht, ein sehr persönlicher Film“, sagt Bernd Böhlich. Korrupte Manager, vernachlässigte Ehefrauen in irgendwelchen 200qm-Wohnungen – das sage ihm nichts. „Was hat das noch mit dem Alltag in unserem Land zu tun?“ fragt er sich. Auf allen Kanälen nur mittelmäßige Krimis. Das sei Fernsehen zum Zeit totschlagen.
Bernd Böhlich ist auch einer, der noch visuelle Visionen besitzt. „Auch meine Kameraarbeit richtet sich nach den Geschichten, den Schauplätzen und Charakteren“, sagt er. Soll heißen: Modernen Geschichten wie „Mobbing“ gibt er einen amerikanischen Look, existentialistischen Stoffen wie „Landschaft mit Dornen“ oder „Tödliches Schweigen“ begegnet er mit einem klassisch-strengen Stil. Die Fotografie ist dennoch modern, nicht die übliche Kunstfilm-Tristesse wie früher zu Defa-Zeiten. Sein Licht ist auf Wirkung bedacht. Kein Zufall, dass sein ständiger Kameramann Gero Steffen auch Werbefilme dreht. Böhlich: „Keiner kommt an der visuellen Revolution durch Werbung und MTV vorbei.“ (Text-Stand: 13.3.1997)