Bei „Das Urteil“, dem unlängst gesendeten Krimi-Kammerspiel mit Holocaust-Replik, verhalf Oliver Hirschbiegels bescheidene, höchst zweckmäige Regie Klaus Löwitsch und Matthias Habich zum Grimme-Preis. Diese begehrte deutsche Fernseh-Trophäe hat er selbst einmal für einen „Tatort“ bekommen. Bemerkenswert war auch sein „Trickser“, ein Hinterhof-Thriller mit Film-Noir-Anleihen. Respektabel geschlagen hat sich der ehemalige Experimentalfilmer und langjährige Globetrotter sogar im Serien-Fach: Er konzipierte „Kommissar Rex“ und inszenierte fast komplett die erste Staffel. Für seinen neuen Film „Todfeinde – Die falsche Entscheidung“ konnte er mal wieder Tobias Moretti gewinnen. Sein Partner ist Heino Ferch.
Erzählt wird die Geschichte von Nico und Max, zwei Streifenpolizisten. Echte Freunde. Doch die Freundschaft wird zunehmend auf die Probe gestellt. Nico, frisch geschieden, hängt durch: Alkohol, Frauengeschichten, die Krankmeldungen häufen sich. Der Kollege könnte durchaus die anstehende Beförderung von Max, seinerseits glücklich verheiratet und ein liebender Familienvater, vermasseln. Die Lage spitzt sich zu: Nico erschießt bei einer Routine-Kontrolle einen Mann im Affekt. Beide vertuschen den Vorfall und versenken Leiche mit Auto in einem See. Dummerweise war der Tote ein Kronzeuge, der gegen einen Mafia-Ring aussagen wollte. Max, eingespannt vom BKA, muss nun in „eigener Sache“ ermitteln; Nico indes liebäugelt mit der Gegenseite, denn die zahlt gut. Ein sehr gefährliches Spiel.
Aus den beiden Florida-Cops der Vorlage von Don Bohlinger machte Hirschbiegel zwei Bullen im deutschen Irgendwo. „Deutsche Polizisten im Film wirken immer ganz schnell lächerlich“, findet der 40jährige Hamburger. Junge Polizisten sähen in natura heutzutage „oft viel cooler“ aus. Buddy-Muster also statt Beamten-Gesichter, so wollte er seine Helden zeigen – „jenseits der ‚Tatort‘- und ‚Wache‘-Ästhetik“. Zwei Cops, zu wenig auf dem Konto, zu viele Verlockungen im teuren München. „Zwei Charaktere unter extremer psychischer Belastung“, so Heino Ferch – das „Zwangssystem“ Polizei erhöhe geschickt den Druck auf die Helden. Umgekehrt sind moderne Verbrecher auch Menschen. „Keine bösen Muskelmänner oder finster dreinblickende Gesellen, sondern ganz flinke Geschäftsleute.“ Und warum ist der Mafia-Boss ein alter Mann? „Ich wollte einen nehmen, der alles weiß, der, wenn er die Knarre zieht, genau weiß, warum. Je jünger ein Killer ist, umso weniger Angst macht er mir.“
Foto: Pro Sieben
Die kühlen, lakonischen Krimis von Jean-Pierre Melville („Der eiskalte Engel“) sind Hirschbiegels Vorbilder für einen klassischen Krimi wie „Todfeinde“. Eine Geschichte wie ein Räderwerk, ein dialogarmes, Blick-intensives Wechselspiel von Psychologie und Suspense, Thema Freundschaft ohne Kitsch, dafür mit trendigen Triphop-Sounds und coolen Locations – das ist der Atem dieses großartigen Films. Hirschbiegel selbst glaubt: „Das Geheimnis sind die Figuren. Wenn ich eine Figur verstehe und ihre Entwicklung nachvollziehen kann, dann kann schon ein Nagel, der herunterfällt, spannend sein.“ (Text-Stand: 13.11.1998)