Alex Berger sitzt in der Klemme. Der beliebte Lehrer konnte der Verführungskunst einer Schülerin nicht länger widerstehen. Jetzt ist sie tot, brutal ermordet, kurz nach ihrem Geschlechtsverkehr mit dem Lehrer. Berger gesteht seiner Frau die Affäre. Sie will ihm glauben, dass er mit dem Mord nichts zu tun hat. Vor allem aber will sie die Familie zusammenhalten – schwer genug mit einem Kind mit Down-Syndrom und einem „renitenten“ Sohn, der kurz vor dem Abitur die Schule für eine Schlosserausbildung geschmissen hat. Und jetzt steht auch noch die Polizei vor der Tür. Als der öffentliche Ruf nach einem Massengentest laut wird, verschärft sich die Situation, als Berger den Test verweigert, spitzt sie sich weiter zu. Und auch das Vertrauen von Susanne Berger scheint zu schwinden.
„Tod einer Schülerin“ erweist gleich zwei TV-Klassikern seine Referenz. Robert Stromberger schrieb 1980 „Tod eines Schülers“, ein preisgekrönter Sechsteiler, multiperspektivisch erzählt und eher sozialkritisch als kriminalistisch von Belang. Und so wie Laura Berlin ihre Videobotschaft in die Kamera lispelt, erinnert das sofort an Nastassja Kinskis „Reifezeugnis“, das sie im Rahmen des „Tatort“ ablegen durfte. Figurenkonstellation und Milieu waren 1977 ähnlich. Doch die Tiefe, mit der im Drehbuch von Silke Zertz die innere Zerrissenheit der Bergers ausgelotet wird, weist weg vom Kriminalfall in Richtung Familiendrama. Das gesellschaftskritische Moment, die Diskussion um DNA-Massentests und die damit verbundene Datenschutzproblematik, verdichtet den Subtext der Geschichte und macht deutlich, dass der Titelverweis auf einen Moralisten wie Stromberger seine Berechtigung hat.
Der sehr geschlossene, stimmungsvoll fotografierte Film von Mark Schlichter ist großes Fernsehen. Wie da die Familie hin und her gerissen wird zwischen dem Nervenspiel der Ehepartner und dem Fassadebewahren in der Öffentlichkeit, zwischen den wahren Tränen der Verletzung und der gespielten Heiterkeit fürs Problemkind – das ist von der ersten Minute an mitreißend. Da stimmen die psychologischen Nuancen, es überzeugt aber auch die Art und Weise, wie hier das Drama mit den Krimikonventionen umgeht. Die Ermittlungen laufen im Hintergrund, die Gefahr für die Familie ist latent vorhanden, die Schlinge um Alex Berger zieht sich mehr und mehr zu. Auf diesem Spannungsteppich ereignen sich eindrucksvolle Szenen einer Ehe. Explizite Krimi-Situationen sind wohl dosiert und dramaturgisch umso effektiver.Noch die kleinste Rolle ist mit Überlegung besetzt. Und die Schauspieler machen ihrem Namen alle Ehre. Lavinia Wilson und Peter Lerchbaumer geben das ermittelnde Kontrast-Pärchen, die zackig-pragmatische Jungkommissarin und der kritisch-besonnene Alt-68er, ohne Ausrufezeichen. Adrian Topol spielt wie immer nuancenreich seinen nachdenklichen jungen Mann. Matthias Brandt und Corinna Harfouch sind, insbesondere im gemeinsamen Beziehungsclinch, eine Offenbarung, ohne eine Offenbarung sein zu wollen. Vor allem an den Bruchstellen der Beherrschung tauchen die beiden in ein Duett der unterdrückten Gefühle, der abgerissenen Gesten, der kleinen Explosionen. Es ist ein Tanz der Verzweiflung, der (s)eine eigene Sinnlichkeit besitzt und die banale Frage nach dem Mörder vergessen lässt.