Therese Engel macht ihrem Namen keine Ehre. Zwar liebt sie es, zu fliegen, ansonsten aber ist sie eher der bodenständig rationale Typ. Sie muss alles unter Kontrolle haben, ihr ganzes Leben unterliegt der perfekten Planbarkeit. Dumm, dass ihr Mann einmal nicht mitspielt. Während die Philosophieprofessorin schweren Herzens aus dem Berufsleben ausscheidet, bekommt ihr Heinz einen Traumposten als Chef des neuen Hamburger Rückenzentrums, das er nicht ablehnen kann. Therese ist enttäuscht – und tritt die Flucht nach vorne an. Mit dem Cabrio rauscht sie ins Tessin. Wenn Heinz nicht nachkommt – selber schuld! Sie jedenfalls weiß sich ohne ihren Gönnergatten die Zeit besser zu vertreiben als befürchtet. Dazu trägt in nicht unerheblichem Maße die Anwesenheit von Stephan Fürstenfeld bei, der offenbar vor langer Zeit bei ihr studiert hat. Sie kommen sich näher. Dieser Stephan hat Vieles, nach dem sich die Frau Professorin insgeheim sehnt. Dieser Mann ist unglaublich charmant, er kann kochen, er kann fliegen – und so hebt Therese Engel dann doch noch einmal ab und fühlt sich frei und verrückt, obwohl sie wissen müsste, dass alles zu schön ist, um wahr zu sein.
Therese Engel steht in der Tradition anderer Hörbiger-Charaktere. Es sind Frauen, die eine fundamentale, neue Erfahrung in ihrem Leben machen, Frauen, die oft einen steinigen, schmerzvollen Weg gehen müssen. „Mathilde liebt“, „Luises Versprechen“ oder „Wie ein Licht in der Nacht“ sind drei bewegende Filme, in denen Christiane Hörbiger (73) als Krebskranke, als Alkoholikerin und als Witwe, die erstmals in ihrem Leben einen Orgasmus erlebt, besonderen Mut zeigte. So viel Mut muss sie für „Therese geht fremd“ nicht aufbringen. Hier geht es um einen vergleichsweise kleinen „Ausrutscher“ und es geht nebenbei auch um eine andere „Moral“: da schwingt das kleinbürgerliche, typisch deutsche „Nur nicht abheben“ durch das von südländischem Lebensstil angehauchte Tessin. Mit ein paar Nuancen hätte man die etwas biedere Botschaft etwas frecher, liberaler und lustfreundlicher gestalten können.
Aber wahrscheinlich wäre dann an anderer Stelle das dramaturgische Korsett geplatzt. Denn die Story wirkt reichlich zusammengeschraubt. So psychologisch plausibel die Hauptfigur angelegt ist, so sehr wird Thomas Sarbacher mit seiner Rolle allein gelassen. Und dem Gatten wird noch schnell eine Liaison mit seiner jungen Assistentin angedichtet. Der Gedanke, dem Romantik-Liebhaber etwas zu bieten (auch wenn es sich später nicht als wahre Romantik herausstellt), anstatt den Zuschauer von Anfang an vollständig einzuweihen, ist verständlich, führt letztlich aber dazu, dass man stets das Gefühl hat: in oder mit diesem Film stimmt etwas nicht. Egal, im ZDF-Sonntagsfilm ist man für gewöhnlich weit Schlimmeres gewohnt.
Dennoch schade. Schade auch, dass das beziehungspsychologische Potenzial zwischen dem Ehepaar nicht tiefer ausgeschöpft wird. Ein Mann, der sich nach über 30 Ehejahren noch hochprozentig einen antrinken muss, um seiner Frau reinen Wein einzuschenken (und es doch nicht schafft) und der seine bessere Hälfte immer wieder fragt: „was soll ich tun?“ – das sind hübsche Ansätze, den Ehe-Alltag zwischen zögerlichem Zauderer und einer Frau, die alles besser weiß, zu spiegeln. Dieses Machtgefälle hätten die Autoren sicher noch kurzweiliger ausspielen können. Der Schlusssatz aber stimmt: „Küss mich!“ befiehlt Domina Therese.