Es beginnt wie in einem Horrorfilm: Eine Hand ragt aus der Erde an den Teufelslöchern am Fuße der Jenaer Kernberge. Als der Rest ausgebuddelt wird, kommt ein stadtbekannter Zuhälter zum Vorschein: Ulrich Rochow, genannt „Alpha“, der seine Frauen mit Liebesversprechungen gefügig gemacht und dann an solvente Kunden verschachert hatte. Bei der Sektion findet Rechtsmedizinerin Theresa Wolff (Nina Gummich) Dreck in Alphas Lunge. Er wurde lebendig begraben. Eine erste Spur führt Kommissar Lewandowski (Aurel Manthei) zu der Bulgarin Boriana (Natalia Rudziewicz), die in einer schmucken Villa wohnt, einen Prostitutionsring betreibt und Mädchen von Alpha „übernommen“ hat. Als die Wolff den Tatort erneut inspiziert, trifft sie dort auf Yasmin (Lia von Blarer), eine verstörte junge Frau, die für Alpha anschaffen ging. Durch sie stößt sie auf eine Tote, die für ein Unfallopfer gehalten wurde, und ebenfalls zum Prostituiertenring gehörte. Auch wenn sie etwas anderes behauptet: Die Mutter (Susanne Simon) des Opfers wusste sehr wohl von der Prostitution ihrer Tochter. Und es gibt weitere Mütter, deren Töchter von Alpha gequält wurden.
Theresa Wolff – die Frau, die mit den Toten spricht: „Bis auf den fehlenden Finger schauen Sie doch ganz passabel aus“, sagt die Leiterin der Jenaer Rechtsmedizin, als sie Alphas Leiche untersucht. Doch sie redet nicht nur mit den Leichen, sie sieht auch genau hin, entdeckt kleine feine Unterschiede. Und sie kann sich in die Psyche möglicher Verdächtiger hineinversetzen, obwohl sie selbst alles andere als seelisch stabil ist. So sensibel sie bei der Arbeit ist, so wenig kann sie sonst im Leben mit Emotionen umgehen („Nähe fällt mir schwer bei lebenden Menschen“). Hansjörg Thurn und Carl-Christian Demke haben zwei der drei bisherigen Fälle der noch jungen Krimi-Reihe geschrieben, sie zeichnen auch für „Theresa Wolff – Dreck“ verantwortlich. Sie entwickeln die Figur der fachlich brillanten, aber sehr eigensinnigen Frau mit dem forensischen Blick und einer Portion trockenem Humor behutsam weiter. Diesmal haben sie ihr einen männlichen Youngster an die Seite gestellt: Praktikant Jost (Anton Giuseppe Arnold) ist ein gelungener Sidekick und gibt der Wolff noch mehr Möglichkeiten, den Ermittlungen auch ein wenig Leichtigkeit zu geben.
Der vierte „Theresa Wolff“-Fall ist ein klassischer Ermittler-Krimi, mit eindringlichen Bildern und einer wendungsreichen Geschichte. Hansjörg Thurn hat erstmals auch die Regie übernommen, weiß seine Hauptfiguren gekonnt in Szene zu setzen und nutzt geschickt das Geplänkel zwischen dem sehr physisch agierenden Kommissar (stark: Aurel Manthei), der bald mehr Schrammen aufweist als Schimanski in seinen besten Zeiten, und der jungen Leiterin der Jenaer Rechtsmedizin, um für einen sympathischen Kontrast zur düsteren Handlung zu sorgen. Mit wenigen, aber klaren Bildern leuchtet Thurn das Rotlicht-Milieu aus, bleibt trotz der forensischen Perspektive beim Umgang mit Leichen unspektakulär und unblutig. Regie und Kamera halten sich vornehm zurück; auch das, was den jungen Mädchen widerfährt, wird nur schemenhaft angedeutet.
Unheimlich ist die Geschichte, die bald eine sehr persönlich-emotionale Wendung erfährt. Und doch hat der Krimi immer auch einen leicht witzigen Unterton. Das liegt vor allem an Nina Gummich, die immer mehr in die Rolle der Theresa Wolff reinwächst. Kleine Gesten und Blicke, klug gesetzte Pausen bei Dialogen, lakonisch schnoddrige Beiläufigkeit, der gebremste Umgang mit Emotionen der toughen Forensikerin: Es ist ein Vergnügen, Nina Gummich bei der Lösung des Falles zu folgen. Noch eine gute Nachricht zum Schluss: Zwei weitere Filme der Reihe sind in der Mache. (Text-Stand: 12.1.2024)