Tatort – Wunschdenken

Stefan Gubser, Sofia Milos & ein schweizer "Tatort"-Start ohne jegliches Konzept

Foto: SRF / Thomi Studhalter
Foto Rainer Tittelbach

Dieser „Tatort“ ist auch nachgebessert schwach. „Wunschdenken“ wurde zunächst nicht abgenommen. Beanstandet wurden neben einer Sex-Szene die vielen Klischees und der US- Gast-Star Sofia Milos („C.S.I. Miami“). Die Sex-Szene ließ sich fast vollständig wegschneiden. Die Präsenz der Fehlbesetzung minimieren. Das Drehbuch aber ließ sich nicht schön schneiden. Die Handlung dieses überkonstruierten Krimis verzettelt sich im Kleinklein. Ein „Tatort“ wie aus grauer Vorzeit. Schwacher Trost: Stefan Gubser ist ein guter Typ!

Reto Flückinger, neuer Kommissar der Luzerner Polizei, wollte nur kurz bei seiner neuen Dienststelle vorbeischauen – da kommt ihm die Entführung eines Kantonspolitikers in die Quere. Also Urlaub ade und rein ins Sonderkommando „Pascal Kreuzer“. Eine Geldübergabe steht kurz bevor. Flückinger fährt im Hintergrund eine polizeiliche Großaktion. Doch die Erpresser lassen sich nicht blicken. Für Flückinger heißt das: alles auf Anfang. Parallel gibt es einen zweiten Fall: eine Wasserleiche. Die amerikanische Austauschpolizistin Abby Lanning nimmt sich der Ermittlungen an. Offenbar ein Unfall. Oder besteht ein Zusammenhang mit der Entführung? Der Tote saß in dem Gefängnis ein, das Kreuzer jahrelang geleitet hat. Wenn er der Entführer ist, könnte Kreuzer jetzt irgendwo gefangen sein – rettungslos verloren.

Dumm gelaufen mit dem ersten schweizerischen „Tatort“ seit fast zehn Jahren. Die neue Geschäftsleitung des Schweizer Fernsehens (FS) nahm den Film im Winter nicht ab und forderte Nachbesserungen. Beanstandet wurden neben einer zu ausgespielten Sex-Szene vor allem die zahlreichen Klischees der Handlung und die zweite Hauptdarstellerin, Sofia Milos, amerikanischer Gast-Star, bekannt aus „C.S.I. Miami“. Die Sex-Szene ließ sich fast vollständig wegschneiden. Die Präsenz der Fehlbesetzung – ebenfalls durch Schnitte – minimieren. Das Drehbuch aber ließ sich nicht schön schneiden. Dieses strotzt nur so vor Krimi-Unarten, wie man sie hierzulande nur noch gelegentlich in 45-Minütern sieht. Die Handlung verzettelt sich im aktionsgeladenen Kleinklein: hier wird der Kommissar mal eben zusammengeschlagen, dort empfindet er 30 Sekunden Mitleid mit der verzweifelten Gattin des Entführten, bevor er zwei Mal mit der Kollegin Körperflüssigkeiten austauscht. Die gemächliche schweizer Mentalität führt das Ganze völlig ad absurdum. Und Sofia Milos ist nicht nur eine Fehlbesetzung, man fragt sich auch: was soll das, eine Amerikanerin in Luzern? Ist es ein Konzept, eine Krimi-Reihe mit einem vermeintlich hippen Gast-Star „aufzumachen“?

„Wunschdenken“ ist auch in der Überarbeitung ein schwacher „Tatort“. Der eidgenössische Krimi ist überkonstruiert und wirkt wie ein Relikt aus Zeiten, in denen so genanntes „Plotten“ genügte. Man muss neue Reihen nicht unbedingt so grundsätzlich und perfekt angehen wie es zuletzt der NDR oder der BR mit ihrem „Polizeiruf 110“ oder der HR mit seinen „Tatorten“ machten – aber ein Fünkchen Konzeption sollte man schon verlangen, sonst dürfte das Schweizer Fernsehen bald wieder „draußen“ sein aus dem „Tatort“-Verbund. Auch Grimme-Preisträger Markus Imboden bekleckert sich nicht mit Ruhm. Die Inszenierung ist so fad wie die Story – und wenn gar nichts mehr hilft, muss der Sound retten, was zu retten ist. Das blutige Finale ist ein Mix aus Kressin-Action anno 1973 und einer rüden TV-Movie-Nummer Marke Privatfernsehen der 1990er Jahre. Einen schwachen Trost gibt es: Stefan Gubser ist ein guter Typ. Reto Flückinger vielleicht auch. Mal sehen. (Text-Stand: 21.7.2011)

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Reihe

SRF

Mit Stefan Gubser, Sofia Milos, Stephanie Japp, Jean-Pierre Cirnu, Andrea Zogg, Sabina Schneebeli, Christof Gaugler, Ursina Lardi

Kamera: Rainer Klausmann

Schnitt: Ursula Höf

Musik: Balz Bachmann

Produktionsfirma: Turnus Film, Tellfilm

Drehbuch: Nils-Morten Osburg

Regie: Markus Imboden

Quote: 6,80 Mio. Zuschauer (21,1% MA)

EA: 14.08.2011 20:15 Uhr | ARD

Spenden über:

IBAN: DE59 3804 0007 0129 9403 00
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Kontoinhaber: Rainer Tittelbach