Kaum zu glauben: Man verlässt das Zentrum und landet in einem anderen Jahrhundert. „Vorstadtballade“, der 65. „Tatort“ aus München, spielt im so genannten Schlachthofviertel im Südwesten der Stadt. Die Türme der Frauenkirche sind zwar noch in Sichtweite, doch die Geschichte bietet prompt ungleich mehr Lokalkolorit. In den Münchener Krimis geht es ja ohnehin oftmals ungleich regionaler zu als in den Filmen etwa aus Köln oder gar Leipzig. Anders als im dortigen Alltag wird im Fernsehen immer schön gepflegtes Hochdeutsch gesprochen; einzig die Bayern trauen sich zu reden, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist.
Diesmal allerdings bietet Regisseur Martin Enlen der Mundart zuviel: Wer weniger südlich oder gar weitaus nördlicher aufgewachsen ist, wird so manches Verständnisproblem haben.
Das gilt auch für die Geschichte, denn vor lauter Namen brummt einem alsbald der Schädel: Weil Autor Robert Hültner die Figuren als Ensemble einführt, weiß man eine Weile nicht, welche Stammtischmitglieder die Herren Kommissare da gerade der Reihe nach auf ihrer Liste der Verdächtigen platzieren. Das Problem erübrigt sich allerdings alsbald, denn die Herren werden einer nach dem anderen gemeuchelt. Ohne den Prolog tappte man genau so im Dunkeln wie die beiden Ermittler (diesmal sehr zurückgenommen: Miroslav Nemec und Udo Wachtveitl). Der spielt ein halbes Jahr vor der eigentlichen Handlung und begleitet ein Paar aus Passau beim Operettenbesuch. Hernach geraten sie in ein Unwetter und retten sich in das Wirtshaus „Friedenseiche“, doch die vermeintliche Zuflucht wird zur Falle. Warum und wieso vermeintlich brave Biedermänner plötzlich zu Bestien werden, lässt Hültner offen. Die Tat zeigt der Film auch nicht, doch die Enthüllung am Ende kann allein Kriminovizen überraschen.
Ohnehin, so scheint’s, geht es in diesem „Tatort“ vor allem darum, ein bajuwarisches Quartett zusammenzufügen: Franz Buchrieser, Leopold Gmeinwieser, Michael Tregor und Philipp Sonntag dürfen sich ziemlich krachledern aufführen. Auch auf dem Revier der beiden Hauptkommissare gibt es ständig Auftritte diverser Kollegen Marke „Unikum“, so dass man sich bei aller Bitterkeit der Geschichte mitunter wie im Bauerntheater vorkommt. Kein Wunder, dass die „Vorstadtballade“ bisweilen am Rand der Parodie entlang schrammt. Den dritten auf der Liste treibt’s vor lauter Angst gar aus dem Fenster in die Tiefe, als die Herren von der Kripo mit Vehemenz an seine Tür klopfen. Andererseits entwickeln Enlen und Hültner durchaus ein gewisses Maß an Spannung, und das ohne jede Form von Feuergefecht oder Verfolgungsjagd. Für Freunde des Milieus ein echtes Schmankerl.