Tatort – Vom Himmel hoch

Ulrike Folkerts, Bitter, Drieschner, Tidof, Tom Bohn. Spannungsarmer Polit-Thriller

Foto: SWR / Alexander Kluge
Foto Volker Bergmeister

Tom (alias Thomas) Bohn schrieb und inszenierte den „Tatort – Vom Himmel hoch“ (ARD / Südwestrundfunk), der Politthriller sein will, dem es dafür aber an Thrill und Tempo mangelt. Lena Odenthal und Johanna Stern untersuchen den Mord an einem auf Kriegstraumata spezialisierten Psychiater, zu dessen Patienten sowohl zivile Opfer von Angriffen gehören als auch Militärs, die genauso solche Angriffe ausführen. Dabei müssen sie auch noch einen Anschlag verhindern. Die Geschichte ist überkonstruiert, es gibt zu viele öde Erklärdialoge und das Action-Finale ist hölzern & ungelenk geraten. Vorbei ist dafür der Zickenkrieg.

Eine Ärztin betritt die Gemeinschaftspraxis, geht in ihr Sprechzimmer, blickt kurz auf den Flur, entdeckt dort Schmutz, holt einen Putzkübel und beginnt zu wischen. Als sie in Höhe des Zimmers ihres Kollegen angelangt ist, blickt sie kurz hoch und sieht ihn durch die geöffnete Türe tot am Boden liegen. Ein gelungener Einstieg zum neuen „Tatort“ aus Ludwigshafen – Titel: „Vom Himmel hoch“. Das Opfer heißt Dr. Fritz Steinfeld. Der angesehene Psychiater war spezialisiert auf Kriegstraumata, zu seinen Patienten zählten nicht nur Opfer, sondern auch traumatisierte Militärangehörige der US Air Base in Ramstein. „Und sie wollen mich jetzt verhaften, weil ich es gerne sauber in meiner Praxis habe?“, sagt die Ärztin Dr. Christa Dietrich (Beate Maes), als Kommissarin Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) sie befragt. Sie hat ein Alibi, war bei ihrer Freundin, ihr Mann weiß nichts davon. Eine erste Spur führt Lena und ihre Kollegin Johanna Stern (Lisa Bitter) zu Mirhat Rojan (Cuco Wallraff). Der Kurde verlor bei einem US-Drohnenangriff im Irak seine beiden Kinder, lebt jetzt bei seinem Bruder Martin (Diego Wallraff) in Ludwigshafen. Gemeinsam planen sie einen Drohnenanschlag auf Jason O’Connor (Peter Gilbert Cotton), Staatssekretär im US-Verteidigungsministerium, der in Deutschland zu politischen Gesprächen weilt. Johanna Stern verfolgt noch eine weitere Spur. Die führt zu Heather Miller (Lena Drieschner), die als „Screener“ im Drohnenkrieg eingesetzt war, unter einer Posttraumatischen Belastungsstörung leidet, die jetzt in der Kantine arbeitet und ebenfalls Patientin des ermordeten Dr. Steinfeld war.

Tom (alias Thomas) Bohn schrieb und inszenierte den Krimi, der Politthriller sein will, dem es dafür aber an Thrill und Tempo fehlt. Der Autor und Regisseur drehte zwischen 1995 und 2001 bereits fünf Folgen mit dem Ludwigshafener Tatort-Team, danach zeichnete er für neun Folgen mit Robert Atzorn verantwortlich, inszenierte zudem Folgen am Bodensee und in Erfurt. Auch der nächste Ulrike Folkerts- “Tatort“, der bereits abgedreht ist und 2019 ausgestrahlt wird, stammt von Bohn, der die Figur somit bestens kennt. „Vom Himmel hoch“ ist Lena Odenthals 68. Fall. Nach den eher missglückten Experimenten mit den Impro-Krimis „Babbeldasch“ und „Waldlust“ und dem Abschied von „Kopper“ gibt es jetzt wieder einen „normalen“ Fall. Doch der ist von der Story her überkonstruiert und auch die Figuren sind nicht überzeugend. Sich in einer Region, in der die Amerikaner noch präsent sind, mit dem Einsatz von Kampfdrohnen und den Folgen für die Psyche zu befassen, das macht durchaus Sinn. So thematisiert der „Tatort“ die moderne Kriegführung, es geht um Drohnen – nicht nur in Kriegsgebieten, sondern auch über den Dächern von Ludwigshafen. Bohn lässt anklingen, dass Drohnenpiloten nicht nur im fernen Texas Jagd auf Terroristen im Irak, Afghanistan oder Syrien machen, sondern auch von deutschem Boden aus. „Das sind nur Spekulationen“, darf der Staatsanwalt sagen. Tatsächlich diente die US-Basis im deutschen Ramstein wohl als ein Zentrum des Drohnenkriegs, dem viele Menschen zum Opfer fallen. Nach unzähligen Ausflüchten haben die USA und die Bundesrepublik das eingestanden. So bekommt der Krimi eine politische Dimension, die aber nur angedeutet und nicht weiter verfolgt wird.

Tatort – Vom Himmel hochFoto: SWR / Alexander Kluge
Einem geplanten Anschlag auf die Spur gekommen: Ulrike Folkerts als Lena Odenthal in „Tatort – Vom Himmel hoch“ (2018)

Welche Gefahr von Kampfdrohnen, aber auch von zivil eingesetzten Drohnen ausgehen, zeigt der Regisseur, indem er optisch beide Situationen parallel filmt. Während die Rojan-Brüder den Anschlag mit der Drohne vorbereiten, besucht O‘Connor die Militärbasis mit der Kommandozentrale. Was dort das reale Töten im Stile eines Videospiels mit der Seele eines Menschen macht, das rückt Bohn in das Zentrum des Films. So hat der „Tatort – Vom Himmel hoch“ auch einen aufklärerischen Anspruch, will aufrütteln, mahnen: „Ich denke, dass das die Opfer- und die Täterrolle bei kriegerischen Auseinandersetzungen sehr eng miteinander verbunden ist. Viele Täter waren zuvor auch Opfer, haben Familienangehörige und Freunde verloren und/oder sind selber verletzt worden. Krieg ist deswegen so grausam, weil er den Mensch entmenschlicht, ihn seelisch vergewaltigt und oft zu Taten hinreißt, die er unter Friedensbedingungen nie für sich erwogen hätte. Der Krieg ist der größte Feind der menschlichen Seele. Er ist der eigentliche Täter“, sagt Bohn über seine Zielrichtung. Die Umsetzung dieser „Botschaft“ ist allerdings eher plakativ und langatmig. Für einen Thriller fehlt der unglaubwürdigen Geschichte der Thrill, es gibt nichts Pulsierendes, Treibendes, Packendes. Die Story wird meist über öde Erklärdialoge transportiert, etwa wenn die Odenthal in einem Weinberg nach Spuren einer Drohne sucht. Da wird zwischen den Rebstöcken nur Text aufgesagt. Und die Besprechungen im Ermittlerteam und die kleinen Scharmützel zwischen der Kommissarin und dem Staatsanwalt (Max Tidof) sind eine Aneinanderreihung von Informationen. Das nimmt Fahrt raus und nervt. „Dann fasse ich mal zusammen“ ist ein zentraler Satz, der für diese Art von Dialogszenen steht, die den Krimi dominieren. Da sorgt dann auch ein Actionfinale nicht für Versöhnung, denn das ist – ohne inhaltlich schon etwas zu verraten – hölzern, ungelenk und unwirklich geraten. Schade.

Positiv zu erwähnen ist, dass der langwierige, öde Zickenkrieg zwischen den beiden Ermittlerinnen, der zuletzt oft sprunghaft und nicht mehr nachvollziehbar war, nun endlich vorbei zu sein scheint. Er dreht sich sogar um. Lena sorgt sich um ihre Kollegin, die nimmt die Kommissarin, die wehmütig im Büro vor einem Spielzeug-Oldtimer steht, der sie an Kopper erinnert, fest in Armen: „Sag mal, sind das Tränen?“. Eine Szene, die leider so bindungslos ist wie manches andere auch in diesem alles andere als überzeugenden Krimi. Die regionale Erdung über den Dialekt erfolgt ausschließlich über kleine Rollen vom Streifenpolizisten bis zu den beiden Teammitgliedern, Frau Keller und Spurensicherer Berger. Und warum ausgerechnet der Bewohner eines Hauses bei einer Befragung bei seinen paar Sätzen bayerisch spricht, auch das erklärt sich nicht. Oder ist es nur, dass Frau Stern mal „Ja, mei“ sagen darf?

tittelbach.tv ist mir was wert

Mit Ihrem Beitrag sorgen Sie dafür, dass tittelbach.tv kostenfrei bleibt!

Kaufen bei

und tittelbach.tv unterstützen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Reihe

SWR

Mit Ulrike Folkerts, Lisa Bitter, Lena Drieschner, Cuco Wallraff, Diego Wallraff, Beate Maes, Peter Gilbert Cotton, Jim Boeven, Max Tidof, Annalena Schmidt, Peter Espeloer, Kailas Mahadevan

Kamera: Jürgen Carle

Szenenbild: Andreas C. Schmid

Schnitt: Isabelle Allgeier

Musik: Jan Kazda

Redaktion: Ulrich Herrmann

Produktionsfirma: Südwestrundfunk

Produktion: Nils Reinhardt

Drehbuch: Tom Bohn

Regie: Tom Bohn

Quote: 7,69 Mio. Zuschauer (21,8% MA)

EA: 09.12.2018 20:15 Uhr | ARD

Spenden über:

IBAN: DE59 3804 0007 0129 9403 00
BIC: COBADEFFXXX

Kontoinhaber: Rainer Tittelbach