Die norwegische Studentin Trude Bruun Thorvaldsen (eine Entdeckung: Lise Risom Olsen) erwacht unter Alpträumen. Sie berichtet Kommissar Felix Stark (Boris Aljinovic) und dem Polizeipsychologen Robert Meinhardt (Fabian Busch) über den Mord aus ihrem schrecklichen Traum. Zwei Monate später wird die Studentin Lisa Steiger (Tinka Fürst) erwürgt aufgefunden. Die junge Frau hatte sich von ihrem Freund Florian (Florian Bartholomäi) getrennt. Stark und sein Team nehmen die Ermittlungen auf. Bald werden Parallelen zu Trudes Vorahnungen erkennbar. Starks Chefin Karin Breitenbach (Birge Schade) fürchtet, Trude geht mit ihrer merkwürdigen Geschichte über das zweite Gesicht an die Presse. Das kann Stark, der sich Vorwürfe macht, nicht auf die Hinweise reagiert zu haben, verhindern. Aber er glaubt Trude und versucht, ihre Visionen mit Hilfe seiner Kollegin Paula Wimberg (Laura Tonke) zu entschlüsseln. Dann gerät Trude in Lebensgefahr. Stark und sein Team können den Mörder fassen. Als Trude erneut von Mordvisionen gequält wird, fühlt Stark mit, wie sehr die Psychologiestudentin unter ihrer seherischen Fähigkeit leidet. Der Fall beansprucht seine Nerven, denn Trudes Visionen betreffen auch ihn. Kan Stark einen weiteren Mord verhindern?
Erst ging der Lange, jetzt geht der Kurze. Dominic Raacke ist schon weg, nun verabschiedet sich auch Boris Aljinovic als Berliner „Tatort“-Kommissar. In seinem letzten Fall bekommt er Unterstützung von Fabian Busch in der Rolle des Polizeipsychologen Robert Meinhardt. Es geht um hellseherische Fähigkeiten, Visionen und den Hang zum Unerklärlichen. Un der Kommissar mittendrin! Klaus Krämer, der bereits die beiden äußerst bemerkenswerten Berlin-„Tatort“-Krimis „Hitchcock und Frau Wernicke“ und „Machtlos“ inszenierte, hat diesen wilden Mix aus Realität und Parapsychologie erdacht und gedreht. Der Autorenfilmer liebt es in Grenzbereiche menschlichen Denkens & Handelns vorzudringen. Der „Tatort – Machtlos“ geriet zu einem Psychospiel um einen Kindesentführer, diesmal geht es um die Vorahnung eines Mordes, der dann auch geschieht und die Täterjagd mittels der zur Parapsychologie zählenden Präkognition. Dieses Motiv kennt man auch aus US-Filmen wie „Minority Report“. Aber wie Krämer das Thema angeht und wo er es letztlich hinführt, ist in großen Teilen überzeugend. Nur das Motiv des zweiten Täters bleibt völlig offen, die Hinführung darauf ist sprunghaft und letztlich sind die letzten 20 Minuten – der erste Täter ist nach gut einer Stunde überführt – zwar sehr dicht und spannend, aber in ihrer Entwicklung auch unbefriedigend.
Sehr ruhig und reduziert – nicht nur beim Einsatz von Hintergrundmusik – inszeniert Krämer Kommissar Starks zermürbenden Alptraum. Und nutzt Boris Aljinovic großes Zeichentalent. „Vor der Mauer hab ich damit Geld verdient“, sagt der Schauspieler, der als zeichnender Stark die (tödlichen) Visionen der Studentin zu Papier bringt. Eine zusätzliche Facette im nuancierten Spiel von Aljinovic, der den Kommissar in seinem letzten Fall stellenweise aber ein wenig zu betroffen mimt. Weniger wäre beim nach außen „gespielten“ Innenleben mehr gewesen. Eine echte Entdeckung ist die Norwegerin Lise Risom Olsen in ihrer erster deutschen Produktion. Sie mimt diese Frau mit der besonderen Gabe wohltuend zurückgenommen, eher zweifelnd & auch verzweifelnd als entrückt. Das tut der Rolle gut.
Was macht man mit einem Wissen, das man nicht benutzen kann? Und wie reagiert das Umfeld (der Freund des Opfers) und die Gesellschaft (die Polizei) auf diese visionäre Begabung? Fragen, die der „Tatort – Vielleicht“ in spannend-unterhaltsamer Weise aufwirft und zu beantworten versucht. Manchmal mit ein wenig zu viel „Psycho“. Doch genau damit spielt der Regisseur auch – wenn eine Mitarbeiterin im Kommissariat trefflich formuliert: „Mir ist das alles zu spooky“. Vor dem Showdown reicht dann Stark seine Versetzung ein. Doch da steht noch ein Einsatz an – ein allerletzter Einsatz… Wie der ausgeht? Sehen Sie selbst. Und auch der Titel „Vielleicht“ wird – beim Gastauftritt von Heikko Deutschmann – erst mit dem letzten gesprochenen Wort erklärt. Ende. Aus. Lange Zeit taten sich die Berliner Kommissare in der „Tatort“-Reihe schwer. Meist waren es einfallslose Bücher. In den letzten Jahren bekamen die Figuren zunehmend Kontur, die Geschichten wurden besser, dichter. Dennoch ist jetzt Schluss. Aber Veränderungen tun dem „Tatort“ gut. So geht es 2015 in Berlin weiter – dann nehmen Meret Becker & Mark Waschke den Dienst auf. (Text-Stand: 24.10.2014)