Charlotte Lindholm fährt durch die niedersächsische Pampa. Es ist dunkel, sie hat sich verfahren und ist müde. Plötzlich taucht die Silhouette eines Kindes auf und der Schatten eines Mannes. Sie kann gerade noch ausweichen und knallt vor einen Baum. Die Folge: Schädelhirntrauma und vorübergehender Erinnerungsverlust. Am nächsten Tag erwacht sie mit Halskrause und dem Gefühl, dass in dieser Nacht, auf dieser Straße etwas Schlimmes passiert ist und dass die Bewohner des Dorfes, in dem sie aufgeschlagen ist, etwas zu verbergen haben. Ihr fehlen zehn Stunden. Sie glaubt, einen Menschen angefahren zu haben. Außerdem kommt ihr die Einstichstelle an ihrem Arm seltsam vor. Hirngespinste oder Indizien für eine Verschwörung? Hat man ihr Drogen verabreicht? Außerdem wird sie von allen im Dorf angestarrt. Offenbar ist sie einer Bäuerin, die an Lindholms Unfallstelle den Tod fand, wie aus dem Gesicht geschnitten. Lindholm quartiert sich im Gasthof ein – und wenig später hat die krank geschriebene Kommissarin noch einen Mordfall an der Backe.
Erinnerungsstörungen bei Kommissaren haben mal wieder Konjunktur. Jetzt hat es Charlotte Lindholm erwischt, die kühle Hannoveraner LKA-Frau, die sich bislang auf ihren Verstand und ihre Geistesgegenwärtigkeit verlassen konnte. In „Vergessene Erinnerung“ dauert es, bis sie wieder zu alter Form aufläuft. Der Mord bringt sie wieder nach vorn. Weg mit der Halskrause! Und plötzlich ist sie wieder ganz die perfekte Ermittlerin, die einzelgängerisch ihren Weg geht. Gab es im letzten Furtwängler-„Tatort“ einige Szenen, in denen angedeutet wurde, dass Lindholm nicht nur die Toughe, die Coole, die Verkopfte ist, Szenen, in denen ihr Seelenleben ausgeleuchtet wurde, ist ihr zwischenzeitlicher Kontrollverlust in „Vergessene Erinnerung“ nicht mehr als ein aufgesetzter Handlungsgag ohne psychologischen Sinn.
Auch der Ausflug ins Mystery-Genre in den ersten Bildern, in denen es visuell gehörig wabert, ist kaum mehr als ein ästhetischer Kick. Die Kintopp-Effekte sind aber noch das Beste an diesem „Tatort“, dessen Krimi-Plot nicht funktioniert, weil man ihm vor lauter Namen, denen keine Gesichter zugeordnet werden, und vor lauter nacherzählter Vorgeschichte nur schwer folgen kann. So bleiben die Ereignisse um den Mordfall lange Zeit ein Mysterium. Erst der Showdown (er)klärt die Dinge. Ein vordergründiger, nicht mehr als solider „Tatort“, der eindeutig am Drehbuch krankt. (Text-Stand: 31.1.2010)