Er ist nicht unbedingt einer zum Gernhaben, der neue “Tatort”-Kommissar aus Kiel. Kollegen watscht er schon mal ab, gegen Frauen hegt er einen tiefen Groll und mit Dienstvorschriften nimmt er es nicht so genau. Maulfaul und ein wenig muffelig macht er sich im Auftaktkrimi “Väter” an einen Fall, der ihm einen toten Polizisten, einen ermordeten Geschäftsmann und 20 Stunden beim psychologischen Dienst beschert. Jener Klaus Borowski, ein bisschen einsamer Wolf, ein bisschen schlauer Fuchs, hat auch eine andere Seite. Die wird vor dann sichtbar, wenn seine vorpubertierende Tochter tiefe, ehrliche Vatergefühle in ihm wachruft oder wenn er mit seinem Kumpel, einem Ex-Ganoven, seeluftschnuppernd Abstand sucht vom Beruf. Dann und in Momenten, wenn ihn die Aussicht in seinem Büro dazu verleitet, den Blick über die Weite des Meeres schweifen zu lassen, dann kommt der Melancholiker in ihm hoch.
Axel Milberg hatte die Idee zu diesem eigenbrötlerischen Nordlicht, der eine Weiterführung seines Borowski aus einer “Stahlnetz”-Einzelfolge ist. “Man müsste mal einen ’Tatort’ in Kiel ansiedeln, in der Stadt, die ich liebe, wo ich sehr gern bin, aber nie gearbeitet habe”, dachte er, nachdem er sah, dass eine Stadt wie Münster ja auch geht als “Tatort”-Domizil. Die NDR-Fernsehfilmchefin war angetan, kamen doch die besten und legendärsten Filme der Krimi-Reihe in den 1970ern aus eben jener nördlichen Hafenstadt: Klaus Schwarzkopf war der Kommissar, Wolfgang Petersen der Regisseur und “Reifezeugnis” mit Nastassja Kinski, einer der fünf Finke-Fälle, der “Tatort” mit der größten Langzeit-Wirkung.
Borowski soll ein Mal im Jahr ermitteln. Zum Liebling der Nation wird er nicht werden. Der geschiedene Endvierzger soll einer mit Ecken und Kanten bleiben. “Doch auch Humor gehört zu dieser Figur”, ist Milberg wichtig. Und er dürfe kein ausgemachtes Ekelpaket werden. “Die Grenze ist erreicht, wo der Zuschauer das Interesse an der Figur verliert und nur noch ‘Arschloch’ denkt”, so Milberg. “Man muss immer noch verstehen können, warum er so handelt, auch wenn man es nicht richtig findet.“
Doch der Kerl ist nicht alles. Gerade bei einem Standort wie Kiel wird der Erfolg auch abhängig sein von der Abstimmung der Fälle auf die Gegend. Das Team um Heinze, Autor Orkun Ertener und Regisseur Thomas Freundner hat eng mit der Kieler Polizei zusammengearbeitet. “Wir haben uns Fälle beschreiben lassen, die unverwechselbar vom Kieler Umfeld geprägt sind”, betont Milberg. So steht in der durchweg gelungenen Premiere “Väter” ein ehemaliger Seemann im Zentrum der Ermittlung, einer, der weder zu Land noch zu Wasser sein Leben im Griff hat. Ein Unglücksrabe. Er macht sich an der Radarfalle, die ihn geblitzt hat, zu schaffen, wird von einem Polizisten verfolgt, der dabei zu Tode kommt. Der Mann flieht. Der, der ihm ein Alibi verschaffen soll, liegt wenig später tot im Hafen und der Ex-Seemann steht nun auch noch unter Morverdacht. (Text-Stand: 30.11.2003)