Die Schlachthofangestellte Steffi Pietsch ist nicht allzu beliebt bei ihren Kolleginnen. Nach einer neuerlichen Mobbing-Attacke wird die Frau unter einer Brücke tot aufgefunden. Die Aussagen der Fabrikarbeiterinnen und die Antidepressiva in der Wohnung der Toten lassen auf Selbstmord schließen. Die Gerichtsmedizinerin kommt zu einem anderen Ergebnis: Genickbruch – einige Stunden bevor die Frau unter der Brücke abgelegt wurde. Im privaten Umfeld gibt es zwei Verdächtige: den Ex-Ehemann und seine Neue, eine attraktive Tanzlehrerin, der Kopper bei einigen Rumba- und Tango-Versuchen kräftig auf die Füße tritt. Aber auch an den Händen der Mädels von der Bratenstraße könnte durchaus nicht nur das Blut der 10.000 pro Woche getöteten Schweine kleben. Steffi Pietsch war nicht nur eine liebende Mutter. Sondern auch eine Frau, die sich nichts gefallen ließ. Im Internet wetterte sie auf ihrer Homepage frisch von der Leber weg. Offenbar wollte sie auch ihren Arbeitgeber öffentlich an den Pranger stellen. Mord also – um den Arbeitsplatz zu sichern?
Foto: SWR / Dirk Guldner
Von der diplomierten Versicherungskauffrau in die Fleischfabrik – solche beiläufig erzählten, sozial relevanten Details gehen beinahe unter in den 70.000 Litern Schweineblut, dessen Spuren sich zwischen Schlachtung und Fertiggerichtproduktion, zwischen Formfleisch und Vollverwertung wirkungsvoll durch diesen Odenthal-Kopper-„Tatort“ ziehen. „Tödliche Häppchen“ wird indirekt zum Plädoyer gegen die deutsche Fleischfresssucht, die gepaart mit der typischen Schnäppchen-Mentalität besondere Bauchschmerzen bereiten kann. Der Film von Josh Broecker ist dennoch kein Vehikel für verbal geführte Botschaften – dafür sind die Bilder aus der Fleischfabrik zu eindringlich und die kleinen Dramen zwischen Social Network und Psychotherapie zu abwechslungsreich und zu gut gespielt. Hinzu kommt ein Augenzwinkern, das für Ludwigshafener Buddy-Verhältnisse zumindest überdurchschnittlich ist – dank Koppers Tanzversuchen und einiger spitzzüngig pointierter Dialogpassagen.
Stereotype Zwischenbilanz nach 30 Minuten – danach wird „Tödliche Häppchen“ immer besser:
Odenthal: „Die ganze Sache ist eigenartig. Zerschnittene Klamotten, eine verschwundene Katze, gestohlener PC, ein vorgetäuschter Selbstmord und eine Freundin, die Angst hat.“
Kopper: „Und ein Ex-Mann ohne Alibi.“
Den ernsthaften Kontrapunkt setzt Bernadette Heerwagen, streng maskenhaft geschminkt, mit ihrer seelisch angegriffenen Figur als Freundin der Ermordeten. Aber auch alle anderen Schauspieler sind bestens für ihre Rollen gecastet: Kathrin Kühnel als sexy die Hüften schwingende Tanzlehrerin, Floriane Daniel als rustikale Vorarbeiterin, Felix Vörtler als mundfauler Psychologe, Johannes Zirner als cooler, Kaugummi kauender Fleisch-Manager, Ole Puppe als zynischer Veterinärmediziner und Idil Üner als Tote, die im Internet weiterleben darf. Fazit: nach langer Durststrecke beim Ludwigshafener „Tatort“ mal wieder ein passabler Fall und recht überzeugender Film. „Tödliche Häppchen“ nach dem großen Festtagsfressen zu platzieren, ist eine der viel zu seltenen, durchdachten Programmierungen im Ersten.