Tatort – Tödliche Freundschaft

Krug, Brauer, Baltus, Zschoche. Themen-Fernsehspiel plus etwas Kriminalfilm

Foto: NDR
Foto Tilmann P. Gangloff

Ungeschickterweise nimmt der Titel „Tödliche Freundschaft“ (1995) die Lösung des Falls vorweg, aber Spannung war offenbar ohnehin nicht das oberste Ziel dieses Krimis aus Hamburg: Drehbuchautor Raimund Weber hatte vor allem ein (nicht nur dramaturgisch ungelenkes) Plädoyer gegen die gentechnische Veränderung von Nahrungsmitteln im Sinn; die eigentlichen Täter stammen in diesem Film aus der industriellen Nutztierproduktion. Die Inszenierung durch den großen Defa-Regisseur Herrmann Zschoche ist zwar ebenfalls nicht unbedingt packend, aber das Duo Manfred Krug und Charles Brauer ist sehenswert.

Es ist vor allem das Thema, das diesen Hamburger „Tatort“ aus dem Jahr 1995 zu einem besonderen Film macht: Die beiden Kommissare Stoever und Brockmöller (Manfred Krug, Charles Brauer) kommen einem Gentechnik-Skandal auf die Spur. Erster Hinweis sind die bizarr vergrößerten Organe zweier Babys im Mutterleib. Die Mütter arbeiten im selben Altenheim, auch der Vater ist in beiden Fällen der gleiche. Mit seinem Tod beginnt die Geschichte: Der Mann wird erstochen in einem alten Hamburger Bunker gefunden. Dass vorübergehend seine Frau (Anke Sevenich) zu den Verdächtigen gehört, weil sich das Paar getrennt hat und sie im Fall einer Scheidung nichts von seinem Vermögen abbekäme, ist ein kaum kaschiertes Ablenkungsmanöver von Drehbuchautor Raimund Weber. Viel interessanter ist die zweite Spur, denn sie führt zur Schweinemast und damit zum Kern der Geschichte.

Die Handlung trägt sich größtenteils im Großraum Winsen an der Luhe zu, also in Niedersachsen. Knapp zwanzig Jahre später hat sich der Krimi „Der sanfte Tod“ (2014), ein „Tatort“ aus Hannover, ebenfalls mit der industriellen Tierhaltung beschäftigt; ein großer Wirtschaftsfaktor in dieser Gegend. Die Diskussion über gentechnisch veränderte Nahrungsmittel stand Mitte der Neunziger gerade erst am Anfang; der NDR hat sich mit „Tödliche Freundschaft“ also an gleich zwei brisante Themen getraut. Weil die Mutter (Gisela Trowe) des Mordopfers durch windige Anlagegeschäfte um ihr Vermögen gebracht worden ist, gibt es sogar noch eine dritte Ebene dieser Art, die aber eher nebenbei behandelt wird.

Tatort – Tödliche FreundschaftFoto: NDR
Ein ungelenkes Plädoyer gegen die gentechnische Veränderung von Nahrungsmitteln. Manfred Krug und Gerd Baltus im „Tatort“

Um die Kommissare und damit auch die Zuschauer mit den nötigen Hintergrundinformationen zu versorgen, muss Gert Haucke als Tierarzt einen entsprechenden Vortrag halten, der keinen Zweifel an der Haltung des Autors lässt: Wer Gott ins Handwerk pfuscht, ist ein Schurke und schreckt auch vor Mord nicht zurück. An der Identität des Täters gibt es ohnehin keinen Zweifel: Udo Schenk, der in all den Jahren seither zwar älter geworden ist, sich ansonsten aber überhaupt nicht verändert hat, war schon damals auf die Rolle des Bösewichts vom Dienst festgelegt. Er spielt einen Wissenschaftler, der gemeinsam mit dem Mordopfer, seinem besten Freund aus gemeinsamen Kindheitstagen, ein Wachstumshormon entwickelt hat. Beide hatten für ein Pharmaunternehmen gearbeitet. Als die Firma die Forschung in diesem Bereich eingestellt hat, sind sie zur hauseigenen Tierarzneiherstellung eines Schweinekonzerns gewechselt. Der Kollege hat dann aber wohl kalte Füße bekommen und ist ausgestiegen.
Der Fall ist also recht bald klar, zumal der Titel die Lösung ohnehin vorwegnimmt und der Leichenfundort der bevorzugte Spielplatz der beiden Jugendfreunde war, weshalb es umso blödsinniger ist, dass der Mörder den Toten ausgerechnet hier deponiert hat. Bevor die Geschichte zum Ende kommt, muss jedoch noch mit der Gentechnik und dem „Schweinebaron“ abgerechnet werden. Die Tirade des Tierarztes gipfelt in dem Ausspruch, der Unternehmer sei eine „Geißel für Mensch, Tier und Landschaft“; letzteres wegen der anfallenden Gülle, in die der Mörder am Ende prompt fällt. Wie ungelenk das alles mitunter verpackt ist, zeigt Brockmöllers Nachfrage, als er im Stil eines Reporters wissen will: „Was heißt das für den Verbraucher?“. Dass der Inhaber (Gerd Baltus) einer teuren Altenresidenz im Auftrag des Mastschweinproduzenten Senioren und Personal (darunter auch die beiden Schwangeren) für Menschenversuche missbraucht, ist natürlich der Gipfel der Ruchlosigkeit; und auch dieser Mann geht über Leichen. Immerhin erspart sich der Film missionierende Ausführungen über unethischen Fleischverzehr; Stoever darf sogar mit großem Appetit ein Schnitzel verzehren, das aber selbstredend nicht von einem „Turboschwein“ stammt.

Wenn „Tödliche Freundschaft“ trotzdem sehenswert ist, dann in erster Linie wegen des Duos Krug und Brauer, die ihre Kommissare mit gewohnt sympathischer Schnoddrigkeit verkörpern und sich nach klugen Erkenntnissen gegenseitig befördern: den einen zum Polizeirat, den anderen zum Innensenator. Die Inszenierung ist dagegen eher spannungsarm; für den großen Defa-Regisseur Herrmann Zschoche („Sieben Sommersprossen“, „Bürgschaft für ein Jahr“) war dieser Film eine seiner letzten Regiearbeiten, bevor er sich mit Anfang sechzig aus dem Filmgeschäft zurückzog. Der Krimi war der 24. Stoever-„Tatort“ (von 41) und hatte bei seiner Erstausstrahlung mit gut acht Millionen Zuschauern und einem Marktanteil von gut 26 Prozent einen für damalige Verhältnisse eher durchwachsenen Erfolg.

tittelbach.tv ist mir was wert

Mit Ihrem Beitrag sorgen Sie dafür, dass tittelbach.tv kostenfrei bleibt!

Kaufen bei

und tittelbach.tv unterstützen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Reihe

NDR

Mit Manfred Krug, Charles Brauer, Gerd Baltus, Udo Schenk, Gisela Trowe, Wolfgang Winkler, Gert Haucke, Anke Sevenich

Kamera: Klaus Brix, Sönke Hansen

Szenenbild: Hans Zillmann

Schnitt: Dagmar Pohle

Musik: Klaus Doldinger

Produktionsfirma: Studio Hamburg

Drehbuch: Raimund Weber

Regie: Herrmann Zschoche

EA: 21.05.1995 20:15 Uhr | ARD

Spenden über:

IBAN: DE59 3804 0007 0129 9403 00
BIC: COBADEFFXXX

Kontoinhaber: Rainer Tittelbach