Verloren im Zirkusrund – Kommissar Ehrlicher tappt durch Sägespäne und stottert sich durchs Verhör. Das ist offensichtlich nicht die Welt des so bieder wirkenden Ermittlers aus Dresden. Erst nach und nach dringen er und Kollege Kain in diese geschlossene Welt der Artisten, Gaukler und Dompteure ein. „Tot auf dem Hochseil“, bemüht sich um authentischen Zirkusflair: gedreht wurde im Original-Zirkus „Hein“, deren Artisten und Tiere waren mit von der Partie und die Mitglieder von Europas größter Hochseiltruppe agierten sogar als Doubles.
Ein Starartist ist vom Seil gefallen. War es ein Unfall oder hat da jemand nachgeholfen? Im Zirkus jedenfalls schwelt nicht nur ein Konflikt. Zunächst macht sich der Zirkusdirektor (Peter Bongartz) verdächtig: immerhin kassiert er für den prominenten Seilgänger ein hübsches Sümmchen. Dann richtet sich das Augenmerk zunehmend auf die schöne Anastasia (Katja Woywood), die Kollegin und Verlobte des Toten. Fast jeder Mann im Zirkus will etwas von ihr. Aber auch Zwerg Boris (Michael Markfort) und Seilläufer Sven (Tilman Günther) mit ihrer provozierend selbstbewussten Art sind den Kommissaren reichlich suspekt.
Ein jungfräulich wirkendes Objekt der Begierde, ein mit allen Wassern gewaschener Chef in der Arena, ein alter, einsamer Krüppel und ein Heer unterdrückter Zirkusleute am Rande zur Prostitution: die Manege gibt immer etwas her, wenn es um menschliche Emotionen, um Mord und Totschlag – kurz, um die niederen Instinkte des Menschen geht. „Wir sind das fahrende Volk – wenn wir nicht klauen, dann bringen wir uns gegenseitig um“, so ironisiert der kleinwüchsige Boris die allgemein gängigen Klischees seines Metiers. Autorin Claudia Sontheim artikuliert dieses Vorurteil zwar, in „Tod auf dem Hochseil“ überlebt aber auch die Dichotomie von Bürger-Alltag und Zirkuswelt, von Ordnung und Chaos. Dieser Gegensatz spielte bereits bei den Dorias der legendären Familienserie „Salto mortale“ eine Rolle und zog sich 15 Jahre später vor allem durch die individuellen Tragödien der „Roncalli“-Serie
Ob Lauterbachs Faust als Zirkusclown, Dr. Monika Lindt als Schutzbefohlene ausgebeuteter Kinder-Artisten oder Ehrlicher in der Zirkuskuppel ratlos – Krimi-Geschichten im Zirkus- Mikrokosmos haben für Autoren und Regisseure noch immer ihren Reiz. Da schwingen Freiheit und Exotik mit; wovon der kleine Beamte nur träumen kann. Da ist Enge verordnet, doch in Sachen Optik und Action könnte leicht mehr geboten werden als in einem herkömmlichen Krimi-Kammerspiel. Könnte! Leider aber kommt das Drehbuch über einen faden Whodunit nicht hinaus und die Inszenierung spiegelt mehr von der drögen Ermittlerwelt als von der erfrischenden Wildheit des Zirkusmotivs. Schade… (Text-Stand: 26.7.1998)