Ist da ein Irrer in Kiel unterwegs, der sich für Körperflüssigkeiten interessiert? Oder spielt hier einer den helfenden Todesengel, der Menschen mit besonderer Begabung heimsucht? Eine 16-jährige Klaviervirtuosin, ein unter Alzheimer leidendes Schachgenie und ein Olympionike im Rollstuhl – sorgsam einbalsamiert – werden Opfer eines Serienmörders von nebenan, dem es offenbar um Anerkennung geht. „Ich bin kein Monster; ich habe ihnen ihre Würde zurückgegeben“, lässt er die Polizei wissen. Ein schwieriger Fall für Borowski, dem es auch persönlich nicht gut geht. Er leidet unter Herzschmerzen, seine Nerven liegen häufig blank und dann ist da auch noch diese Frieda Jung, die ihm penetrant auf die Pelle rückt. Sie soll ein psychologisches Profil von ihm erstellen. Als ein hochbegabter siebenjähriger Junge verschwindet, der unter Muskelschwund leidet, herrscht Ausnahmezustand in Kiel. Borowski setzt alles daran, einen weiteren Mord zu verhindern – und er stellt dem Killer eine Falle.
Im dritten Borowski-„Tatort – Stirb und werde“ (frei nach Goethe) bekommt es der Kommissar mit einem ebenbürtigen Gegner zu tun. Der Mörder ist der freundliche Herr Gärtner, der ähnlich wie sein Gegenüber gelegentlich herrlich ausrasten kann. Matthias Brandt spielt diesen vermeintlichen Erlöser auch optisch mit Milberg-Touch. Was auf der Film- und Bildebene gut funktioniert, ist psycho- wie kriminologisch wenig plausibel, und besonders spannend ist der gut inszenierte Film von Claudia Garde auch nicht. Das aber liegt keineswegs an der offenen Führung des Täters, sondern an der wenig komplexen Krimihandlung. Was in späteren Kieler Duellen wie „Borowski und die Frau am Fenster“ oder „Borowski und der stille Gast“ zu atmosphärischen Zweikämpfen verdichtet wird, geriet Autor Orkun Ertener 2004 etwas grob und knallig (und auch Garde zog nach, was Musik & Montage angeht). In „Stirb und werde“ nimmt dafür das seinen Anfang, was den Reiz weiterer Borowski-Filme ausmachen sollte: das Spiel zwischen Milberg und Eggert, zwischen Profiler und Psychologin – dieses Knistern, dieser leise Flirt (in einem Pflegeheim wird der linkische Polizist sogar zu einem Tänzchen genötigt) entschädigt für die Löcher im Serienmörder-Skript.
Foto: NDR / Marlies Henke