Ein Solidaritätslauf für ein Luzerner Kinderhilfswerk endet mit einem Mord. Der Chef einer Kinderklinik wird mit einem Skalpell brutal getötet. Seine Ehefrau und sein Stellvertreter – beide hatten ein Verhältnis miteinander – geraten unter Verdacht und kommen in U-Haft. „Verhaften und Schluss“, so die Anordnung von oben. Kommissar Flückiger erkennt zwar das Motiv der beiden, zweifelt aber an deren Schuld. „Als Arzt einem Arzt mit dem Skalpell abstechen – wie dämlich halten sie mich eigentlich!?“ An diesem Argument des Verhafteten ist schon was dran. Als wenig später die kleine Schwester einer Polizistin sich das Leben nimmt, zeichnet sich eine Verbindung beider Taten ab: die gleiche Waffe, ein Skalpell; außerdem hatten beide vor vielen Jahren miteinander zu tun – der ermordete Arzt hatte die Selbstmörderin als Kind behandelt. Er hat sie operiert: „Geschlechtszuweisung“ nennt man im Amtsdeutsch jene OP von Transsexuellen. Offenbar wurde sie zu früh operiert. „Sie haben ein Mädchen aus ihr gemacht, aber sie ist nie eines geworden“, sagt die Schwester. 41 Operationen dieser Art hat der Getötete vorgenommen; allein sieben Patienten haben sich davon umgebracht…
Nach dem misslungenen Auftakt-„Tatort“ des Schweizer Fernsehens nach zehn Jahren „Tatort“-Abstinenz konnte es nur bergauf gehen beim zweiten Schweizer Kommissar-Flückiger-Einsatz. Die Steigerungskurve hält sich allerdings in Grenzen. „Skalpell“ beginnt langatmig, die Szenen sind umständlich, die Kommunikation hakt, die Befragungen und Verhöre wirken spröder als „Derrick“ erlaubt. „Wo waren Sie heute Mittag?“, fragt der eine, „Hatten Sie ein Verhältnis?“, der andere. Ein bisschen lässt sich das damit entschuldigen, dass sich der von Stefan Gubser sympathisch gespielte Kommissar und seine neue Kollegin Liz Ritschard schließlich auch erst noch finden müssen: Es ist ihr erster gemeinsamer Fall. Die Hierarchien sind grob gestanzt – einen solch engstirnigen, stereotyp gezeichneten Kripo-Chef einem „Tatort“-Team an die Seite zu stellen, würde sich hierzulande kein Autor mehr wagen.
Erst nach einer halben Stunde, mit dem Selbstmord, wird dem Zuschauer die Möglichkeit gegeben, ein bisschen mitzudenken. Das Thema Transsexualität und wie mit ihm gesellschaftlich umgegangen wird, ist interessant, wie es filmisch behandelt wird, weniger. Dabei würden der hohe psychische Leidensdruck, das sich fremd Fühlen im eigenen Körper, einen guten psychologischen Unterboden für ein spannendes Krimidrama abgeben. Doch Autor Urs Bühler verschenkt diese Möglichkeiten. Viel zu dramaturgisch unentschlossen werden die tragischen Lebensgeschichten der zu früh Operierten in die Handlung eingeflochten, anstatt eine „Leidensfigur“ zur Hauptfigur des Films zu machen. So nimmt sich der Autor nur das, was imstande ist, für etwas Mitleid und Empathie zu sorgen. Nicht nur Plot-technisch, auch vom Filmhandwerk her bewegt sich „Skalpell“ ganz weit unten auf der „Tatort“-Qualitätsskala. Alles in Tobias Ineichens Film ist irgendwie farblos. Entsprechend den tragischen Schicksalen der als Kleinkind operierten Transsexuellen, denen man niemals die Wahrheit über ihr Geschlecht gesagt hat und die sich diffus „krank“ fühl(t)en, überkommt einen auch als Zuschauer das Gefühl, dass hier etwas nicht stimmt – mit diesem Film.