Gerade hat Charlotte Lindholm ihren Sohn auf einem Ferienhof abgegeben, da setzt sie ihren Wagen, irritiert von freilaufenden Tieren, auf einen Stein. Wenige Minuten später explodiert ganz in ihrer Nähe ein Einfamilienhaus. Der Besitzer, ein unauffälliger, unbescholtener Mann, kommt zu Tode. Die Ehefrau kann sich nicht erklären, wer ihm etwas Böses wollte. Das Haus war präpariert, die tödliche Gasexplosion von langer Hand geplant. Lindholms Ermittlungen führen sie in eine Laube am Waldrand. Dort kommt sie dem Doppelleben des Ermordeten auf die Spur – und macht eine grauenvolle Entdeckung. Hat sich dieser Mann an Kindern vergangen? Und hat er sie sogar gefangen gehalten und systematisch gequält?
Hinter der bürgerlichen Fassade tut sich ein Abgrund auf – in Form einer Klappe im Boden. Die Geschichte von „Schwarze Tiger, weiße Löwen“ weckt Erinnerungen an den Fall Kampusch. Die Ermittlerin und Mutter Charlotte Lindholm, unterstützt von einer nicht weniger empathischen Kollegin, fungiert als eine Art Spiegelungsinstanz für den Zuschauer. Die Emotionen werden in der Hauptfigur gebündelt. Erschwerend hinzu kommt, dass sich die Ermittlerin in einen Mann verliebt hat, der seltsame Machtspielchen mit ihr treibt. Regisseur Roland Suso Richter interessierte, wie diese Situationen, Verliebtheit hier, nervöse Anspannung dort, die sonst so toughe Frau verändern. „Ist sie noch Herr ihrer Gefühle?“
Foto: NDR / Roland Suso Richter
„Weil diese Fälle tatsächlich passieren und weil sie so große Aufmerksamkeit erzielen, darf und soll der ‚Tatort’ sie aufgreifen“, findet Maria Furtwängler. „Uns aber liegt daran, dass sich das Grauen nicht auf dem Bildschirm, sondern im Kopf des Betrachters abspielt.“ Das Thema war überfällig. Wie es dramaturgisch angegangen wurde, und zwar in der Art, es im Projektionsfeld der beiden weiblichen Hauptfiguren mit leicht unterschiedlichen Haltungen zu verorten, ist weitgehend stimmig. Gleiches gilt für den etwas chaotischen Verlauf der Ermittlung. Unfassbares verträgt ein solches, eher an der Realität orientiertes Ermitteln.
Weniger überzeugend ist die private Geschichte. Kann man der Figur dieses Verhalten nach zehn „Tatort“-Jahren überhaupt abnehmen? Diese Schmetterlinge im Bauch, diesen Kontrollverlust, dieses mitunter übergriffige Verhalten gegenüber den Verdächtigen? So ausgedacht diese „Neupositionierung“ der Figur wirkt, so vermittelt sie sich auch im Spiel von Maria Furtwängler. Außerdem hat man den Eindruck, als sei diese „Vermenschlichung“ von Charlotte Lindholm wichtiger als das Thema. Auch wenn die LKA-Frau Fehler macht, es bleibt eine One-Woman-Show. Dabei hätte man doch zumindest eine Two-Women-Show, wenn nicht gar eine Three-Women-Show daraus machen können – mit Inka Friedrich und Janina Stopper in den Episoden-Hauptrollen. Auch wenn es sich bei Lindholms „Beziehung“ ebenfalls um eine pathologische Variante eines Machtspiels handelt, lenkt diese Privatisierung letztlich vom Hauptthema ab. Fazit: gute Inszenierung, gute Gast-Schauspieler, gutes Thema, in dieser Konstellation aber nicht optimal ausgespielt. (Text-Stand: 20.11.2011)