Friedhofsruhe. Ein alter Herr stellt Blumen auf das Grab der Familie Imberger, ein junger Mann steht in der Nähe, spielt mit seinem Handy. Als die beiden Richtung Auto gehen, sieht man ihre Köpfe aus der Perspektive eines Zielfernrohrs. Schüsse. Der Jüngere wird tödlich getroffen. Schnitt. Polizei, Absperrungen, Kommissar Lannert braust mit seinem Porsche mitten rein in den Friedhof. Der Tote war Chauffeur des Unternehmers Otto Imberger. Ob er tatsächlich das Opfer sein sollte? Bald stößt der Schwaben-Cop auf erbitterte Machtkämpfe über die zukünftige Produktausrichtung innerhalb der traditionsreichen Porzellan-Firma.
Der große Mime Otto Mellies, fünfzig Jahre lang Ensemblemitglied am Deutschen Theater in Berlin, spielt diesen schwäbischen Familien-Patriarchen Imberger. Und das präzise und würdevoll, mit gebotener Ruhe und sparsamen Gesten, aber enormer Intensität. Schnell spürt man, dass Imberger, dessen Schaffenszeit sich dem Ende neigt, ein Geheimnis mit sich trägt. Weiß er, wer auf ihn geschossen hat? Ist es ein Konkurrent seiner Firma, die vor einem wegweisenden Deal mit China steht? Kommissar Lannert nimmt die Ermittlungen auf, zunächst allein, denn Kollege Bootz ist im Urlaub. Um zu erfahren, was in dieser schwäbisch-biederen Familie vor sich geht, beordert ihn die schöne Staatsanwältin kurzerhand nach Stuttgart zurück. Kommissar Bootz soll undercover ermitteln und den neuen Chauffeur und Bodyguard für den immer noch in Lebensgefahr schwebenden Fabrikanten spielen.
Die erste halbe Stunde von „Scherbenhaufen“ wirkt etwas betulich. Generationsstreit in alteingesessenem Unternehmen, Bruderzwist, Industriespionage – das sind wohl bekannte Elemente für Krimigeschichten. Doch dieser „Tatort“ bleibt nicht an den den Mustern kleben. Die Autoren Eva und Volker A. Zahn entwickeln vielmehr aus diesen „Zutaten“ ein undurchsichtiges, überraschungs- und wendungsstarkes Erzählgeflecht. So steigert sich die Spannung, langsam, aber kontinuierlich, bis zum dramatischen Finale. Da geht es dann Undercover-Cop-gemäß um Leben und Tod. Schon einmal hat das Autorenehepaar einen sehenswerten „Tatort“ für das Stuttgarter Duo geschrieben: „Die Unsichtbare“.
Regisseur damals wie heute: Johannes Grieser, geboren in Ulm, Studium in Stuttgart, ein echter Kenner der schwäbischen Mentalität und auch des zuweilen so putzig klingenden Dialekts. Und er zeigt, wie man mit Mundart in einem Krimi umgehen kann. Ist es zuweilen nervend, wenn in anderen Filmen allenfalls einige Nebendarsteller Dialekt sprechen, während sämtliche Hauptfiguren Hochdeutsch parlieren, so bietet dieser Stuttgarter „Tatort“ eine gelungen-homogene Mischung. Am eindrucksvollsten sieht man das an der facettenreich agierenden Ulrike C. Tscharre: Ihre Büroangestellte spricht im Alltag hochdeutsch, besucht sie ihren Vater im Gartenhäuschen wird dagegen leicht schwäbisch geschwätzt. Wie im richtigen Leben… Fazit: verzwickt-intelligenter Fall, grundsolide Regie, ein wunderbares Ensemble. Aber etwas frecher darf es ruhig mal wieder sein im Ländle! (Text-Stand: 14.2.2012)