Tatort – Scherbenhaufen

Richy Müller, Felix Klare, Otto Mellies, der Dialekt und der Patriarch im Fadenkreuz

Foto: SWR / Stephanie Schweigert
Foto Volker Bergmeister

Richy Müller und Felix Klare sind bereits zum 10. Mal am Stuttgarter „Tatort“: Lannert auf Mörderjagd, Bootz als Undercover-Ermittler. Ein schwäbisches Familienunternehmen geht zwischen Generationsstreit, Bruderzwist und Industriespionage den Bach runter und der Patriarch steht vor einem „Scherbenhaufen“. Regie führte Schwabenkenner Johannes Grieser. Verzwickt-intelligenter Fall, solide Regie, insgesamt mal wieder ein bisschen zu brav.

Friedhofsruhe. Ein alter Herr stellt Blumen auf das Grab der Familie Imberger, ein junger Mann steht in der Nähe, spielt mit seinem Handy. Als die beiden Richtung Auto gehen, sieht man ihre Köpfe aus der Perspektive eines Zielfernrohrs. Schüsse. Der Jüngere wird tödlich getroffen. Schnitt. Polizei, Absperrungen, Kommissar Lannert braust mit seinem Porsche mitten rein in den Friedhof. Der Tote war Chauffeur des Unternehmers Otto Imberger. Ob er tatsächlich das Opfer sein sollte? Bald stößt der Schwaben-Cop auf erbitterte Machtkämpfe über die zukünftige Produktausrichtung innerhalb der traditionsreichen Porzellan-Firma.

Tatort – ScherbenhaufenFoto: SWR / Stephanie Schweigert
Clevere Variante der Autoren: Nicht der „einsame Wolf“ Lannert, der schon vor seiner Zeit in Stuttgart undercover gearbeitet hat, sondern Familienmensch Bootz (Felix Klare) muss sich ins Umfeld des gefährdeten Unternehmers einschleichen.

Der große Mime Otto Mellies, fünfzig Jahre lang Ensemblemitglied am Deutschen Theater in Berlin, spielt diesen schwäbischen Familien-Patriarchen Imberger. Und das präzise und würdevoll, mit gebotener Ruhe und sparsamen Gesten, aber enormer Intensität. Schnell spürt man, dass Imberger, dessen Schaffenszeit sich dem Ende neigt, ein Geheimnis mit sich trägt. Weiß er, wer auf ihn geschossen hat? Ist es ein Konkurrent seiner Firma, die vor einem wegweisenden Deal mit China steht? Kommissar Lannert nimmt die Ermittlungen auf, zunächst allein, denn Kollege Bootz ist im Urlaub. Um zu erfahren, was in dieser schwäbisch-biederen Familie vor sich geht, beordert ihn die schöne Staatsanwältin kurzerhand nach Stuttgart zurück. Kommissar Bootz soll undercover ermitteln und den neuen Chauffeur und Bodyguard für den immer noch in Lebensgefahr schwebenden Fabrikanten spielen.

Die erste halbe Stunde von „Scherbenhaufen“ wirkt etwas betulich. Generationsstreit in alteingesessenem Unternehmen, Bruderzwist, Industriespionage – das sind wohl bekannte Elemente für Krimigeschichten. Doch dieser „Tatort“ bleibt nicht an den den Mustern kleben. Die Autoren Eva und Volker A. Zahn entwickeln vielmehr aus diesen „Zutaten“ ein undurchsichtiges, überraschungs- und wendungsstarkes Erzählgeflecht. So steigert sich die Spannung, langsam, aber kontinuierlich, bis zum dramatischen Finale. Da geht es dann Undercover-Cop-gemäß um Leben und Tod. Schon einmal hat das Autorenehepaar einen sehenswerten „Tatort“ für das Stuttgarter Duo geschrieben: „Die Unsichtbare“.

Tatort – ScherbenhaufenFoto: SWR / Stephanie Schweigert
Es darf Schwäbisch geschwätzt werden in Stuaget. Bernd Tauber und Ulrike C. Tscharre

Regisseur damals wie heute: Johannes Grieser, geboren in Ulm, Studium in Stuttgart, ein echter Kenner der schwäbischen Mentalität und auch des zuweilen so putzig klingenden Dialekts. Und er zeigt, wie man mit Mundart in einem Krimi umgehen kann. Ist es zuweilen nervend, wenn in anderen Filmen allenfalls einige Nebendarsteller Dialekt sprechen, während  sämtliche Hauptfiguren Hochdeutsch parlieren, so bietet dieser Stuttgarter „Tatort“ eine gelungen-homogene Mischung. Am eindrucksvollsten sieht man das an der facettenreich agierenden Ulrike C. Tscharre: Ihre Büroangestellte spricht im Alltag hochdeutsch, besucht sie ihren Vater im Gartenhäuschen wird dagegen leicht schwäbisch geschwätzt. Wie im richtigen Leben… Fazit: verzwickt-intelligenter Fall, grundsolide Regie, ein wunderbares Ensemble. Aber etwas frecher darf es ruhig mal wieder sein im Ländle! (Text-Stand: 14.2.2012)

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Reihe

SWR

Mit Richy Müller, Felix Klare, Otto Mellies, Ulrike C. Tscharre, Felix Eitner, Ole Puppe, Bernd Tauber, Carolina Vera, Susanne Scholl

Kamera: Jürgen Carle

Schnitt: Sabine Garscha

Produktionsfirma: Maran Film

Drehbuch: Eva Zahn, Volker A. Zahn

Regie: Johannes Grieser

Quote: 9,59 Mio. Zuschauer (25,7% MA)

EA: 04.03.2012 20:15 Uhr | ARD

Spenden über:

IBAN: DE59 3804 0007 0129 9403 00
BIC: COBADEFFXXX

Kontoinhaber: Rainer Tittelbach