Nach einem feucht-fröhlichen Abend in einem schicken Weingut im Kaiserstuhl geht Radiomoderatorin Beate Schmidbauer (Victoria Trauttmansdorff) zu Fuß nach Hause. Die schöne Landschaft voller Weinberge verwandelt sich in der Finsternis in eine bedrohliche Kulisse. Regisseurin Barbara Kulcsar verzichtet jedoch darauf, die Vergewaltigung Schmidbauers zu inszenieren – und belegt damit einmal mehr, dass man Gewalt nicht verharmlost, nur weil man sie nicht explizit zeigt. Denn auch wenn sich der Fokus schon bald auf Tatverdächtige und Ermittlungsmethoden richtet, bleiben das Opfer und die Folgen der Vergewaltigung weiter im Blick. Schmidbauer – eine Freundin von Kripochefin Cornelia Harms (Steffi Kühnert) – ist eine selbstbewusste Persönlichkeit, die die Tat am liebsten ignorieren möchte. Eine Therapie hält sie nicht für notwendig, den Ermittlern folgt sie noch einmal bereitwillig an den Tatort („Muss ja sein, oder?“), und ansonsten geht sie ihrer Arbeit nach, als sei nichts gewesen. Dass die Vergewaltigung für die etablierte Journalistin dennoch einen tiefen Einschnitt im Leben bedeutet, wird in mehreren Szenen mehr als angedeutet. Victoria Trauttmansdorff überzeugt mit einem feinfühligen Spiel.
Für den fünften Film des Schwarzwald-Teams hat sich Drehbuch-Autorin Nicole Armbruster („Freistatt“, „Zur Hölle mit den anderen“) einen etwas konstruierten, aber spannenden und zum Nachdenken anregenden Fall ausgedacht, der Fluch und Segen einer erweiterten DNA-Analyse vor Augen führt. Dadurch können unter anderem das Alter, Haut-, Augen- und Haarfarbe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ermittelt werden. Wie eine Infotafel am Ende erläutert, ist dies in Deutschland erst seit Dezember 2019 erlaubt. Die im Herbst 2019 gedrehte Folge „Rebland“ macht deshalb einen Umweg über Frankreich: Die bei Beate Schmidbauer sichergestellte DNA stimmt mit der Täter-DNA eines Vergewaltigung- und Mordfalls im nahen Nachbarland überein. Franziska Tobler (Eva Löbau) und Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) beschaffen sich die Erkenntnisse der französischen Kollegen und können so den Kreis der Verdächtigen eingrenzen. Bedenken überwinden muss insbesondere Tobler, die im Dialog mit Berg anmerkt, die Polizei erhalte damit auch zahlreiche intime Daten von Unschuldigen. Kripo-Chefin Harms hatte die Zusammenarbeit mit den französischen Kollegen sogar abgelehnt, weil die Ermittlungsergebnisse Minderheiten diskriminieren würde – und aus Sorge davor, dass Bürger auf die Straße gehen könnten, sollte der Täter eine schwarze Hautfarbe habe.
Das Thema Rassismus bleibt aber außen vor. Der Täter ist mit hoher Wahrscheinlichkeit weiß, hat braune Haare, blaue Augen und ist zwischen 35 und 45 Jahre alt. Auf den ersten Verdächtigen stoßen Berg und Tobler schnell aufgrund der Erinnerungen von Schmidbauer und Harms. Streifenpolizist Mario Lewandowsky (Marek Harloff) war (ziemlich auffällig) im Bayern-Trikot auf dem Weinfest und erweist sich als schwieriger Charakter. Lewandowsky ist ein leicht reizbarer, schroffer Typ, ein Außenseiter, der insbesondere Frauen gerne zu provozieren scheint. Friseur Victor Baumann (Roman Knizka), der zweite Verdächtige, kommt ins Spiel, weil Kommissar Berg von einem Kollegen von einer vor neun Jahren aufgegebenen Anzeige gegen Baumann erfährt. Die war zwar wieder zurückgezogen worden, weshalb davon nichts im Polizeicomputer zu finden ist, aber Berg und Tobler suchen den Mann trotzdem auf – und bringen ihn damit an seinem Arbeitsplatz in Schwierigkeiten. „Ihr speichert nämlich doch jeden Scheiß ab“, sagt Baumann, der damals wegen der Anzeige seine Arbeit und seine Familie verloren hatte. Er nimmt ebenso wenig wie Lewandowsky an dem freiwilligen Massentest teil, bei dem 397 von 485 angeschriebenen Männern aus der Umgebung eine DNA-Probe abliefern. Ein Treffer ist nicht dabei.
Dank der erweiterten DNA-Analyse aus dem französischen Fall können Berg und Tobler den Kreis der 88 potenziell Verdächtigen, die keine Probe abgaben, weiter deutlich reduzieren. Auffällig nervös verhält sich Klaus Kleinert (Fabian Busch), Ingenieur, Witwer und alleinerziehender Vater einer kleinen Tochter, die vom Jugendamt zeitweise in einer Pflegefamilie untergebracht worden war, weil Kleinert nach dem Unfalltod seiner Frau zu trinken begonnen hatte. „Jetzt geht’s uns endlich wieder gut“, sagt er, aber der Besuch von der Polizei erregt erneut das Misstrauen von Nachbarschaft und Jugendamt. So handelt das Drehbuch nicht nur von klassischer Tätersuche, sondern gleichzeitig von den Folgen polizeilicher Ermittlungen. In allen drei Handlungssträngen spitzt sich die Situation für die Verdächtigen Lewandowsky, Baumann und Kleinert zu. Parallel erzählt, verleiht das dem Film zusätzliche Dynamik und Spannung. Aber warum entlasten sich nicht alle Unschuldigen einfach mit einer DNA-Probe? Auch diesem naheliegenden Einwand halten Drehbuch und Inszenierung weitgehend stand. (Text-Stand: 29.8.2020)